Es fühlt sich beinahe an wie damals. Wolfgang Zanker und Dieter Schweitzer – früher beide Mechaniker beim Rennteam Max Moritz – sitzen nach fast 50 Jahren wieder gemeinsam in der Werkstatt und erinnern sich an alte Zeiten. „Weißt du noch, wie am Carrera RSR von Eckhard Schimpf die Radmutter abgeflogen ist?“, fragt Zanker seinen Kumpel Schweitzer. Nicht ohne Grund: Denn es war sein Werk. Er hatte die Radmutter nicht korrekt aufgesetzt. „Ich war mit den Nerven ziemlich fertig“, erinnert sich Wolfgang Zanker an das Malheur beim Training zum 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. „Der Anpfiff von Teamchef Rudi Sauter war deutlich.“
Es ist ein halbes Jahrhundert her, dass das Jägermeister Max Moritz-Team im Herbst 1978 offiziell die Pforten schloss. Anschließend kümmerte man sich nur noch um die Rennwagen von Privatkunden. Dennoch erinnern sich bis heute viele Fans an Max Moritz. Auch wegen der orangefarbenen 934und 935-Modelle, mit denen Männer wie Manfred Schurti, Helmut Kelleners, Reinhardt Stenzel oder Edgar Dören unterwegs waren. Dazu kamen Langstrecken-Koryphäen wie Jacky Ickx, Jürgen Barth oder Derek Bell. Und natürlich Privatfahrer, die mit ihren 914/6-GT- und diversen Carrera-RSR-Modellen um Siege und Pokale kämpften.
Max Moritz war kein Team wie jedes andere. Wenn „Ecki“ Schimpf, Hüter der Jägermeister-Sponsorgelder, von dieser Mannschaft und Teamchef Rudi Sauter spricht, klingt das so: „Bei Max Moritz gab es keine Schummeleien, keine Geschäfte im Grauzonenbereich. Bei Max Moritz lief alles sauber und korrekt.“ Und weiter: „Zurückhaltung, Geradlinigkeit, Skepsis, Ruhe – das waren seltene, aber wichtige Attribute in der Hektik des Renngetümmels.“
Diese schwäbische Geradlinigkeit sorgte auch für blindes Vertrauen zur Firma Porsche – man verstand sich, ohne viele Worte zu wechseln. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum man Max Moritz und Jägermeister den Werksfahrer Manfred Schurti anvertraute. Schurti war – als gebürtiger Liechtensteiner – ebenso „down to earth“ geblieben. Der unbezahlbare Vorteil: Er hatte viele Erprobungsfahrten mit den damals neuen Turbomotoren absolviert – darunter auch der anfänglich nahezu unfahrbare Porsche RSR turbo 2.1. Ein großer Erfahrungsvorsprung bei den bis zu 750 PS starken Boliden, die nur von einer Handvoll Piloten am Limit bewegt werden konnten.
Zanker und Schweitzer waren eine Zeit lang diejenigen, die alles gegeben haben, um die Autos perfekt vorzubereiten. „Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, viele Stunden im Renntransporter verbracht und unzählige Male Motoren und Getriebe zerlegt und wieder zusammengebaut“, sagt Schweitzer, der inzwischen eine auf Porsche spezialisierte Werkstatt betreibt. „Die Stimmung an der Rennstrecke, der Sound der Motoren, die Begeisterung der Zuschauer und das überwältigende Gefühl, Teil eines Teams zu sein, das ein Rennen gewonnen hat, ist durch nichts zu ersetzen.“
Dabei war dieser Erfolg von Max Moritz nicht von Anfang an abzusehen. Ende 1969 tat sich eine Gruppe begeisterter Motorsportler, Fahrer, Mechaniker und Helfer zusammen und gründete unter Leitung von Max, dem älteren der beiden Moritz-Brüder, im Jahr 1970 das MM-Racing-Team in Reutlingen. Die Stadt zählte in den 50er- und 60er-Jahren zu den reichsten Gemeinden der jungen Republik – hier waren große Textilfirmen zu Hause, daneben hoch spezialisierte Unternehmen wie die Haushaltsmaschinenfirma Zanker.
Im Schwäbischen spielte das Auto immer eine wichtige Rolle. Hier baute die Karosseriefirma Wendler gepanzerte Cadillacs für König Ibn Saud von Saudi-Arabien und lieferte die Karosserien für die legendären Porsche 550 Spyder. In diesem Biotop mauserte sich Max Moritz zu einem der größten Porsche-Händler der Republik. Dazu kam Rudolf „Rudi“ Sauter ins Spiel: Rudi, der nach einer kaufmännischen Lehre 1966 zur Firma Max Moritz gekommen war, war inzwischen stellvertretender Verkaufsleiter und sah mit Begeisterung, wie Porsche im Motorsport immer bedeutender wurde.
Im Herbst 1949 fuhr Ferry Porsche mit seinem Porsche 356/2 mit dem Kennzeichen K 45 400 nach Reutlingen, um sich das 1932 gegründete Autohaus Max Moritz anzusehen. Am Abend war Max Moritz der erste Porsche-Händler überhaupt. Im folgenden Jahr wurden bereits sieben 356-Modelle ausgeliefert. Ende 1969 gründete man schließlich ein Rennteam, das in den 70er-Jahren zu den besten in Europa gehörte – seitdem sind die Jägermeister-Rennwagen von Max Moritz Kult.
Und so spielte der VW- und Porsche-Händler Max Moritz (später sollten Audi und Seat dazukommen) Mitte der 60er-Jahre im noch relativ überschaubaren Porsche-Universum auch eine immer beachtlichere Rolle. Aus einem kleinen Team mit Fahrern wie Dietrich Krumm und Gerd Quist und zwei rennmäßig vorbereiteten 914/6-GT-Modellen – hinter denen Mechanikergenies wie Fritz Rilling und Erhard Scherf standen – entwickelte sich ein Top-Team, das rasch für Aufmerksamkeit sorgte. „Wir hatten damals die beiden schnellsten 914/6 GT in Europa, wie Klassensiege beim 1000-Kilometer-Rennen am Nürburgring 1970 und beim 1000-Kilometer-Rennen in Spa und am Nürburgring 1971 bewiesen“, sagt Wolfgang Zanker, der 1976 als Kfz-Mechaniker zu Max Moritz gestoßen war.
Wie „Ecki“ Schimpf spürte auch Zanker, dass dieses Team speziell ist. „Wir waren als schwäbisches Team am Boden geblieben – bei uns gab es keine Männer, die mit großen Zigarren durch das Fahrerlager liefen, mit ihren Mitbewerbern Kriege anzettelten und sich gegenseitig die Fahrer wegkauften“, sagt er.
1976 fing Wolfgang Zanker bei Max Moritz an – vier Jahre später trennten sich die Wege. Der staatlich geprüfte Techniker studierte zunächst Kommunikationswissenschaften. Der weitere Weg führte den begeisterten Motorradfahrer zur Zeitschrift „Motorrad“. Bei der Mercedes-Benz AG stieg er zum Head of Global Product Communication von Mercedes-Benz Cars mit Maybach und Smart auf. Beinahe wurde er sogar Chef der globalen Produktkommunikation von Porsche. Doch Mercedes-Benz CEO Dieter Zetsche und der Kommunikationschef Jörg Howe redeten ihm 2013 aus, den von Porsche-CEO Matthias Müller unterzeichneten Vertrag anzunehmen. Zanker blieb der Marke mit dem Stern bis zu seiner Pensionierung 2022 treu.
Mit Max Moritz und Porsche ist er aber bis zum heutigen Tag verbunden. Denn sein Porsche 911 SC, den er 1982 bei Max Moritz kaufte, ist ein fester Bestandteil der Familie. Mittlerweile hat er 59.000 Kilometer auf dem Tacho. Gemeinsam mit seinem Kumpel Dieter Schweitzer schraubt Zanker regelmäßig daran. Und schwelgt mit ihm in alten Max Moritz-Zeiten.