Joshua Hildebrand
· 30.07.2023
Fragen über Fragen, bevor es überhaupt so richtig losgegangen ist. Aber so ist das eben beim ersten Kennenlernen. Immerhin möchte man ja wissen, woran man ist. Und die Katze im Sack kauft bekanntlich ja auch niemand gerne. Doch wir drehen den Spieß herum: Erst treffen, dann quatschen – so machen wir das jetzt. Weil es das zweite Treffen mit dem ID.3 Pro (58 kWh) ist, wissen wir auch schon in etwa, was uns erwarten wird. Dennoch sind wir gespannt, wie es wohl dieses Mal wird, nachdem der Kompakt- stromer erst kürzlich seine erste Produktaufwertung erhielt. Bereits in Ausgabe 12/20 hatten wir mit ihm ein emotionales Stelldichein. Damals handelte es sich noch um die erste Generation.
Ein bisschen aufgeregt sind wir schon, als wir auf Generation Zwei treffen. Seine Manieren hat der ID.3 auch als Facelift nicht verloren, beim Nähertreten blinzelt er uns noch immer keck über seine ID.Light-LED-Matrixscheinwerfer zu. Reifer ist er seit unserem letzten Treffen aber schon geworden, was vor allem an der überarbeiteten Front liegt. Die Schürze besitzt nun seitliche Air Curtains und die markanter gestaltete Fronthaube verzichtet jetzt auf die schwarze Leiste unterhalb der Windschutzscheibe. Ferner ist die seitliche Dachleiste nun immer in Silber-Matt ausgeführt und am Heck strahlt nun auch der innen liegende Teil der Rückleuchten. Außerdem hat er ganz schön Farbe bekommen, oh la la … Die neue Optionslackierung in Dark Olivine Green für 860 Euro steht dem Wolfsburger jedenfalls äußerst gut zu Gesicht, gleiches gilt für die 20-Zoll-Räder namens „Sanya“, für die nochmals 1.900 Euro zu Buche schlagen. Dass Volkswagen den ID.3 Pro (58 kWh) serienmäßig mit 18-Zoll-Stahlrädern und Radkappen zum Kunden schickt, finden wir für ein sonst so hippes Automobil etwas unpassend. Nur der Pro S (77 kWh) wird ab Werk mit Leichtmetallrädern ausgestattet. Mehr als ein Trostpflaster ist die ansonsten gute Serienausstattung des Einstiegsmodells mit Annehmlichkeiten wie elektrisch einstell-, anklapp- und beheizbaren Außenspiegeln samt Beifahrerspiegelabsenkung, einer Umfeldbeleuchtung mit Logoprojektion sowie LED-Scheinwerfern mit automatischer Fahrlichtschaltung. Damit der ID.3, wie bereits erwähnt, uns zublinzeln kann, befindet sich bei „WOB-GK47E“ das „Exterieurpaket“ für 1.860 Euro an Bord, das die Matrixscheinwerfer samt Front-Lichtleiste, abgedunkelte Scheiben sowie eine neue Animation des Rücklichts beim Öffnen und Schließen ans Auto bringt.
Bisher verstehen sich der ID.3 und wir sehr gut. Optisch passt es und das Facelift hinterlässt einen guten Eindruck. Gehen wir nun in Phase zwei des Kennenlernens über, denn letztlich geht es ja auch um die inneren Werte. Seit unserem letzten Treffen hat sich hier am meisten getan: Mit dem Facelift wurde der ID.3 aufgehübscht und auch verbessert. Platz nehmen wir auf angenehmen, gut stützenden Integralsitzen, die es für das Pro-Modell mit weiteren Extras wie AR-Headup-Display, 30-farbiger Ambientebeleuchtung und Beats Audio-Soundsystem im Paket gibt – zu doch etwas happigen 4.180 Euro.
Beim Griff ans Lenkrad spüren wir eine deutliche Veränderung. Wie beim gesamten Innenraum wird fortan auf tierische Materialien verzichtet, sodass ein Lederimitat zum Einsatz kommt. Es fühlt sich etwas rauer an als die Glattleder-Variante von Generation eins. Weicher hingegen fassen sich die neu modellierten Türverkleidungen und der Armaturenträger an – hier wurden die Oberflächen nun weich unterschäumt, was sich sehr positiv auf Optik, Haptik und auch die Akustik des ID.3-Interieurs auswirkt. Zudem bedeckt eine weiche Oberfläche den unteren Bereich der Instrumententafel.
Und weil nun mehr Wert auf Details gelegt wurde, finden sich im Innenraum auch einige farblich abgesetzte CNC-Nähte an der Türverkleidung, dem Armaturenträger und den Sitzen. Eine Plakette unterhalb des Infotainments trägt dazu den Modellnamen „ID.3“.
Bock auf einen flotten „3er“? Mit seinen 204 PS bietet der ID.3 Pro ordentliche Fahrleistungen und das optionale Adaptivfahrwerk besitzt umfassende Allround-Talente
In Sachen Abmessungen und Kofferraumvolumen bleibt der ID.3 auch in Generation zwei unverändert: Mit 385 bis 1.267 Litern bietet er jedenfalls genug für die meisten alltäglichen Erledigungen. Größer ist das Infotainment, das ab sofort in Serie 12 Zoll misst. Die kleinere 10-Zoll-Variante fällt aus dem Programm. Aber nicht nur die Hardware wurde verbessert, sondern auch die Software. Das Update auf Version 3.5 beschert eine deutlich flottere Bedienung sowie schnellere Reaktionszeiten des HMI (Human Machine Interface). Die knopflose Bedienung bleibt, geht aber nun flüssiger von der Hand. Eine Sache sorgt allerdings nach wie vor in unserer Redaktion für Kopfschütteln: Der Touch-Slider des Infotainments ist auch nach dem Facelift unbeleuchtet. Zwar lässt sich die Lautstärke auch am Multi-Lenkrad verstellen, doch das nächtliche Suchen nach der Temperatur-Touchfläche bleibt.
In Serie verbaut wird ab sofort die bessere Mittelkonsole mit Rollo, induktiver Ladestation und USB-C-Anschlüssen. Sowieso bietet die obligatorische Funktion „App Connect“ das Medienstreaming per Smartphone, das sich via Android Auto, Apple CarPlay und MirrorLink einbetten lässt. Zum Serien-Infotainment-Paket gehören auch Navigation und die Services von We Connect Plus. Sie vernetzen den ID.3 mit dem Smartphone und der Verkehrsinfrastruktur. Sie sorgen etwa für Online-Verkehrsinformationen sowie -Kartenupdates und den Ladestationen-Service, der über Ladesäulen in der Umgebung informiert. Das Augmented-Head-up-Display zeigt zusätzlich zu den Informationen über Geschwindigkeit und diverse Fahrzeugfunktionen nun auch aktive und dynamische Navigationsanweisungen.
Unser Rendezvous und wir nähern uns langsam an. Auch zwei Jahre nach Erstkontakt stellt der Pro mit 58 kWh-Akku das Basismodell dar. Darüber rangiert der Pro S mit größerem 77-kWh-Akku, allerdings mit gleicher Leistung. Beiden aktuell erhältlichen Ausführungen gemein ist die permanent erregte Synchronmaschine im Heck, die den ID.3 weiterhin mit 204 PS und 310 Newtonmetern in Wallung bringt.
Ein beherzter Tritt aufs Fahrpedal katapultiert uns mit kräftigem Antritt und dank konstant übersetztem 1-Gang-Getriebe binnen 7,6 Sekunden auf Landstraßentempo. Hier scheint alles beim Alten – und das ist gut so. Entspannt lässt sich der ID.3 Pro allemal fahren, sei es in der Stadt, über Land oder auf der Autobahn. Bis zu 160 km/h sind drin, was bei dem heutigen Verkehr vollkommen ausreichend und der Effizienz halber auch besser ist. Gänzlich vibrationsarm und ohne Motorengeräusch cruisen wir dahin. Der Weg ist das Ziel, so lernen wir – der ID.3 und ich – uns auch besser kennen.
Und bemerken eine etwas von der Realität entkoppelte Lenkung, die aber zum spacigen Fahren passt. Das Abroll- und somit das gesamte Fahrverhalten lässt sich mit der Wahl der Räder ein bisschen beeinflussen. Mit den großen 20-Zöllern „Sanya“ sieht er nicht nur am besten aus, sondern fährt sich auch definitiv am sportlichsten. Sowieso ist der Pro das insgeheim sportlichere Modell der ID.3.-Reihe, weil der kleinere Akku gut 115 Kilo weniger wiegt. Ein oder zwei Nummern kleinere Räder würden den Komfort ein bisschen erhöhen. Oder Sie investieren in das „Exterieurpaket Plus“ für 3.315 Euro, das den VW unter anderem mit dem Adaptivfahrwerk DCC ausrüstet. Es dämpft feinfühliger als das Serienfahrwerk, geht noch routinierter mit Unebenheiten um und lässt sich nach eigenem Gusto verstellen – ein echter GF-Tipp! So langsam werden wir eins mit dem MEB-Stromer, der es eher sanft mag. Streichelt man das Fahrpedal und fährt im rekuperationslastigen B-Modus, so sind Verbräuche von unter 20 kWh auf 100 Kilometer kein Problem. Voll-Strom-Orgien ziehen jedoch auf gleicher Strecke mehr als 25 kWh aus dem Akku. Dann sinkt auch die Reichweite von bestenfalls 400 Kilometern auf unter 300. Nachdem wir uns verausgabt haben, heißt es wieder: Akkus aufladen! Wir mit Snack und Energydrink, unser neuer Freund mit Energie aus der Ladesäule.
Der Pro mit kleinerer Batterie saugt auch nach dem Facelift mit maximal 120 kW Strom, das Pro-S-Modell profitiert von einer auf 170 kW gestiegenen Ladeleistung. Doch kein Grund fremdzugehen: Weil der Akku kleiner ist, wird er auch fast genauso schnell wieder voll. Binnen 30 Minuten haben wir ihn von etwa zehn auf 80 Prozent geladen.
Weiter geht’s! Der ID.3 zeigt sich hilfsbereiter denn je, zieht er nach dem Produkt-Update auch bei den Assistenten mit neueren ID.-Modellen gleich. Dies liegt vor allem am neuen Softwarestand. So kann das Fahrerassistenzsystem „Travel Assist“ nun auch im ID.3 auf Schwarmdaten zurückgreifen. Zudem assistiert der Wolfsburger optional auch beim Spurwechsel, was wir im Test jedoch als überflüssig empfanden. Zu dir oder zu mir? Egal! Zuhause angekommen, kann derID.3 sogar zuvor erlernte Parkmanöver eigenständig reproduzieren. Per Touchbefehl startet er das automatisierte Einparken, während wir uns mental auf den Abend vorbereiten. Ja, der neue ID.3 darf gerne bei uns bleiben, auch über Nacht ...
Test kompakt
Um eine Antwort auf die Überschrift zu geben: Ja, der neue VW ID.3 Pro ist ein Traumtyp! Zumindest für alle, die sich mit knapp über 300 Kilometer Reichweite zufrieden geben können. Das Facelift ändert zwar nichts am Antrieb, am ohnehin souveränen Fahrgefühl oder an der Ladeleistung, dafür sieht er optisch reifer aus und der Innenraum präsentiert sich nun deutlich wertiger. Obendrein gefallen der neue Hard- und Softwarestand, der die Bedienung flüssiger macht, sowie einige neue Assistenzsysteme und die noch üppigere Serienkonnektivität
Technische Daten
Motor
Karosserie
Assistenten
Serie:
Optional (Auswahl):
Fahrwerk