Gute Fahrt
· 15.12.2025
Die neue MEB Plus-Architektur markiert einen Wendepunkt in der Elektromobilität des Wolfsburger Konzerns. Erstmals seit Jahren kehrt ein Stromer zur klassischen Frontantriebsphilosophie zurück, was grundlegende Vorteile für Kosten und Raumausnutzung mit sich bringt. Der neu entwickelte APP290-Motor sitzt achsparallel hinter der Vorderachse und arbeitet mit deutlich geringeren mechanischen Verlusten als bisherige Lösungen.
Diese Bauweise ermöglicht es den Ingenieuren, auf strukturelle Verstärkungen im Heckbereich zu verzichten, da die Karosserie vorn bereits crashbedingt entsprechend steif ausgelegt ist. Das Resultat: Das Leergewicht sinkt auf rund 1,5 Tonnen - ein beachtlicher Wert für einen batteriebetriebenen Kleinwagen. Gleichzeitig entstehen durch den wegfallenden Heckantrieb erhebliche Raumvorteile, die sich direkt in einem vergrößerten Kofferraum niederschlagen.
Der direkt an das Motorgehäuse gekoppelte Pulswechselrichter übernimmt dabei zentrale Steuerungsaufgaben. Er wandelt den Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom um, optimiert die Phasenversorgung und regelt die Rekuperation. Durch hochwertige Halbleiter und überarbeitetes Thermomanagement bleibt die Betriebstemperatur auch bei längeren Autobahnfahrten stabil, was den Energiebedarf spürbar senkt.
Die vier verfügbaren Leistungsstufen von 85 bis 166 Kilowatt decken unterschiedlichste Anforderungen ab. Während die Basisversionen auf Effizienz ausgelegt sind, bietet die stärkste Variante als GTI-Version sportliche Fahrleistungen. Das konstante Drehmoment von 290 Newtonmetern steht in allen Ausbaustufen zur Verfügung und sorgt für kräftigen Antritt aus dem Stand.
Die Energiespeicher des neuen Stromers basieren auf der innovativen PowerCo-Einheitszelle, die erstmals im Kleinwagensegment zum Einsatz kommt. Diese prismatischen Zellen werden nach dem Cell-to-Pack-Prinzip direkt zu einem kompletten Batteriepaket zusammengeführt, wodurch die bisherige Modulebene entfällt. Der Verzicht auf Zwischenschritte reduziert Materialeinsatz, Bauteilanzahl und Gewicht bei gleichzeitig verbesserter Energiedichte.
Zwei unterschiedliche Zellchemien stehen zur Verfügung: Die kostengünstige Lithium-Eisenphosphat-Variante mit 37 Kilowattstunden verzichtet komplett auf Nickel oder Kobalt und senkt damit die Rohstoffkosten erheblich. Mit einer prognostizierten Reichweite von 300 Kilometern richtet sie sich an preisbewusste Kunden mit überwiegend urbanen Fahrprofilen. Die Schnellladeleistung erreicht bis zu 90 Kilowatt, wodurch der Ladevorgang von zehn auf achtzig Prozent in 27 Minuten abgeschlossen ist.
Die NMC-Batterie mit 52 Kilowattstunden Kapazität adressiert hingegen Nutzer mit längeren Pendelstrecken. Bis zu 450 Kilometer Reichweite sollen nach WLTP-Norm möglich sein - ein Wert, der auch viele ID.3-Varianten erreichen. Die höhere Energiedichte der Nickel-Mangan-Kobalt-Chemie ermöglicht trotz größerer Kapazität ein nahezu identisches Gewicht zur LFP-Version. Mit 130 Kilowatt Ladeleistung verkürzt sich die Ladezeit auf 23 Minuten.
Das neue Kühlmodul setzt auf flächige Wärmeübertragung und verbessert die Temperaturstabilität innerhalb der Zellen erheblich. Besonders bei niedrigen Außentemperaturen profitiert die Ladegeschwindigkeit von diesem System. Der akustisch entkoppelte Klimakompressor verhindert zudem die Übertragung von Vibrationen in den Innenraum.
Die Umstellung auf Frontantrieb erforderte eine komplette Neuentwicklung aller Fahrwerkskomponenten. Vorn arbeitet eine MacPherson-Vorderachse mit großflächigen Dämpferkolben und differenzierten Druckstufen, die sowohl Komfort als auch präzise Rückmeldung gewährleisten soll. Die speziell entwickelten Federbeinlager optimieren das Anfederungsverhalten und den Abrollkomfort spürbar.
Hinten kommt eine kompakt bauende Verbundlenkerachse zum Einsatz, deren Hauptvorteil in der Platzersparnis liegt. Diese Konstruktion schafft wertvollen Raum für den Kofferraum und ermöglicht das großzügige Ladevolumen von 435 Litern. Die abgestimmten Lager verwenden eine Zwei-Komponenten-Technik zur Dämpfung niederfrequenter Vibrationen, während ein passiver Schwingungstilger Abrollgeräusche reduziert.
Bei ersten Testfahrten zeigt sich der Stromer als bissig und zackig, wobei die 211-PS-Testversion durchaus Antriebseinflüsse auf die Vorderräder überträgt. Die Servolenkung arbeitet feinfühlig und präzise, während das Bremssystem als One-Box-Lösung eine deutlich natürlichere Dosierung ermöglicht als bisherige MEB-Fahrzeuge. Die enge Verzahnung zwischen hydraulischer Bremse und Rekuperation erlaubt eine höhere Energierückgewinnung als bei früheren Kleinwagenmodellen des Konzerns.
Der verhältnismäßig steif angebundene Stabilisator reduziert Wankbewegungen in schnellen Kurven, während das Zusammenspiel aller Komponenten ein neutrales Handling mit betontem Schwerpunkt erzeugt. Die Ingenieure zielten auf ein leicht beherrschbares Fahrverhalten ab, das dennoch dynamischer wirkt als beim konventionellen Polo.
Trotz nahezu identischer Außenabmessungen zum aktuellen Verbrenner-Polo bietet der Stromer 19 Millimeter mehr Innenraum. Der um fünf Zentimeter gewachsene Radstand von 2,60 Metern erreicht fast Golf-Niveau und schafft spürbar mehr Beinfreiheit für die Fondpassagiere. Das komplett neu designte Cockpit kombiniert ergonomisch durchdachte digitale und physische Bedienelemente mit einer horizontalen Armaturentafel-Architektur.
Das Digital Cockpit umfasst einen 10,25 Zoll großen Bildschirm, während das zentrale Infotainment über einen 13-Zoll-Touchscreen bedient wird. Jedes Detail des Innenraums wurde laut Hersteller komplett neu konstruiert, um die Vorteile der elektrischen Architektur optimal zu nutzen. Der Verzicht auf Kardantunnel und die flache Batterie im Unterboden schaffen zusätzlichen Platz für Passagiere und Gepäck.
Der erweiterte Travel Assist beinhaltet nun eine Ampel- und Stoppschilderkennung, die das bereits bekannte System zur Quer- und Längsführung ergänzt. Ein Kamera-Radar-Setup auf Basis der MEB Plus-Elektronikarchitektur ermöglicht eine verbesserte Datenfusion und genauere Objektklassifizierung. Die gestrafften Rechenpfade sollen Entscheidungen schneller und stabiler treffen.
Mit einer Anhängelast von 1.200 Kilogramm und 75 Kilogramm Stützlast positioniert sich der kompakte Stromer auch als Zugfahrzeug für kleinere Anhänger. Diese Werte übertreffen viele Konkurrenten in der Klasse und unterstreichen den Allround-Anspruch des Fahrzeugs. Der Vorverkauf beginnt im April 2026, die Weltpremiere folgt einen Monat später.