Genau genommen beginnt diese Geschichte am 6. April 1950. Denn an diesem Donnerstag stellen die Mitarbeiter den ersten 356 vor, der in Zuffenhausen fertiggestellt wurde. Doch manchmal haben Geschichten zwei Anfänge. In diesem Fall ist es der 25. März 1950. Denn das ist der Tag, an dem Ferry Porsche und sein Vater Ferdinand, damals 74 Jahre alt, im Karosseriewerk Reutter in der Augustenstraße im Stuttgarter Westen vorbeikommen, um die Karosserie des ersten Modells in Deutschland zu begutachten.
Was dann geschieht, berichtet der Juniorchef später so: Der alte Professor habe sich den Prototyp in aller Ruhe angesehen und sich schließlich auf einen Hocker genau vor die Rohkarosse gesetzt. „Der Wagen muss zurück in die Werkstatt. Die Karosserie stimmt nicht. Sie ist nicht symmetrisch“, lautet sein Urteil. Eine Katastrophe für den geplanten Serienanlauf. „Und tatsächlich: Ferdinand Porsche hat Recht. Der Aufbau ist um 20 Millimeter aus der Mittelachse nach rechts verschoben“, schreibt Porsche-Historiker Frank Jung im kürzlich erschienenen Buch „Porsche 356: Nr. 5006 lebt. Der Start von Porsche in Deutschland“.
Die ersten Bestellungen liegen bereits vor und man ist dringend auf die Verkäufe angewiesen. Es fehlt an allem, nicht zuletzt am Geld. Doch die Korrekturen sind schnell umgesetzt. Am 2. April komplettiert Reutter die Arbeiten in der Augustenstraße und transportiert den 356 zur endgültigen Fertigstellung nach Zuffenhausen, wo er schließlich am 6. April präsentiert wird. Der „Windhund“ dient sowohl als Privatwagen für Ferry Porsche wie auch für Präsentationen und Versuchsfahrten. Es ist die Geburtsstunde der 356-Produktion in Stuttgart und der endgültigen Heimat der Marke Porsche. Ende 1950 sind 64 Arbeiter und 24 Angestellte in Zuffenhausen beschäftigt.
Damit schließt sich ein Kreis. Denn seinen Ursprung hatte das Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche in der Kronenstraße in Stuttgart, das Porsche-Werk steht schon seit 1938 in Zuffenhausen. › Nur aufgrund des Kriegs siedelte das Unternehmen ins österreichische Gmünd über. Im beschaulichen Kärnten haben Ferry Porsche und seine Schwester Louise Piëch in den ersten Nachkriegsjahren versucht, sich und die Mannschaft mit der Reparatur von „Kübelwagen“ und der Produktion von landwirtschaftlichen Geräten über Wasser zu halten. Während sein Vater in französischer Gefangenschaft sitzt, entsteht unter der Leitung von Ferry Porsche, damals knapp 40 Jahre alt, sein Traumwagen. Heraus kommt 1948 der 356 „Nr. 1“ Roadster. Dem „Nr. 1“ Roadster folgen 1948 die ersten Prototypen des 356/2, die im Gmünder Sägewerk in Handarbeit zusammengebaut werden. Nun mit Heck- statt Mittelmotor.
Die Form des 356 hat mich schon immer fasziniert. Ich habe meinen ersten, ein 356 B Cabrio von 1962, in Bergisch Gladbach gefunden. Der Mann brauchte damals Geld, um sich ein Grundstück zu kaufen. Ich habe das Verdeck neu bespannt und fuhr zum ersten internationalen Treffen nach Schweden.
Neben uns stand ein schwarzer Speedster. Meine Frau fand ihn auf Anhieb toll. Es hat sich durch Zufall ergeben, dass Porsche Spezialist Peter Iversen aus Dänemark so einen zu verkaufen hatte. Und so flog ich eine Woche später nach Dänemark und habe meinen 356 Pre A Speedster von 1955 gekauft. Das Cabrio kaufte mir ein langjähriger Weggefährte ab. Der 356 bedeutet für mich handwerklich puristisches Fahren. Er zieht außerdem immer alle Sympathien auf sich. Seit 24 Jahren bin ich Mitglied im 356 Club Deutschland und seit vier Jahren Präsident. Es ist einfach schön, sich da mit anderen Leuten auszutauschen.
Unseren 356 C, Baujahr 1965, haben wir von meinem Schwiegervater übernommen. Er hat das Auto aus Kalifornien importiert und restauriert. Leider ist mein Schwiegervater inzwischen verstorben, aber wir wollen dieses Auto weiterhin hegen und pflegen und schöne Erinnerungen damit schaffen. Unser Sohn Karl ist vier Jahre alt und wir nehmen ihn zu Ausfahrten mit. Unsere Tochter Lea ist erst ein paar Monate alt, das dauert noch. Für uns ist der 356 keine Wertanlage, sondern wir freuen uns daran, ihn zu putzen, eine Runde zu drehen und den Tag dann bei einem guten Essen ausklingen zu lassen. Über das Auto haben wir auch viele Menschen kennengelernt, die ähnlich ticken wie wir und die Kultur drumherum leben.
Ich bin mittlerweile Vorsitzender des 356 Club Ostwestfalen. Man teilt eine gewisse Wertschätzung für die Langlebigkeit und dafür, solche Dinge zu erhalten.
Und mit 75 PS ist der 356 ein leichtes und funktionales Auto, das bringt schon Fahrspaß – auch mit nur vier Gängen.
Der weckt so viel Interesse bei der Kundschaft, dass schnell klar wird, dass der Standort Gmünd nicht mehr ausreicht. Das ehemalige Porsche-Werk in Zuffenhausen hat den Krieg überstanden, ist aber noch vom US-Militär besetzt. Porsche zieht nebenan als Untermieter der Karosseriefirma Reutter ein, mit der schon in der Vorkriegszeit eine erfolgreiche Zusammenarbeit bestanden hatte.
„Mit dem Porsche 356 aus Stuttgarter Produktion ändern sich gestalterische Details, technische Aggregate und die Herstellungsweise“, dokumentiert Historiker Jung. „Im Gegensatz zu den von Hand produzierten Fahrzeugen wird nun die gesamte Karosserie, bestehend aus Rahmen, Innenhaut und Außenhaut, miteinander verbunden und verschweißt. Das Konstruktionsprinzip der selbsttragenden Karosserie bleibt erhalten, allerdings wird nicht mehr zwischen der äußeren Karosserie aus Aluminium und dem Unterbau aus Stahlblech unterschieden. Das macht es in der Folge leichter, den gesamten Umfang der Arbeiten bei einem Karosseriefabrikanten produzieren zu lassen.“ ›
Der erste Kunde, der seinen 356 in Zuffenhausen abholt, ist der Stuttgarter Nervenarzt – wie man damals sagte – und Kunstsammler Ottomar Domnick. Am 26. Mai 1950 übernimmt er bei der ersten Werksabholung die Fahrgestellnummer 5005 in der extravaganten Farbe Fischsilber (die Fahrgestellnummern beginnen bei 5001 und werden damals nicht in der Produktionsreihenfolge vergeben). „Domnick hat die Übergabe zelebriert“, erinnert sich der damalige Porsche-Mechaniker Herbert Linge, „aber er kam ohnehin schon jeden Tag zuvor vorbei, um zu sehen, wie weit wir mit der Arbeit waren.“
Der prominente Kunde kann die Auslieferung auch dadurch beschleunigen, dass er zustimmt, seinen Wagen an Pfingsten bei der Automobilausstellung in Berlin zu präsentieren – und ihn sogar selbst zu überführen. Das Werk selbst hat keinen Wagen für Messezwecke übrig. Am Tag der Übergabe setzt er sich in das fabrikneue Auto und legt die rund 600 Kilometer lange Strecke nach Berlin problemlos zurück. „Zweifellos ist die Karosserie die formvollendetste, die zurzeit gebaut wird“, lautet sein Fazit nach der Rückkehr.
Bis Ende 1950 werden insgesamt 317 Porsche 356 in Zuffenhausen geboren. Schon am 21. März 1951 wird der 500. Sportwagen vom Typ 356 produziert, am 28. August feiert man den 1.000. Porsche. Damit werden alle Erwartungen übertroffen. „Wir haben uns damals gedacht, legen wir mal 500 Autos auf“, berichtete Ferry Porsche später. „Gebaut wurden aber von diesem Typ etwa 80.000.“
Meine 356-Reise begann vor 50 Jahren in Frankreich. Ich stand vor einem 356 B in einem französischen Dorf und dachte mir, so einen muss ich haben. Kurz darauf saß ich im Zug, hatte eine rote Nummer im Gepäck und fuhr nach Paris, um meinen ersten 356 abzuholen. Später sah ich in einem Schaufenster einen 356 Knickscheibe, der mir noch besser gefiel als der B. Ich musste ihn haben. Es war ein 356 Pre A von 1954 in Perlgrau. Den fahre ich seit 48 Jahren. Aus dieser Leidenschaft wurde mein Beruf. Als Ingenieur habe ich vor 23 Jahren einen Betrieb gegründet, der nur auf 356 spezialisiert ist – mit Schwerpunkt Pre A. Zusammen mit Sohn Till betreuen wir alle Gewerke. Die Kunden kommen aus ganz Europa nach Saarbrücken. Aus Leidenschaft führe ich das umfangreichste Pre-A-Register der Welt mit Informationen über 3.000 Autos sowie 250.000 Pre-A-Fotos. Der 356 B ist übrigens in der Familie geblieben und wird heute mit Freude ständig von meinem Patenkind bewegt.
Mein Vater und ich haben den 356 immer als gemeinsames Hobby geteilt. Es ist das 356 C Coupé aus dem Jahr 1966, das er 1999 gekauft hat. Wir sind zusammen zu internationalen Treffen gefahren. Ich erinnere mich, wie ich noch zur Schule ging, wir aber in Schweden und England mit dem Porsche auf Achse waren. Aufgrund einer Erkrankung kann mein Vater das Auto nicht mehr so nutzen wie bisher. Deshalb führe ich dieses Hobby nun mit meinem Mann und unserer eineinhalbjährigen Tochter weiter. Vielleicht bauen wir bald einen Kindersitz ein. Wir wollen erst mal einige Clubtreffen mitfahren. Da freue ich mich auch schon sehr drauf, denn ich liebe einfach den Geruch dieses alten Autos. Die alten Materialien und das Benzin. Auch der Klang ist besonders. Du hörst den 356 ja schon von Weitem. Das Auto hat einfach Charakter.
Der mitgliederstärkste Porsche Klassik-Club feiert seinen 50. Geburtstag. Mit mehr als 760 Enthusiasten vereint er vom jüngsten Mitglied mit gerade einmal vier Jahren bis hin zu einem der Gründungsmitglieder mit über 90 Jahren viele verschiedene Charaktere. Sie alle eint die Liebe zum Porsche 356. Der Club ist in 13 Regionen in Deutschland organisiert, die mit verschiedensten Aktivitäten zum Clubgeschehen beitragen.
Mehr Informationen unter porsche-356-club-deutschland.de