Da war er also, »der neue große Sportwagen von Porsche«.
Der nächste große Wurf sollte er sein nach der Erfolgsgeschichte 911. Ruhiger im Auftreten, aber dennoch laut in der Wirkung. »Langweiler gibt es schon genug«, ließen die Zuffenhausener wissen, als der 928 im Jahr 1977 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde. Und ein Langweiler war dieser Porsche natürlich wirklich nicht. Eher ein Besuch aus der Zukunft, wenn auch zeitlos in Design und Wirkung.
Erster und bisher einziger Sportwagen mit dem Titel Europas Auto des Jahres.
Heute gilt der erste Voll-Aluminium-V8 überhaupt, der als komfortabler und luxuriöser GT überzeugte, als Meilenstein, nicht nur in Bezug auf seine avantgardistische Form. Und das völlig zu Recht und nicht überraschend. Denn bereits vor mehr als vier Jahrzehnten wusste der 928 weltweit zu begeistern.
Die Leser der Autozeitschrift »mot« kürten den 928 zum vernünftigsten Sportwagen des Jahres, und 1978 wurde er als erster und bisher einziger Sportwagen überhaupt zum Auto des Jahres gewählt. Auf der British Motor Show in Birmingham war er dem Institute of British Carriage and Automobile Manufacturers in Design, Qualität und Komfort eine Goldmedaille wert. »Auto, Motor und Sport« schrieb zum Start des 928 in überschäumender Begeisterung: »Kein Zweifel. Der berühmte Elfer wird schon in absehbarer Zeit sterben und damit dasselbe Schicksal erleiden wie sein Vorgänger mit der Typenbezeichnung 356.« Das Nachfolgemodell hatten sie erkoren, »nämlich in Gestalt des neuen Porsche 928«.
Gerade einmal 140 Porsche 928 S des Sondermodells »50 Jahre Porsche« wurden Anfang der 1980er gebaut. Der damalige Preis: 81.000 DM. Heute ein Sammlerstück mit stark steigendem Wert.
In diesen Worten liegt bereits der Ursprung einer Geschichtserzählung, die den 928 viel zu lange als Duellant des 911 erlebte und die Fangemeinde auf Jahrzehnte mit mehr oder weniger intensiven Zwistigkeiten beschäftigte. Ein Nachfolger, der der 928 nie wurde. Weil es keinen brauchte. Und weil er dafür einfach nicht geschaffen war. Der 928 war die komfortablere Alternative zum 911, nicht der nächste 911. Als der hatte er es schwer. Als GT war er genial.
Einer der Besten seiner Art ist die Sonderedition »50 Jahre Porsche« von 1981. 140 Exemplare des Jubiläumsmodells baute Porsche damals – spektakulär zeitlos schön in Meteorgraumetallic mit weinroter Ausstattung. Ein Auto wie ein fliegendes Wohnzimmer. 300 PS liefert der 4,7-Liter-V8-Motor und bietet noch heute ein mitreißendes GT-Erlebnis.
»Der 928 ist ein Diamant«, sagte einst Porsche-Entwicklungsvorstands Ulrich Bez über den 2+2-Sitzer. Dieser Diamant hatte nicht zum Ziel, heller zu strahlen als der 911. Das erste Zuffenhausener Sportcoupé mit V8 leuchtete auf seine ganz eigene Weise. Dieser »Businessjet für Autobahnen« (»Handelsblatt«) war ein Statement, geformt im Stil der New-Wave-Ära, mutig und doch ganz im Sinne der Porsche-DNA, die die Porsche-Generationen von 356 über 911 bis zu 918 verbinden sollte.
Das hieß: organische Formgebung mit typisch kühlerloser Coupé-Silhouette, einer flachen Motorhaube und runden Scheinwerfern. Organische Formen à la 356 und 911 sollten Familienähnlichkeit über Generationen hinweg symbolisieren. Das war nicht ganz einfach.
Der luftgekühlte Motor im Heck des 911 sollte auch aufgrund möglicher Lärm- und Abgasbestimmungen in den USA einem wassergekühlter Achtzylinder-Frontmotor weichen. Eine kleine Revolution. Zudem saß das Getriebe an der angetriebenen Hinterachse. Wäre der kleine 924 nicht 1975 schon mit Frontmotor-Transaxle-Konzept auf die Straße gefahren – die Aufregung wäre noch größer gewesen.
Dieser V8-Motor, eine Neuentwicklung ohne Vorbild im Rennsport, benötigte Platz für 4,5 Liter Hubraum, die 1977 176 kW (240 PS) und später bis zu 350 PS leisteten. Eine Aufgabe, die Wolfgang Möbius, der die Karosserie gestaltete, auf ewig gefällige Art und Weise löste. Davon erzählt neben der heute ikonischen Linienführung auch die Tatsache, dass das Design des 928 zu kreativer Namensgebung inspirierte.
In den USA war der Porsche mit der flachen Schnauze bald als »landshark« (Landhai) bekannt, die ausklappenden Scheinwerfer bekamen den Namen Froschauge. Und die serienmäßigen 15’’- oder 16’’-Leichtmetall-Lochscheibenräder waren im gern gewählten »Telefonwählscheibendesign« gestaltet. Ikonisch ist auch die stark gerundete kollisionselastische Heckpartie. Besonderes Merkmal: die Jalousie im Heck, eine Blende, die den Kopfbereich unter der Heckscheibe vor Sonneneinstrahlung schützt. Bis heute charakteristisch sind auch die in einer Reihe angeordneten Rücklichter und der reduzierte Spoiler, stilbildend zudem, ebenfalls weit über die Marke Porsche hinaus: die hinten eingezogene C-Säule und die gewölbten hinteren Seitenscheiben.
Heute erscheint das Design gemeinhin stimmig und passend, damals gab es wie bei mutigen Schöpfungen nicht überraschend auch kritische Stimmen. Luigi Colani lästerte über die »Bulette ohne Arsch und Gesicht«. Der Zuffenhausener Design-Chef Anatole Lapine entgegnete mit Blick auf den wichtigen US-amerikanischen Markt: »Porsche wollte dort [in den USA, d. Red.] mit dem 928 neue Segmente erobern, und damals wurde in den USA extrem viel Wert gelegt auf Sicherheit beim Frontal-Crash und hohen Schutz beim Seitenaufprall. Daher rührt die bauchige Form mit den üppigen Knautschzonen.« Die Diskussionen um das Design gaben Lapine spätestens mittelfristig recht, nicht nur weil auch Apple-Gründer Steve Jobs den 928 verehrte und diesen nicht nur fuhr, sondern sogar als gestalterisches Vorbild für den ersten Macintosh-Computer genannt haben soll.
Im Motorsport spielte der 928 keine zentrale Rolle – Rennfahrer-Legende Jacky Ickx hielt ihn dennoch für den besten GT dieser Zeit. Beinahe 20 Jahre wurde der 928 gebaut, in nahezu unveränderter Form. Insgesamt wurden mehr 62.000 Modelle produziert. Damit ist er einer der weltweit meistverkauften Sportwagen. Die Produktion steht seit 1995 still, die Fangemeinde wächst bis heute. Seine größten Fans hat der 928 unter Design-Freunden und denen, die schnell und komfortabel lange Strecken zurücklegen wollen. Als die Idee einer Ablösung des 911 beerdigt wurde, wechselte der Fokus für den 928 weiter in Richtung Hightech und Komfort. Mit Erfolg. Der 928 entwickelte die höchste Kundenloyalität aller Baureihen. Einmal 928, immer 928.
Wer heute mit dem »50 Jahre Porsche«-Sondermodell 928 S ausfährt, bekommt unerwartet viel Zuspruch von außen. »Der schönste Porsche, der je gebaut wurde«, ist ein wiederkehrender Zuruf. Den damaligen Chef-Designer Lapine würde das nicht wirklich überraschen. Er prognostizierte bei der Präsentation des 928 auf dem Genfer Auto-Salon 1977: »Konventionelle Autos wirken nach kurzer Zeit langweilig. Mit dem 928 wird man sich noch in Jahren auseinandersetzen.« Und das mit Begeisterung.