Porsche-Menschen – Wolfgang InhesterDie Seele des Sammlers

Andreas Brozat

 · 04.11.2022

Porsche-Menschen – Wolfgang Inhester: Die Seele des SammlersFoto: Markus Bolsinger
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Wolfgang Inhester blickt auf eine prägnante Vita zurück – mit dem Höhepunkt: Kommunikationschef von Mercedes-Benz, weltweit. Dennoch parken ausschließlich Porsche in seiner Garage. Und das hat auch einen Grund.

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Foto: Markus Bolsinger

Sammeln lässt sich nahezu alles. Münzen, Mützen, Modellautos, Ausgaben favorisierter Zeitschriften, Zinnbecher, Jahresteller, Verrücktheiten. Das ergibt Sinn, denn Sammeln bewahrt. Wir halten fest, verleihen Dauer. Das geht gut in der realen Welt – das Digitale indes ist flüchtig. Die erste Website der Firma, die frühe Gestaltung des Onlineshops – all das, gut oder schlecht, wird überschrieben, entgleitet uns im weltweiten Web.

Gut also, dass es die analoge Welt des Sammelns gibt und darin diese vielen feinen, besonderen Porsche-Garagen – in einer stehen wir nun mittendrin. Wahrhaftig, wirklich, ganz real. Eine idyllische Scheune in der Nähe von Stuttgart. Tor auf. Uns erwartet unser Gastgeber: Wolfgang Inhester. Auch der ganz real. Stattlich, mit seiner kraftvollen Ausstrahlung, stolz durchaus in seiner recht geräumigen »Garage«, wie er es nennt.

Erster Eindruck: Hier duftet es nach Porsche, nach jener unbeschreiblichen Essenz fahrbereit wartender Sportwagen. Nur zehn Kilometer vom Porsche Museum in Zuffenhausen entfernt, wirkt diese Halle wie eine persönliche, episodische Fortsetzung der Kollektion im Stammwerk. Keine Showeffekte, keine architektonischen Schnörkel. Sanft fällt das Tageslicht von draußen auf die Fahrzeuge. Souverän füllen die Wagen den Raum, der zuvor von einem Landwirt genutzt wurde – was durchaus als sympathische Reminiszenz an den Porsche-Traktor verstanden werden darf.

»Mein Ziel war es, vom F-Modell bis zum 997 von jeder Baureihe einen Porsche zu besitzen«, sagt Inhester und beginnt damit ein Gespräch über Leidenschaft, Rennsport, Design und Lebensglück und öffnet den Blick auf ein Sortiment Sportwagen, das hier nicht geparkt ist oder abgestellt wurde – vielmehr sind sie kuratiert, und das wiederum ganz zwanglos und zugleich passend. Zehn sind es, zehnmal 911. Mit jedem einzelnen verbinden den 70-Jährigen besondere Charakterzüge. Ja, seine Autos kommunizieren mit ihm: »Jeder Porsche sagt mir etwas«, sagt der Besitzer. Wenn er seinen 993 steuert, dann hat er das Gefühl, dass es nur darum gehe, »Spaß miteinander zu haben«. Seinen GT3 RS zitiert er mit der Aufforderung: »Du musst mich schon fordern, dann zeige ich dir, was ich kann.«

911-Enthusiast Inhester hat ein feines Gespür für Porsche und einen besonders intensiven Zugang zum Thema Auto. Das erste erkennbar gesprochene Wort, so ist es von den Eltern überliefert, sei »Auto« gewesen. Im Rückblick markiert dieser kommunikative Start ein Statement, seinen Anspruch an seine Passion für Porsche wie auch für seinen beruflichen Werdegang.

Doch vorerst weiter durch die Ausstellung: »Ich liebe die Form des 964 Turbo, denn sie ist zugleich maskulin und feminin«, sagt Inhester schwelgerisch und vertont damit jene Blicke, die sich an seinen silberfarbenen 964 Turbo hängen. Wir erfahren auch, dass dieses Exponat

aus Italien stammt: »Von einem feinen Herrn aus Florenz, für den es seine Bella Maccina war«, erinnert Inhester sich an die Begegnung mit dem über 70-jährigen Vorbesitzer. Inspiriert vom italienischen Stil, sprechen wir über Design, über Proportionen, schließlich über die Klarheit der unverwechselbaren 911 Silhouette. Besonders ausgeprägt natürlich, wenn der Zusatz Turbo das Heck adelt. »Ikonisch wie die Coca-Cola-Flasche, mit betonter Taille und definierten Muskeln«, formuliert es Inhester. Doch es geht auch um die inneren Werte: »Die technische Ehrlichkeit des 997 GT 3 RS beeindruckt mich immer wieder. Für mich ist er der ultimative Neunelfer!« Diesen Sammler fasziniert Purismus. Nur konsequent, dass er von einem 911er träumte, »der kompromisslos auf Rallye umgebaut ist. Einen Porsche, der nicht beschleunigt, sondern nach vorne springt«, zitiert Inhester aus seinem persönlichen Katalog der Träume. 2007 war es endlich so weit. Er fand seinen Traum-Porsche und kaufte ihm einem anderen deutschen Sammler ab. Dem war das Auto »zu unbequem geworden«. Nun besitzt er ihn, den 911 2.7 RS von 1972, und sogar in der geliebten Rallye-Livree. Gewicht: 940 Kilogramm, Leistung: 280 PS. Sogar der Zündschlüssel ist durch kleine zusätzliche Bohrungen gewichtsoptimiert.

Das Baujahr des 2.7 RS liegt 50 Jahre zurück. Wie gehen wir um mit dem Thema Zeit? Diese Frage und die fünf Jahrzehnte hängen nun wie ein Mobile im Raum. Wolfgang Inhester reagiert darauf beherzt. Fünf flotte Schritte zum Schrank; darin: sein Rennoverall, den er wie eine Trophäe präsentiert. »Wenn ich meinen Strampler anziehe, fühle ich mich wie 25. Das ist, als würde ich durch eine Zeitschleuse gehen. Dieses Gefühl ist großartig.« Wir sind in seiner Sportabteilung angekommen.

Er wechselt zu uns hinüber auf die Fahrerseite. »Vipern-grün«, sagt er, die Hand jovial aufs Blech über der Tür gelegt. Dann auf Augenhöhe mit dem Mann hinterm Lenkrad wandert sein Blick nach rechts, als hätten wir danach gefragt. »Rallye-Beifahrer ist die subtilste Art der Machtausübung.« Inhester spricht aus eigenem Erleben: Er war Rallye-Beifahrer. Ein sehr guter, ein erfolgreicher. 1980 gewannen Fahrer Achim Warmbold und Co-Pilot Wolfgang Inhester sogar die Deutsche Rallye-Meisterschaft.

Im Oldtimersport lenkt er selbst das Auto. Sein Co ist seine Frau, seine Ehefrau Rita. Das Paar heiratete vor 46 Jahren. Im Auto gibt Rita den Ton an. Minutiös orchestriert sie die Tempi. Managt Stoppuhren. Vor 25 Jahren begannen sie sich mit Gleichmäßigkeitsprüfungen, kurz GLP, den Oldtimersport zu erobern. »Bei den GLPs geht’s um Hundertstelsekunden.«, beschreibt Inhester die hohen Anforderungen an absolute Akkuratesse. Rita und Wolfgang fuhren bis 2018 als Duo aus Ditzingen möglichst akkurat über den Asphalt. Gern erfolgreich. Team Inhester hat über 200 Pokale eingefahren – hinzu kommen weitere 100 aus Wolfgangs Zeit als professioneller Co-Pilot.

Trotz der Erfolge, Wolfgang wollte seiner Rallyeleiden-schaft noch einmal richtig frönen. Bereits 2011 entdeckte Inhester die »Slowly Sideways Interessengemeinschaft«, eine Gruppe von mehr als 300 Enthusiasten in Europa, die mit originalen beziehungsweise originalgetreu nachgebauten Rallyeautos die goldene Ära des Sports zwischen 1970 und den 1990er-Jahren feiern. Gerade in Südeuropa, in Italien, Portugal und Spanien, ist die Begeisterung für diese Serie groß und auch der häufigste Tummelplatz für die beiden Inhesters und ihren 911 SCRS. Höhepunkt ist jedes Jahr die Rally de Catalunya. Der spanische Lauf zur Rallyeweltmeisterschaft, wo die Oldies direkt hinter dem aktuellen WM-Boliden starten.

»Wir fahren auf den Originalstrecken der Rallye-Weltmeisterschaft, alles genau wie vor 40 Jahren, mit einem kleinen, aber wichtigen Unterschied: Es läuft keine Stoppuhr. Wir fahren die Wertungsprüfungen nicht auf Zeit.«

Vielleicht sind die historischen Rallyeautos auch einfach zu wertvoll, um sie noch einmal auch den brutalsten Anforderungen des Sports auszusetzen. Dennoch: Langsam ist anders. Nur zwischen zehn und 20 Prozent langsamer als früher sind die Oldtimer-Racer.

Für den historischen Rallyesport haben die Inhesters eigens einen Rallye-911er aufbauen lassen: »1982 war ich PR-Chef im Rothmans-Opel-Rallyeteam mit Walter Röhrl, der damals seinen zweiten WM-Titel gewann. Mein Freund Henri Toivonen fuhr den Rothmans 911 SCRS, von dem nur sechs Stück gebaut wurden. Und als ich 2001 in London eine Tochter von Daimler als CEO übernahm, war mein Firmensitz das ehemalige Hauptquartier der Zigarettenmarke Rothmans. Da brauchte es keine Überlegung mehr, ein Porsche SCRS im Rothmans-Outfit musste es sein!« Als Wolfgang Inhester begann, das Auto-Puzzle zusammenzusetzen, wurde ihm sogar einer der drei überlebenden Rothmans 911er in den USA angeboten. Der Kaufpreis von 1,6 Millionen Dollar machte die Entscheidung leicht und forcierte den Bau einer Replika. In fünfmonatiger Bauzeit wurde Inhesters SCRS aufgebaut. Für ihn ist der Rothmans SCRS ein Gesamtkunstwerk: »Innen riecht es genau wie im Original von 1984.« Wolfgang Inhester, der PR-Mann. Dem Job in den 1980er-Jahren für Opel folgte 1992 dann die Aufgabe als PR-Chef bei Mercedes-Benz.

Aus diesen Zeiten hat Inhester viel zu erzählen, reichlich Anekdoten parat. Doch Modelle von Opel oder Mercedes haben es nicht in seine Sammlung geschafft trotz der bis heute spürbaren Begeisterung für den Blitz und den Stern. Warum also ausschließlich Porsche? »Motor, Fahrwerk, Lenkung und Bremsen – beim 911 passt alles. Diese Perfektion hat mich gepackt«, sagt unser Gastgeber, nicht ohne zu erwähnen, dass auch ökologische Gesichtspunkte bei der Wahl eine Rolle spielten: »Ich bevorzuge Produkte aus regionalem Anbau!« :::