Joachim Fischer
· 26.08.2023
Vonder Stange oder doch lieber ganz individuell? Diese Frage muss man sich als erste stellen, wenn man derzeit Interesse an einem vollelektrischen Volkswagen ID.4 hat. Händler und Konfigurator lassen einem zunächst diese Wahl, wobei die bereits vorkonfigurierten ID.4 weitgehend die Basis-Ausstattung des Modells umfassen, nur Lackierung und Motorisierung können selbst bestimmt werden.
Ganz anders sieht das bei den individuell konfigurierbaren ID.4 aus, die alle ab Werk bereits das Infotainment-Paket haben, das im Wesentlichen sowohl die Top-Navigation Discover Pro als auch die Telefonanbindung „Comfort“ mit induktiver Handy-Ladefunktion sowie die Verkehrszeichenerkennung enthält. Hier ist alles möglich: Shopping nach Herzenslust aus der langen Liste der Sonderausstattungen, meist zusammengefasst in sinnvollen Paketen.
Zur Gruppe der Individual-ID.4 zählte auch unser Testwagen: Ein ID.4 Pro 4Motion Performance Upgrade. Die Pro-Version des Wolfsburger Welt-E-Mobils ist mit 204 PS starkem Heckantrieb oder auch als allradgetriebener 4Motion mit zwei E-Motoren – einem vorne, einem hinten – und 265 PS Systemleistung sowie 425 Nm Gesamtdrehmoment erhältlich. Eine interessante Alternative zum Topmodell ID.4 GTX, das ebenfalls über den 4Motion- Allradantrieb, allerdings noch potentere 299 PS verfügt. Wer die oder die eigenständige GTX-Optik nicht unbedingt will, hat also die Wahl.
Gut 4.200 Euro kann man mit dem ID.4 Pro 4Motion gegenüber dem ID.4 GTX sparen, 51.320 zu 55.555 Euro lauten die Grundpreise. Relativiert wird die Ersparnis dadurch, dass der GTX bereits in Serie 20-Zoll-Aluräder und das ausgezeichnete IQ.Light mit LED-Matrix-Scheinwerfern vorne sowie 3D-LED-Rückleuchten mit dynamischen Blinkern hat. Der Pro 4Motion kann hier nur mit 19-Zoll-Stahlfelgen und normalem LED-Licht aufwarten. Ergänzt man 20-Zöller (1.275 Euro) und das Design-Paket inklusive IQ.Light (2.000 Euro) aus der Extra-Liste, bleibt immerhin noch eine Ersparnis von knapp 1.000 Euro gegenüber dem sonst vergleichbar ausstaffierten GTX. Macht sich das im Alltag bemerkbar? Eigentlich nicht, denn wie im GTX leistet die Synchronmaschine an der Hinterachse 204 PS, der Asynchron-Motor an der Vorderachse 109 PS. Nur die maximale Systemleistung, die ohnehin nur bei nahezu vollgeladenem Akku für jeweils etwa 30 Sekunden zur Verfügung steht, ist elektronisch um 34 PS auf 265 PS gedrosselt. Als Energiespeicher dient hier wie da der netto 77 kWh fassende Top-Akku aus Volkswagens MEB-Regal.
Deshalb kann man nur auf der GF-Messstrecke unter Extrembedingungen Unterschiede ausmachen. Den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h absolviert der ID.4 Pro 4Motion in 7,0 Sekunden, bis 160 km/h nimmt er sich 17 Sekunden Zeit. Den Überholsprint von 80 auf 120 km/h erledigt er locker in 4,5 Sekunden. In der Spitze darf er elektronisch abgeregelte 180 km/h rennen. Zur besseren Einordnung: Ein von uns gemessener ID.4 GTX sprintete in 6,4 Sekunden auf 100 km/h, überholte von 80 auf 120 km/h in 4 Sekunden und darf ebenfalls 180 km/h Spitze rennen. Ein 204 PS starker, heckgetriebener ID.4 Pro mit dem großen 77 kWh-Ak- ku benötigte für den Standard-Sprint 8,5 Sekunden, von 80 auf 120 km/h beschleunigte er in 6 Sekunden und darf ab Werk nur 160 km/h rennen. Der ID.4 Pro 4Motion liegt in seinem Leistungsvermögen also deutlich näher am GTX als an der heckgetriebenen Pro-Version. Das gilt natürlich auch für das Fahrwerk. Durch seinen elektronisch geregelten Allradantrieb, der sich aus dem Zusammenspiel der beiden E-Maschinen an Front und Heck ergibt, sowie die XDS-Sperren und den famosen elektronischen Fahrdynamik-Manager, der alle Fahrwerksfunktionen überwacht und zentral steuert, ist der ID.4 Pro 4Motion noch wesentlich traktionsstärker und agiler unterwegs als die rein heckgetriebene Variante. Nicht zuletzt darf er auch deshalb – wie der GTX – gebremst bis zu 1.200 Kilo bei 12 Prozent Steigung an den Haken nehmen und ist somit auch als Zugfahrzeug für mittelschwere Anhänger geeignet.
Kommt wie im Fall unseres Testwagens noch das Sportpaket Plus (1.150 Euro) hinzu, das die Progres- standsoptimierten, selbstversiegelnden Reifen eher Pneus mit sportlicher Fahrdynamik haben will, muss nochmal 500 Euro draufzahlen. sivlenkung sowie das ausgezeichnete DCC-Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern enthält, hat man optimale Bedingungen. Über die serienmäßigen Fahrprofile kann man nun auswählen, ob man eher sportlich oder besonders komfortabel unterwegs sein möchte oder überlässt die Abstimmung einfach der Automatik. Ein individuelles Setup ist ebenfalls möglich. Wer auf ganz große Räder steht, sollte das DCC in jedem Fall ordern, denn es wird auch problemlos mit den optionalen, riesigen 21-Zoll-Alus „Narvik“ (1.790 Euro) fertig. Spannend dabei: Wer statt der rollwiderl Traktion bietet der ID.4 Pro 4Motion jedoch in jedem Fall. Schon ein leichter Druck aufs Fahrpedal genügt und es geht ohne jede Verzögerung ordentlich vorwärts.
Dank des Ein-Gang-Getriebes erzeugt der Volkswagen den E-Auto-typischen, gleichmäßigen Schub ohne jedwede Unterbrechung. Es fühlt sich an, als würde man wie von einem imaginären Gummiband unaufhaltsam nach vorne gezogen. So gehört man in der City an der Ampel stets zu den Flottesten, nur begleitet vom feinen Summen der E-Maschinen und dem gut gedämpften Abrollgeräusch der Räder. Trotz seiner rund 4,60 Meter Länge gibt sich der ID.4 auch im Parkhaus ausgesprochen wendig. Die akustische Einparkhilfe an Front und Heck ist serienmäßig verbaut. Rückfahrkamera, Umgebungsassistent, Parklenkassistent und sogar die brandneue Memoryfunktion für wiederkehrende Parkvorgänge etwa in der heimischen Hofeinfahrt sind gegen Aufpreis erhältlich.
Über Land verwöhnt der Allrad-ID.4 mit einem absolut entspannten Fahrgefühl. Leistung für kurze Zwischensprints ist in Hülle und Fülle vorhanden, ansonsten bewegt man sich flüsterleise und sanft abrollend durch die Landschaft. Sticht auf kurvigen Abschnitten doch einmal der Hafer, bietet der ID.4 eine überragende Dynamik, ein ausgesprochen neutrales Fahrverhalten und erlaubt hohe Kurvengeschwindigkeiten. Nur sein stattliches Gewicht von gut 2,2 Tonnen kann er bei scharf angegangenen Kehren nicht gänzlich kaschieren. Die optionale Progressivlenkung agiert angenehm straff und direkt, bietet ordentliche Rückmeldung von der Fahrbahn und erlaubt ein absolut zielgenaues Einlenken.
Auf der Autobahn programmiert man am besten den serienmäßigen Abstandstempomat ACC Stop&Go auf 130 km/h und macht es sich in den ausgezeichneten, vollelektrischen ErgoActive-Sitzen (Interieur Style Plus, 2.560 Euro) bequem, schwimmt einfach entspannt im Verkehr mit. Sicher, kleine Spurts bis 180 km/h sind jederzeit möglich, lassen aber die erzielbare Reichweite doch merklich schrumpfen. Im flott gefahrenen Testschnitt ermittelten wir mit dem ID.4 Pro 4Motion einen Stromverbrauch von 22,8 kWh pro 100 Kilometer. Die maximal erreichte Testreichweite lag bei 367 Kilometern. Den niedrigsten Verbrauch erzielten wir in der Stadt sowie im Umland, da hier die häufi- gen Rekuperationsphasen beim Bremsen Energie in den Akku zurückspülen. Hier macht es auch Sinn, die stärkere Rekuperation im Fahrmodus B zu nutzen. Ansonsten überlässt man die Wahl besser der Automatik, die situationsabhängig zwischen Rekuperieren und Segeln entscheidet. Die Bremsen des ID.4 Pro bieten keinen Anlass zur Klage.
Sie packen bei Bedarf beherzt zu, der Übergang zwischen Rekuperation und Anlegen der Beläge an die Scheiben vorne sowie die Trommeln hinten ist im Pedal nicht zu spüren. Allerdings ist der Pedalweg bis zum Druckpunkt etwas lang und auch weich. Überhaupt nichts zu mäkeln gibt es am Platzangebot im Volkswagen ID.4. Sowohl vorne als auch gerade im Fond sitzt man fürstlich, Kopf und Kniefreiheit sind üppig. Hinzu kommt ein 543 bis 1.575 Liter fassender Kofferraum mit niedriger Ladekante, mit dem sich alle anfallenden Transportaufgaben bewältigen lassen sollten. Die Verarbeitung und Materialqualität ist gut, die Bedienung durchgängig digital ausgelegt.
Dreh und Angelpunkt ist hierbei das Infotainment-System mit großem Touchscreen, das wie bereits erwähnt bei den individuell konfigurierbaren ID.4 serienmäßig die große Navigation Discover Pro beinhaltet. Das ist auch gut so, denn durch das System wird die Routen- und Ladeplanung für längere Reisen erleichtert. Das funktioniert inzwi- schen sehr gut. Das Laden selbst ist ein Kinderspiel, besonders dann, wenn man Volkswagens WeCharge-Karte und -App an Bord dabei hat. An ausgewählten Säulen identifiziert sich und bezahlt der ID.4 dann inzwischen auch vollautomatisch.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch eine Vielzahl von Assistenz- und Komfort-Optionen. In erster Linie zu nennen wäre hier das Assistenzpaket „Plus“ mit der elektrischen Heckklappe nebst sensorgesteuerter Öffnung/Schließung, Alarmanlage, proaktivem Insassenschutz, dem Fahrassistent „Travel Assist“, Notfall- und Parklenk-Assistent mit Memory-Funktion, Keyless Access, dem Spurwechsel- und Umgebungs-Assistent sowie Rückfahrkamera für 2.900 Euro. Wie an der Döner-Bude: Einmal mit allem, bitte – und scharf. Oder auch das Infotainment-Paket Plus, das für 1.450 Euro im Wesentlichen das faszinierende Augmented Reality Head-Up-Display sowie ein potentes Sound-System enthält. Noch mehr gefällig? Kein Problem: Das Komfort-Paket Plus für 1.630 Euro mit je 2 USB-C-Schnittstellen vorn und hinten, Gepäcknetz, Netztrennwand H Das riesige Panoramadach kommt mit dem Design-Paket „Plus“ für 2.950 Euro, das neben anderem auch das IQ.Light enthält j Das Serien-MF-Lenkrad mit Touch-Bedienung erlaubt die Steuerung des serienmäßigen Abstandsassistenten ACC l Die Multi-Antenne auf dem Dach sieht nicht nur schick aus, sondern garantiert auch allzeit guten Empfang und doppeltem Gepäckraumboden, der 3-Zonen Air-Care Climatronic, Regensensor, automatisch beheizten Scheibenwaschdüsen, der variablen Mittelkonsole und der beheizbaren, geräuschdämmenden Frontscheibe. Als Einzeloptionen sind noch die elektrisch auslösbare Anhängerkupplung (890 Euro), das Exterieur Style Silber (505 Euro) und die Wärmepumpe (990 Euro) verfügbar. Letztere hilft dabei, unter bestimmten Bedingungen die Reichweite zu optimieren.
Sind alle Haken gesetzt, darf man dann mit Fug und Recht von einer Vollausstattung sprechen. Mehr geht einfach nicht. Dann hat man den Grundpreis von 51.320 für den VW ID.4 Pro 4Motion allerdings schon ganz weit hinter sich gelassen. Selbst etwas zurückhaltendere Besteller werden ganz schnell an der 60.000-Euro-Marke kratzen. Da gilt es, genau zu überlegen, was man wirklich braucht. Zuletzt darf man dann noch Umweltbonus und staatliche Förderung vom Grundpreis abziehen. Im Fall des ID.4 Pro 4Motion sind das momentan bei rechtzeitiger Zulassung noch im Jahr 2023 von staatlicher Seite 3.000 Euro, von VW noch einmal 1.785 Euro – inklusive der gesparten Mehrwertsteuer. Knapp 5.000 Euro also, die man sparen oder in ein paar schicke Extras investieren kann. Denn gerade ein ganz individuell konfiguriertes E-Auto sollte am Ende doch Freude bereiten – oder?
Motor
Batterie:
Fahrwerk
Testwagen:
235/45 R 21 (v) 255/40 R 21(h) auf 8,5 J x21 (v) 9 Jx21 (h) Alufelgen „Narvik“
Karosserie
Assistenten
Serie:
Optional (Auswahl):
Test kompakt
Wer auf das Optikpaket des VW ID.4 GTX sowie dessen etwas höhere Leistung verzichten kann, ist mit dem VW ID.4 Pro 4Motion ebenfalls bestens bedient. Er bietet Allradantrieb und 265 PS Systemleistung zum gut 4.000 Euro günstigeren Einstandspreis. Die kann man gut in eines der Extra-Pakete investieren. Fahrdynamisch und beim Komfort muss sich der VW ID.4 Pro 4Motion vor seinem großen Bruder nicht verstecken.