Gute Fahrt
· 17.09.2025
Was passiert eigentlich, wenn einem Elektroauto der Strom ausgeht? Bleibt es einfach stehen, oder gibt es eine Notreserve? Diesen Fragen ist der ADAC in einem umfassenden Test nachgegangen. Auf dem Testgelände im bayerischen Penzing wurden sechs verschiedene Elektromodelle bis zum Stillstand gefahren: der VW ID.3, das Tesla Model Y, der Kia EV6, der Volvo EX40 sowie die chinesischen Modelle BYD Seal und Nio EL6.
Die Ergebnisse zeigen, dass alle getesteten Fahrzeuge ähnliche Warnsysteme implementiert haben, die in mehreren Stufen auf den sinkenden Akkustand hinweisen. Die erste Warnung erfolgt bereits recht früh, wenn noch zwischen 7 und 21 Prozent Ladung vorhanden sind. Der Kia EV6 erwies sich dabei als besonders vorausschauend und warnte bereits bei 21 Prozent und etwa 70 Restkilometern, während der Volvo EX40 erst bei 7 Prozent die erste Warnung anzeigte.
In dieser ersten Phase färbt sich bei den meisten Modellen das Batteriesymbol orange, und es erscheint ein Hinweistext wie "Batterieladung niedrig" oder "Bitte bald laden". Zu diesem Zeitpunkt ist beim Fahren noch kein Unterschied zu spüren – das Auto reagiert normal, und die Leistung steht vollständig zur Verfügung. Der Fahrer hat in dieser Phase noch ausreichend Zeit, eine Ladesäule anzusteuern.
Wird die Warnung ignoriert und der Akkustand sinkt weiter, werden die Hinweise energischer. Die optischen Anzeigen werden durch akustische Signale ergänzt, und manche Fahrzeuge schlagen Sparmaßnahmen vor, etwa den Wechsel in den Eco-Modus oder die Reduzierung von Heizung und Klimaanlage. Auch in dieser Phase lässt sich das Auto noch weitgehend normal fahren, allerdings steht bei kräftiger Beschleunigung teilweise nicht mehr die volle Leistung zur Verfügung. Spätestens jetzt sollte man die Autobahn verlassen und eine Lademöglichkeit ansteuern.
Wird auch diese zweite Warnstufe ignoriert und der Akkustand sinkt in den einstelligen Bereich, drosseln die Fahrzeuge spürbar ihre Leistung. Das Auto wirkt nun träge und signalisiert unmissverständlich: Jetzt wird es ernst. Dennoch lässt sich das Fahrzeug auch in diesem Zustand noch fahren, wenn auch mit reduzierter Dynamik.
Besonders interessant ist, was passiert, wenn die Akkuanzeige 0 Prozent erreicht. Entgegen der weitverbreiteten Annahme bleiben die Elektroautos nicht sofort stehen. Alle getesteten Modelle verfügen über eine Notlaufreserve, die es ermöglicht, noch etwa 15 bis 20 Kilometer weiterzufahren. Bei manchen Modellen erscheint in dieser Phase ein Schildkrötensymbol im Display, das auf den stark eingeschränkten Betriebsmodus hinweist.
Der BYD Seal zeigte bereits bei 5 Prozent Ladestand nur noch Striche anstatt der Restreichweite an, während die anderen Testkandidaten die Reichweite bis auf Null herunterzählten. In dieser letzten Phase wird die Leistung immer stärker reduziert, das Fahren wird zunehmend schwieriger. Die mögliche Geschwindigkeit sinkt, und die Beschleunigung wird sehr träge. Wenn man Glück hat, reicht es gerade noch bis zur nächsten Ladesäule.
Im ADAC-Test zeigte sich, dass die E-Autos am Rande ihrer Kräfte ziemlich zügig ganz abschalten, wenn sie die 50 km/h Marke fallen. Falls das Auto dann nicht sicher steht, kann man versuchen, es nochmals zu starten. Manche Modelle lassen sich dann noch ein paar Meter rangieren. Oft geht aber gar nichts mehr.
Der ADAC warnt ausdrücklich davor, sich auf die Notlaufreserve zu verlassen. Denn der Test fand idealen Bedingungen statt: Die Teststrecke war nahezu eben, die Temperaturen mild, und die meisten Testfahrzeuge waren noch recht jung. Gerade im Winter bei kalten Temperaturen, bei einer kräftigen Steigung oder wenn ein Akku schon deutlich gealtert ist, kann es sein, dass diese Notlaufreserve kaum oder gar nicht mehr vorhanden ist und das Fahrzeug früher und unvermittelter abschaltet.
Die oft angeführte Reichweitenangst, mit einem Elektroauto plötzlich liegenzubleiben, erweist sich angesichts der Testergebnisse als weitgehend unbegründet. Dafür müssten mehrere, teils sehr energische Warnungen konsequent ignoriert werden. Zudem haben moderne Elektroautos inzwischen beachtliche Reichweiten erreicht. Die vom ADAC im Jahr 2024 getesteten 29 Elektroautos wiesen eine durchschnittliche Reichweite von 425 Kilometern auf – erstmals mehr als 400 Kilometer im Durchschnitt. Die mögliche Reichweite hat sich gegenüber dem Stand von 2014 damit fast verdreifacht.
Wer es trotz aller Warnungen nicht rechtzeitig zur Ladesäule schafft, hat verschiedene Optionen. Am sinnvollsten ist es, den Abschlepper zu rufen und das Auto zur nächsten Ladesäule transportieren zu lassen. Wichtig zu wissen: E-Autos dürfen im Regelfall nicht auf eigenen Rädern gezogen werden, da sonst der Elektromotor Spannung erzeugen und die Elektrik beschädigen könnte.
Theoretisch ist es möglich, mit einer Powerbank ein E-Auto wieder aufzuladen. Das Laden dauert jedoch extrem lange und bringt nur wenige Kilometer Reichweite. Auch gibt es Elektroautos, die über den Typ-2-Stecker Strom abgeben und dadurch einem anderen E-Auto eine Notladung geben können. Allerdings dauert das Aufladen aus einem anderen E-Auto etwa 30 bis 60 Minuten, bis wieder Reichweite für 5 bis 10 Kilometer geladen ist.
Der ADAC gibt klare Empfehlungen für E-Auto-Fahrer: Die Fahrstrecke sollte nicht so knapp geplant werden, dass die Batterie bis Null leergefahren werden muss. Es ist besser, einmal mehr kurz zu laden. Zudem sollte man Puffer für Unvorhergesehenes wie Umleitungen, defekte oder belegte Ladesäulen einplanen. Das E-Auto sollte nie mit fast leerem Akku abgestellt werden, ohne es wieder zu laden, da dies der Batterie auf Dauer schaden kann und über Nacht der Akkustand gerade bei Kälte zusätzlich sinken könnte.
Wenn die Reichweite knapp zu werden droht, sollte man frühzeitig Sparmaßnahmen ergreifen: in den Eco-Modus wechseln, Heizung reduzieren bzw. Klimaanlage ausschalten, langsam und vorausschauend fahren, sofern möglich Windschatten nutzen (dabei aber auf den Sicherheitsabstand achten) und kräftiges Beschleunigen vermeiden. Diese Maßnahmen können helfen, die verbleibende Reichweite zu maximieren und sicher die nächste Ladesäule zu erreichen.