Porsche 911 Carrera vs. VW T-Roc RHauptsache Spaß!

Joshua Hildebrand

 · 29.11.2023

Porsche 911 Carrera vs. VW T-Roc R: Hauptsache Spaß!Foto: Jan Bürgermeister
Jetzt wird‘s sportlich! Wir sagen: Fahrspaß muss nicht immer eine Frage des Geldes sein. Beweis: Unser Vergleich zwischen dem perfektionistischen Porsche 911 Carrera und dem frechen VW T-Roc R
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Foto: Jan Bürgermeister

er kennt sie nicht, diese Sprüche: „Gegensätze ziehen sich an“. Oder: „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Glauben Sie, was Sie wollen. In diesem Fall stimmt jedenfalls beides. Denn hier geht es um zwei ganz unterschiedliche Fahrzeugkonzepte, die beide eine gewisse Faszination und Anziehung ausüben. Im Klartext heißt das: Performance-Crossover gegen waschechten Sportwagen. Günstig versus teuer. Allrad gegen Heckantrieb. Vierzylinder Turbo in der Front kontra Sechszylinder-Turbo im Heck. Die Frage ist nicht, was besser ist, sondern wie viel Fahrspaß und Sportlichkeit man fürs Geld bekommt. Muss es der ikonische, aber teure Porsche 911 sein oder hat man mit dem etwas anders sportlichen, dazu aber günstigeren Newcomer T-Roc R sogar mehr Freude am Fahren? Gewiss ein Vergleich mit Augen­zwinkern, aber kein blöder …

Willkommen im 300er-Club

Bewertung

Fangen wir mal von vorne an. Jeder begeisterte Autofahrer wird in seiner Laufbahn mindestens einmal vor der Frage gestanden haben: „Welches Auto kaufe ich mir?“ Dass die Frage in Abhängigkeit zu den finan­ziellen Mitteln steht, dürfte logisch sein – sonst wäre die Antwort sicherlich schnell klar.

Dass der 911 eine ganz besondere Rolle spielt, müssen wir ebenfalls nicht erklären. Er verkörpert den perfekten Sportwagen mit Stil und Prestige, selbst als Basisversion mit 385 PS und 450 Nm. Deshalb urteilte der Kollege in Ausgabe 4/20 auch: „Mehr braucht es nicht zum wahren Sportwagen-Glück“.

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Mehr nicht? Das ist ja klasse! Doch Moment: 103.671 Euro Einstiegs­preis? Das ist wohl ein bisschen mehr als nichts. Für diese Summe gäbe es immerhin fast zweieinhalb VW T-Roc R (44.231 Euro). Und mit denen könnte man den 911 locker zuparken. Spaß beiseite, aber auch das Crossover-SUV hat jede Menge Fans und ist nicht ohne Grund so häufig im Straßenbild vertreten. Mal abgesehen vom trendigen Fahrzeugkonzept und dem hippen Look ist auch der R-Roc im 300er-Club unterwegs – wenn auch nur knapp. Dafür aber kommt er mit 400 Nm Drehmoment fast an den Porsche heran. Noch dazu bringt der VW seine Kraft im Bedarfsfall über alle vier Räder auf die Straße. So vergehen im T-Roc R 4,9 Sekunden auf Tempo 100 – wahrlich kein schlechter Wert. Trotzdem muss er den Porsche ziehen lassen. Nicht nur in Sachen Topspeed: 293 zu 250 km/h. Dazu beschleunigt letzter mit gemessenen vier Sekunden fast eine ganze Sekunde schneller, obwohl er mit 1.585 Kilo gar 90 Kilo mehr auf die Waage bringt. Letztlich wurde der Carrera gebaut, um zu gewinnen. Er ist von Grund auf als reinrassiger Sportwagen gebaut und kein hochgezüchtetes Alltagsmodell mit – salopp gesagt – ein paar sportiven Anbauteilen.

Aber egal: Auf eine Sekunde mehr oder weniger kommt es im Alltag selten an. Der T-Roc klotzt gefühlt fast genauso ran und sorgt für nicht weniger Fahrfreude – eben auf eine andere Art und Weise. Er baut höher auf, was vielen Autofahrern da draußen sehr wohl gelegen kommt. Denn man hat dank der höheren Sitzposition nicht nur mehr Überblick über das Geschehen, sondern auch deutlich mehr Platz. Ein richtig sportliches Auto braucht das nicht? Nun ja. Wer hat, der hat! Da muss der schnittige Porsche klein beigeben – im wahrsten Sinn des Wortes. Trotz der größeren Abmessungen von 4,52 Meter zu 4,23 Metern Länge und 1,85 Meter zu 1,82 Meter Breite für den Porsche bleibt im Innenraum weniger Platz für zwischenmenschliche Beziehungen. So hat der T-Roc mit Frontmotor seinen Kofferraum klassisch (nur) hinten und bietet 392 bis 1.237 Liter. Sorry, 911. Der trägt seinen Dreiliter-Sechszylinder-Motor im Heck und bietet deshalb Stauraum in der Front. Um genauer zu sein überschaubare 132 Liter. Sei es drum: Zusätzliches Gewicht mögen Porsche-Fahrer ohnehin nicht, haben wir mal gehört. Außerdem gäbe es ja zur Not auch noch die zwei „Sitze“ auf der Rückbank, die man eigentlich so gar nicht nennen sollte. Sie bieten umgelegt immerhin nochmal 260 Liter Stauraum. Platz für eine dritte oder gar vierte Person? Eher nicht. Da zeigt sich der T-Roc R deutlich offener: er hat insgesamt fünf Sitze und bietet genügend Freiraum für zumindest vier.

„Welch unsinniger Vergleich“, denken Sie sich immer noch? Nicht gleich so emotional werden … Wobei, doch: Lassen Sie es raus! Denn wer sich einen 300-PS-Wagen zulegt, ganz gleich ob ein SUV oder einen reinen Zweisitzer, der geht sehr wohl emotional an das Thema Auto heran. Gut, so! Dann dürften auch diese beiden Kandidaten bei Ihnen voll ins Schwarze treffen.

Kampf der Konzepte

Auch wenn der T-Roc R (nur) von einem Turbo-Vierzylinder (2.0 TSI) angetrieben wird, klingt er dank der optionalen Akrapovic-Titanauspuffanlage (3.704 Euro) nicht minder sportlich. Zumal man den Motor sehen und auch anfassen kann. Während der perfektionistische Porsche 911 Carrera eher ein Vertreter der gepflegten Sportlichkeit – auch klangtechnisch – ist, reißt der T-Roc R zuweilen schon die Hütte ab. Munter brabbelt er vor sich hin, klingt unter Vollast emotional und spratzt beim Schalten herzzerreißend. Er macht auf Anhieb jede Menge Spaß. Schmankerl: Beim Gaslupfen sorgt er mit rebellischen, gewollten Fehlzündungen für ein ziemliches Donnerwetter.

Und der Porsche-Fahrer? Der wird das wohl als jugendliches Halbstarken-Gehabe abtun und sich über den klassischen Klang seines stilvollen Sechsenders im Heck freuen. Sehen kann man den Sahnemotor allerdings auch bei geöffnetem „Heckkläppchen“ nicht. Bei Volllast und hohen Drehzahlen bis 7.300 Umdrehungen generiert er dank Sportabgasanlage (2.540 Euro) noch immer jenes süchtig machende Kreischen des im verborgenen arbeitenden Boxers, welches im Normal-Fahrprogramm jedoch kaum wahrnehmbar ist. Sagen wir mal so: Keiner verfehlt hier seinen Job: Beide schieben ordentlich voran und beide liefern den dazu passenden Soundtrack. Ein Vergnügen – hüben wie drüben. Punkt. Beide hinterlassen auch keine Frage­zeichen beim Fahren. Auch wenn der T-Roc für einen Porsche-Fahrer meistens ein Widerspruch zu sein scheint. Ein tiefergelegter Crossover?! Was das soll? Tatsächlich präsentiert sich der T-Roc R wie die eierlegende Wollmilchsau. Er ist alltagstauglich, modern und sogar sportlich. Sein Fahrstil: ähnlich agil wie beim Golf R, der einen deutlich tieferen Schwerpunkt hat. Das 7-Gang-DSG arbeitet flink, das adaptive DCC-Sportfahrwerk (1.018 Euro) legt den Roc 20 Millimeter tiefer und macht das R-Modell auf Knopfdruck (im „Race“-Modus) erst wirklich zum R. Die schön straffe Progressivlenkung tut dazu ihr übriges.

Wandlungsfähig sind beide

„Firlefanz! Ein Sportwagen ist ein Sportwagen. Jedoch nicht erst auf Knopfdruck“, werden nun viele gestandene Sportfahrer einwerfen. Mag sein, aber auch die achte Generation des Elfers lässt sich so weitreichend verstellen, dass er im Comfort-Modus ebenfalls langstreckentauglich ist.

Auch wenn das Ansprechverhalten des Turbo-Boxers grundsätzlich bissig und nahezu verzögerungsfrei ist sowie die Achtgang-Automatik namens PDK die Gänge blitzschnell einlegt, ist es sehr erstaunlich wie viel Komfort ein 911 tatsächlich bieten kann. Er kommt bei weitem nicht mehr so puristisch wie einst daher und bedient sich zahlreicher Verstellmöglichkeiten – etwa beim PASM. So lässt sich das Fahrverhalten mithilfe des bereits serienmäßigen Adaptivfahrwerks nach Vorliebe des Lenkers ein­stellen. Sportlich versierte werden die Grenzen des Zuffenhauseners auf öffentlichen Straßen kaum ausloten wollen. Erst auf der Rennstrecke entfaltet der 911 sein ganzes Potenzial. Und irgendwie gehört er ja auch dort hin. Ein niedrigerer Schwerpunkt als beim T-Roc R, keine Antriebseinflüsse an der Vorderachse, perfektere Gewichtsverteilung, standhaftere Bremsen. Der 911 spielt hier in einer ganz anderen Liga – zum Glück. Sonst wäre ja der Preis nicht gerechtfertigt. Auch beim Interieur lässt sich der höhere Invest rechtfer­tigen. Was nicht heißen soll, dass der VW billig aussieht. Nein. Aber der 992 packt seine Insassen perfekt(er) ein, die Materialauswahl ist eine Nummer hochwertiger, die Anzeigen und deren Bedienung noch etwas moderner. Es ist eben ein Porsche und das ist ein besonderes Gefühl, vielleicht auch von subjektiver Natur. So muss ein Sportwagen sein.

Einem T-Roc-Fahrer ist das hingegen relativ schnuppe – hat er doch ebenfalls alle Komfortfeatures, die man braucht. Zudem wird er sich immer wieder daran erfreu­en, zu sehen, wie sich ein Porsche-Fahrer aus seinem Gefährt herausschälen muss. Hat man ihn dann erst einmal von einer Sitzprobe im VW überzeugt, so ist das Feedback stets dasselbe: „Bequemer Einstieg, gute Sitze. Das Cockpit ist hübsch und gut verarbeitet, jedoch mit etwas zu viel Hart-Kunststoff“. Tauschen? Würde der Porsche-Fahrer wohl nicht. Denn wer einen Elfer fährt, tut dies meist aus voller Überzeugung und hat ganz neben­bei noch ein anderes Auto in der Garage.

Auch wenn sich mit einem 911 inzwischen vieles anstellen lässt, so kann er eben doch nicht alles. Möbel kaufen, einen Anhänger ziehen oder zu fünft über die Rennstrecke fahren – Fehlanzeige. Der T-Roc R kann das! Für weniger als die Hälfte des Preises eines Elfers. Wohl eher zweitrangig ist der Kraftstoffverbrauch: 9,8 (VW) zu 12,1 Liter Super Plus (Porsche). Grundsätzlich gilt: Wer Porsche fahren möchte, muss auch Porsche zahlen können. Und deswegen ist der T-Roc R auch so cool – weil bezahlbar und vielseitig einsetzbar.

Das versöhnliches Fazit: Beide Autos sind in ihrem (Preis-)Segment echte Überflieger, deren Besitzer sich absolut glücklich schätzen dürfen und viel Fahrspaß haben.