DER ID.7 TOURERSehnlichst erwartet

Martin Wittler

 · 14.10.2024

DER ID.7 TOURER: Sehnlichst erwartet
Mit dem ID.7 Tourer schickt Volkswagen seinen ersten Elektro-Kombi auf die Straße – und füllt damit endlich das Vakuum in dieser Kategorie. Bei einer Tour auf die dänische Insel Rømø haben wir seine Alltags-, Urlaubs- und Familientauglichkeit getestet.

Die Transformation hin zur E-Mobilität geriet in Deutschland zuletzt ins Stocken. Im ersten Halbjahr 2024 ging der Verkauf von Elektroautos um mehr als 16 Prozent zurück. Experten führten das vor allem auf das abrupte Aus des Umweltbonus Ende des vergangenen Jahres zurück. Zusätzlich tragen auch die typischen Vorurteile gegen Elektroautos, die sich nach wie vor halten, zur Zurückhaltung bei, etwa die angeblich dürftige Reichweite der E-Fahrzeuge oder die lückenhafte Lade-Infrastruktur. Die Frage ist jedoch eher: Warum steigen die E-Auto-Verkaufszahlen im Rest Europas und auch weltweit weiterhin an?

Möglicherweise, weil es an der landesspezifischen Auswahl fehlte. Denn wer sich für den Kauf eines Elektroautos interessierte, hatte lange Zeit vor allem die Wahl zwischen Limousinen und SUVs. Eine der beliebtesten Karosserieformen hierzulande fehlte: der Kombi. Nirgends sind die Modelle mit besonders großem Stauraum unter der Heckklappe so gefragt wie bei uns. Etwa ein Drittel der weltweit 1,4 Millionen verkauften Kombis entfiel zuletzt auf Deutschland. Elektrische Vertreter waren kaum darunter. Denn einzig MG, eine ehemals britische Sportwagenmarke, deren Markenrechte nach China gingen, bot ab März 2022 mit dem MG5 Electric schon früh ein Kombimodell an.

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Koffer, Rucksack, Kühlbox und sogar ein Surfbrett: Unser Gepäck für die Testfahrt nach Dänemark passte prima reinFoto: Jan van EndertKoffer, Rucksack, Kühlbox und sogar ein Surfbrett: Unser Gepäck für die Testfahrt nach Dänemark passte prima rein

Mittlerweile jedoch hat die deutsche Autoindustrie den Elektro-Kombi-Markt im Blick. Bei Volkswagen ruhen die Hoffnungen dabei auf dem VW ID.7 Tourer. Mit der neuen Karosserieform in der ID.7 Baureihe soll gelingen, was den Wolfsburger Konzern bisher vor große Herausforderungen stellte: die erfolgreiche Überführung des Produktportfolios ins elektrische Zeitalter.

Mit dem VW ID.3, dem ersten reinen E-Auto der Marke, tat sich Volkswagen von Beginn an schwer. Ein elektrisches Äquivalent zum VW Golf ist der Elektrokompaktwagen bis heute für die wenigsten. Anders sieht es beim ID.7 Tourer aus. Schon die Limousine ID.7 wurde bei ihrer Einführung im vergangenen Jahr als prädestinierter Nachfolger des VW Klassikers Passat gehandelt. Kein Wunder: Die neueste, neunte Passat Generation mit Verbrenner soll schließlich die Letzte ihrer Art sein. Seit dem Start vor 50 Jahren verkaufte sich der Passat mehr als 30 Millionen Mal.

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Über Tasten auf dem Lenkrad lässt sich sowohl der Tempomat einstellen als auch die Musiklautstärke variierenFoto: Jan van EndertÜber Tasten auf dem Lenkrad lässt sich sowohl der Tempomat einstellen als auch die Musiklautstärke variieren

Große Fußstapfen also für die Baureihe ID.7. Doch dem Wagen wurde eine Schonfrist eingeräumt: Anfangs wird er nämlich als Limousine angeboten, der Passat hingegen ist nur noch in der Ausführung Variant erhältlich, also als Kombi. Nun jedoch wächst die ID.7 Baureihe. Und mit dem neuen ID.7 Tourer, der im Februar 2024 vorgestellt wurde, werden Kombi-Liebhaber vor die Wahl gestellt: elektrisch und modern mit dem ID.7 Tourer oder klassisch mit dem mutmaßlich letzten Passat Variant?

Der VW Passat wurde über die Jahre wohl vor allem für seine flexible Nutzbarkeit geschätzt, war stets sowohl sicheres Familienauto als auch stilsicherer Business-Wagen für Dienstreisen – gerade als Kombi. Passagiere und sperrige Gegenstände passten gleichermaßen und gleichzeitig bequem ins Auto. Als GUTE FAHRT den neuen Tourer als Testwagen zur Verfügung gestellt bekam, war deshalb eine Frage die wichtigste: Hat der ID.7 Passat-Qualitäten?

Autor Martin Wittler startet die Energiezufuhr an einer dänischen LadesäuleFoto: Jan van EndertAutor Martin Wittler startet die Energiezufuhr an einer dänischen Ladesäule

Zum Praxistest ging es auf Urlaubstour, und zwar von Hamburg zur Insel Rømø (deutsch: Röm). Die Nordseeinsel liegt etwa drei Kilometer nördlich von Sylt und ist die südlichste der dänischen Wattenmeerinseln. Rund 260 Kilometer und dreieinhalb Stunden Autofahrt standen auf dem Programm. Neben dem Check in Sachen Stauvolumen und Komfort kam auf den Elektro-Kombi daher direkt ein weiterer Testfaktor zu: die Langstreckentauglichkeit – gerade für ein E-Auto, bei dem traditionell die Reichweite Gesprächsthema Nummer eins ist, ein wichtiger Gradmesser.

605 Kilometer sind mit dem ID.7 Tourer theoretisch mit einer Akkuladung drin. Bei unserem Testwagen werden daraus 535, was unter anderem auf die größeren 20-Zoll-Räder zurückzuführen ist. Das zumindest zeigt der Blick aufs Datenblatt. Danach wäre der Trip Hamburg–Rømø–Hamburg also ohne eine einzige Ladepause machbar. In der Praxis jedoch, bei der Reise auf der Autobahn und gelegentlichem Fahren mit mehr als 130 km/h, ist das nicht realistisch. Der Verbrauch lag während der Tour bei durchschnittlich 18,5 kWh, deutlich oberhalb der offiziell angegebenen 16,4 kWh je 100 Kilometer.

Rollen schick daher, wirken sich jedoch auf die Reichweite aus: die optionalen 20-Zoll-RäderFoto: Jan van EndertRollen schick daher, wirken sich jedoch auf die Reichweite aus: die optionalen 20-Zoll-Räder

BIS ZU 1.714 LITER RAUM FÜR LADUNG

Wobei das Aufladen kein Problem darstellt. Mit bis zu 175 kW kann das Testmodell an der Schnellladesäule Energie tanken. Das bedeutet, dass der 77-kWh-Akku dort in etwas weniger als einer halben Stunde wieder zu 80 Prozent vollgeladen ist, wenn es mal fix gehen soll. Und Stichwort vollladen: Tatsächlich dürfte der leicht gehobene Verbrauch auch auf die Gepäcksituation hinter den Vordersitzen zurückzuführen sein. Denn dort waren bei unserer Testfahrt diverse Koffer, Kühlboxen, Rucksäcke, Spielsachen und sogar ein Surfbrett gelagert – das volle Urlaubsprogramm eben. 605 Liter fasst der Kofferraum. Mit umgeklappter Sitzbank werden daraus bis zu 1.714 Liter.

Selbst das sperrige Surfbrett passt in den Kofferraum: Unter der Heckklappe ist bei umgeklappter Rücksitzbank Platz für bis zu 1.714 Liter Stauvolumen – also reichlich Raum für UrlaubsgepäckFoto: Jan van EndertSelbst das sperrige Surfbrett passt in den Kofferraum: Unter der Heckklappe ist bei umgeklappter Rücksitzbank Platz für bis zu 1.714 Liter Stauvolumen – also reichlich Raum für Urlaubsgepäck

Allerdings hält das Ladevolumen nicht ganz mit dem des neuen Passat Variant mit. Der Verbrenner-Konkurrent kann mehr transportieren: 690 bis 1.920 Liter passen in dessen Kofferraum. Unter den Elektro-Kombis fährt Volkswagen mit den Platzverhältnissen im ID.7 Tourer dennoch vorne mit. Sowohl beim Elektro-Kombi-Vorreiter MG5 (bis 1.367 l) als auch beim BMW i5 Touring (bis 1.700 l), der im Mai 2024 auf den Markt kam, passen weniger unter die Klappen. Beim Trip nach Dänemark bestätigte sich das: Im Kofferraum lässt sich wirklich einiges verstauen – selbst das lange und sperrige Surfbrett, das am Autostrand auf Rømø natürlich auch schnell wieder ausgeladen ist.

Überhaupt geht es im VW ID.7 Tourer erfreulich geräumig zu. Auf den Vordersitzen, die mit einer angenehmen Druckpunktmassage ausgestattet und auf Wunsch sogar klimatisiert sind, kann man es sich sehr bequem machen. Und auch auf der Rücksitzbank ist viel Komfort und viel Platz vorhanden – ideal also für längere Fahrten mit der Familie.

Auf Wunsch ist ein schickes Panoramaglasdach erhältlich, das sich über die Köpfe der Insassen zieht. Es ermöglicht freie Sicht in den Himmel und sorgt für ein luftig-lichtes Ambiente. Mit einem einfachen Wischen über einen Touchslider ist das Panoramaglas dimmbar, sodass die Sonne den Innenraum an heißen Tagen von oben nicht zu sehr aufheizt. Das System gibt es auch schon in der Limousine der ID.7 Baureihe. Überhaupt erinnert vieles an die Stufenheck-Variante: die charakteristischen Design-Merkmale außen etwa, aber auch das Bedienkonzept innen. Das Infotainment-System wurde vollständig von der Limousine übernommen.

Der 15-Zoll-Touchscreen ist die zentrale Bedieneinheit im ID.7 Tourer. Die Bedienung ist einfach und intuitiv – und bereits aus der Limousine bekanntFoto: Jan van EndertDer 15-Zoll-Touchscreen ist die zentrale Bedieneinheit im ID.7 Tourer. Die Bedienung ist einfach und intuitiv – und bereits aus der Limousine bekannt

Heißt: Alle wichtigen Funktionen lassen sich über einen zentralen Touchscreen über dem Armaturenbrett steuern. Der frei stehende Bildschirm misst 15 Zoll. Zudem ist der Sprachassistent IDA an Bord, der sich via Tastendruck auf dem Lenkrad oder per Sprachbefehl aktivieren lässt. Das System ist nun dazu in der Lage, Fragen zu beantworten, die über das Fahrzeug hinausgehen. Denn IDA arbeitet jetzt auch mit KI-Unterstützung durch ChatGPT.

VIELE SCHÖNE SACHEN SERIENMÄSSIG

Der Sprachassistent reagiert meist schnell und versteht Befehle problemlos. Mit kurzen Anweisungen lässt sich etwa die Temperatur im Innenraum verstellen, ohne dass der Blick von der Straße genommen werden muss. Das wird nochmals unterstützt durch das Head-up-Display, das via Augmented-Reality-Technologie Navigationspfeile scheinbar auf die Straße projiziert – und so zum Beispiel zeigt, welche Abbiegespur idealerweise angesteuert werden sollte.

Dabei werden auch die Hinweise von Apple CarPlay oder Android Auto integriert – eine weitere praktische Neuerung, die das Fahren erleichtert. All das gibt es beim ID.7 Tourer übrigens serienmäßig. In dieser Kategorie hat der Elektro-Kombi auch gegenüber dem Passat die Nase vorn. Denn Ausstattungsdetails wie etwa eine Drei-Zonen-Klimaautomatik, ein beheizbares Lenkrad oder den Sprachassistenten IDA gibt es beim ID.7 Tourer ohne Aufpreis.

ALS NACHFOLGER DES PASSAT PRÄDESTINIERT: DER ID.7 TOURER

Allerdings: Der ID.7 Tourer spielt preislich in einer anderen Liga als der Passat. Gibt es diesen in der Basisvariante bereits ab 40.395 Euro, kostet der ID.7 Tourer mindestens 51.225 Euro. Der Testwagen mit aufpreispflichtigen Ausstattungs-Highlights wie dem Panoramaglasdach, einer Wärmepumpe und 20-Zoll-Felgen ist nochmals deutlich teurer: 70.610 Euro. Zugegebenermaßen fallen Preisvergleiche schwer. Denn der ID.7 Tourer fährt bereits in der Basisvariante Pro mit 210 kW (286 PS) vor, ist also vom Start weg deutlich leistungsstärker als der Passat Variant, den es auch mit lediglich 90 kW (122 PS) Leistungsvermögen gibt. Nicht mal in der sportlichen R-Line als Plug-in-Hybrid (200 kW/272 PS) kommt der Passat an die Power des ID.7 Tourer Pro heran. Und der sattelt in der neuen GTX Variante mit Allradantrieb sogar leistungstechnisch noch mal deutlich drauf.

Ein Wagen für die nächste Reise? Die Reichweite des Testwagens beläuft sich laut Datenblatt auf 535 Kilometer mit einer AkkuladungFoto: Jan van EndertEin Wagen für die nächste Reise? Die Reichweite des Testwagens beläuft sich laut Datenblatt auf 535 Kilometer mit einer Akkuladung

Ist der ID.7 also ein würdiger Passat Nachfolger? In erster Linie werden darüber natürlich die Verkaufszahlen entscheiden. Wir aber können jetzt schon mal sagen, dass sich der ID.7 Tourer auf unserer Testfahrt in jedem Fall als überzeugendes Elektromodell und multifunktionaler Kombi bewiesen hat. Vielleicht ist er also das E-Auto, auf das die Kombi-Nation Deutschland gewartet hat. Aus Produktionssicht stellt sich die Frage, ob der ID.7 Tourer das Zeug zum Passat-Nachfolger hat, ohnehin nicht mehr. Hergestellt wird er im VW Werk in Emden. Dort, wo zuvor 47 Jahre lang der Passat gefertigt wurde.