VW Arteon - Ein Fall für Genießer

Joachim Fischer

 · 26.06.2023

VW Arteon - Ein Fall für Genießer
Den Volkswagen Arteon gibt es inzwischen nur noch in der extravaganten Gestalt des Shooting Brake. Als Basis-Benziner fungiert ein vierzylindriger Zweiliter-Turbo mit 190 PS sowie 320 Nm, Frontantrieb und 7-Gang-DSG. Reicht das für den großen Wagen? Der GUTE FAHRT-Test zeigt es.
Das Digital-Cockpit Pro mit verschiedenen Darstellungen ist im Elegance-Modell des Arteon Shooting Brake bereits Serie

Sie lieben das Außergewöhnliche, sind ein Fan von Automobilen, die aus der uniformen Masse optisch herausstechen? Dann sollten Sie sich diese Seiten genauer anschauen. Sie zeigen den Volkswagen Arteon Shooting Brake. Seit 2020 bereichert er hierzulande die Volkswagen-Modellpalette, seit Januar dieses Jahres ist er – zumindest in Deutschland – Alleinvertreter der Arteon-Modellreihe in der gehobenen Mittelklasse.

Was macht ihn so einzigartig? Ganz einfach: Es ist seine ungewöhnlich langgestreckte, dabei coupéhaft anmutende Linienführung mit Türen ohne Fensterrahmen, die elegant in ein Kombi-Heck mit kräftig schräggestellten D-Säulen mündet. Allenfalls ist diese Form noch vergleichbar mit dem Porsche Panamera Sport Turismo, dessen Glamour-Faktor – und Preis – natürlich noch deutlich höher angesiedelt ist.

Bewertung

Ein moderner GT

Mit seinen knapp 4,90 Metern Länge, 1,87 Metern Breite und nur 145 Zentimetern Höhe baut der Shooting Brake auf der konzerneigenen MQB- Plattform mit quer eingebauten Motoren auf. Im Fall unseres Testwagens steckt dort der Basis-Benziner 2.0 TSI mit 190 PS aus der topmodernen Baureihe EA888 Evo4 mit Miller-Brennzyklus, voll verstellbaren Nockenwellen und Ventilhub- Anpassung – quasi eine gedrosselte Version des aktuellen Golf GTI- Triebwerks. Der Turbo-Direkteinspritzer entwickelt zudem 320 Nm maximales Drehmoment im weiten Bereich von 1.500 bis 4.100/min. Die Kraftübertragung auf die Vorderräder übernimmt serienmäßig ein 7-Gang-DSG-Getriebe. Die Gretchen-Frage lautet: Ist das genug für diesen stattlichen Wagen?

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Ansprechende Fahrleistungen

Klären wir das doch gleich mal unter Extrem-Belastungen auf der GF-Messstrecke. Alle Systeme werden auf Sport eingeloggt, Klimaanlage aus – denn die raubt nur unnötig ein paar PS. Und los geht‘s. Der Turbo-Vierzylinder schiebt den Arteon SB munter aus den Startblöcken. Nach 7,9 Sekunden ist aus dem Stand Landstraßen-Tempo 100 erreicht, nach 18,4 Sekunden stehen 160 km/h an. Der Überholsprint von 80 auf 120 km/h ist in 4,9 Sekunden erledigt. Das passt. In der Spitze rennt der 2.0 TSI stramme 233 km/h, braucht dafür aber etwas Anlauf.

Das Triebwerk bleibt auch unter diesen Ausnahmebedingungen angenehm leise, nur bei höheren Drehzahlen ab etwa 4.500/min wird der Ton etwas rauer. Vibrationen und Fahrwerksgeräusche werden wirkungsvoll gedämpft. Der 7-Gang- Doppelkupplungs-Automat erledigt seine Arbeit im besten Wortsinn unauffällig und dazu blitzschnell. Keine Schaltrucke, keine Gedenksekunden, alles fließt. Die Auslegung der Schaltprogramme ist auf Stellung D spritsparend und deshalb früh hochschaltend determiniert, auf S wird die Gangstufe länger gehalten oder beim Anbremsen von Kurven automatisch früher heruntergeschaltet, um beim anschließenden Beschleunigen gleich wieder vollen Druck auf dem Kessel zu haben. So macht das Spaß.

Auf der Rückbank ist reichlich Platz für die Knie und auch für den Kopf – sogar trotz der leicht nach hinten abfallenden Dachlinie

Noch variabler dank DCC-Fahrwerk

Traktion bietet der Arteon SB trotz reinem Frontantrieb reichlich, wer noch einen draufsetzen will, ordert die optionale Elektronische Differenzialsperre XDS für 215 Euro. Eine lohnende Investition.

Das gilt auch für die formidable, adaptive Fahrwerksregelung DCC, die für 1.200 Euro extra angeboten wird. Sie ermöglicht per Fingertipp nicht nur verschiedene Setups, die über die Serien-Fahrprofile von Comfort bis Sport anzuwählen sind, sondern auch eine individuelle Zusammenstellung verschiedener Parameter. Eine feine Sache – besonders für all diejenigen, die sich am Arteon Shooting Brake größere Räder als die Serien-18-Zöller wünschen. Die Optik des großen Volkswagens gewinnt durch optionale 19 oder sogar 20 Zoll große Alus ungemein. DCC ist dann aber allein schon aus Komfort-Gründen mehr als nur empfehlenswert.

Ein Head-UP-Display mit kleiner, ausfahrbarer Scheibe ist für 565 Euro extra zu haben
Der Volkswagen Arteon Shooting Brake wirkt durch seine extrem gestreckte, coupéhafte Linienführung sehr flach, schnüffelt förmlich an der StraßeFoto: Tino PauliDer Volkswagen Arteon Shooting Brake wirkt durch seine extrem gestreckte, coupéhafte Linienführung sehr flach, schnüffelt förmlich an der Straße

Ein exzellent abgestimmtes Fahrwerk

Unser Testwagen verfügte über dieses Extra und konnte fahrwerkseitig uneingeschränkt glänzen. Auf der Landstraße präsentierte sich der Arteon trotz seiner fast fünf Meter Länge im Sport-Modus agil und dynamisch. Im Comfort-Modus bügelte er fast alle Fahrbahnunebenheiten elegant aus, ohne dabei zu weich oder gar schwammig zu wirken. Karosseriebewegungen in schnellen Kurven und beim Anbremsen halten sich in engen Grenzen. Das Fahrverhalten ist bis in den Grenzbereich hinein neutral. Erst wenn man es wirklich übertreibt, neigt er zum gutmütigen Untersteuern. Das kündigt sich in der fein rückmeldenden, zielgenau und direkt agierenden Serien-Progressivlenkung bereits frühzeitig an.

In der City präsentiert sich der große Wagen angemessen wendig und übersichtlich. Nur nach hinten ist die Sicht bauartbedingt etwas eingeschränkt. Doch dafür gibt es ja serienmäßig Parkwarner an Front und Heck sowie auf Wunsch eine Rückfahrkamera (410 Euro), Area View (870 Euro) oder gleich den Park-Lenk-Assistenten (325 Euro).

Auf der Autobahn ist der Shooting Brake dann vollends der Souverän. Er ignoriert alle Querfugen, Längsfräsungen und Spurrillen, rennt stur geradeaus. Das Anfedern gelingt exzellent und auch die akustische Entkopplung des Fahrwerks von der Karosserie ist ausgezeichnet. Hat man dann noch das Akustikpaket für 610 Euro (geräuschgedämmte und hinten abgedunkelte Seitenscheiben) an Bord, sind auch lange Reisen bei höheren Tempi in himmlischer Ruhe und absolut entspannt zu meistern. So darf man das bei stattlichen 2,84 Metern Radstand erwarten – Länge läuft! Stimmt!

Fürstliches Platzangebot

Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Tatsache: Im Innenraum des Arteon SB gibt es ein fürstliches Platzangebot für Passagiere und Gepäck. Vorne thront man auf dem optionalen ErgoComfort-Sitz mit 14-Wege- Einstellung und Memory-Funktion (1.060 Euro) wie in Abrahams Schoß, wird nicht eingeengt, genießt aber trotzdem guten Seitenhalt.

Der Touchscreen ist eingebaut, nicht aufs Armaturenbrett gesetzt – die Hand kann bei der Bedienung so auf dem großen Automatik-Wählhebel abgestützt werden. Restliche Taster erleichtern die Bedienung
Foto: Tino Pauli
Der VW Arteon Shooting Brake ist auch von hinten betrachtet eine auffällige Erscheinung – übrigens nicht nur in trendigem „Mondsteingrau“, das aufpreisfrei zu haben ist

Massig Platz und hoher Komfort

Auf den hinteren Plätzen wird man mit fürstlich viel Platz für Kopf und Knie verwöhnt – trotz des leicht nach hinten abfallenden Dachs. Und als Zugabe bietet der Kofferraum auch noch üppige 565 bis 1.632 Liter Stauvolumen bei umgelegten Rücksitzlehnen. Vier Passagiere und viel Reisegepäck? No problem!

Die Verarbeitung des Arteon Shooting Brake ist zudem erstklassig: Feine Materialien, perfekte Passungen, klares Design und eine gute Ergonomie dank verbliebener Taster für wichtige Funktionen überzeugen. Einzig der Touchscreen ist etwas tief angesiedelt, dafür aber mit am Automatik-Hebel aufgelegter Hand bedienbar. Die Türen fallen satt ins Schloss. Alles wirkt absolut gediegen und der gehobenen Mittelklasse würdig – so wie uns vorher das angenehme „Schwerer Wagen“-Fahrgefühl bereits signalisierte.

Und wie sieht es mit dem Verbrauch aus? Im flott gefahrenen Testschnitt benötigte der Basis-TSI-Arteon SB 8,4 Liter Super auf 100 Kilometer. Auf der Auto- bahn, bei 150 bis 160 Kilometer pro Stunde Reisegeschwindigkeit auf der Langstrecke, überraschte er uns mit nur gut 7 Litern Sprit-Konsum pro 100 Kilometer. Wer allerdings hauptsächlich Kurzstrecke in der Stadt fährt oder auf der linken Autobahnspur toben will, sollte mit gut 10 Litern rechnen.

Unser Testwagen war mit 18-Zoll-Alurädern „Sebring“ sowie saisonbedingt mit M&S-Reifen in 245/45 R18 bestückt
Foto: Tino Pauli

Viel Auto fürs Geld

50.540 Euro kostet ein Volkswagen Arteon Shooting Brake „Elegance“ mit dem 190-PS-Basis-Benziner. Dafür gibt‘s dank „Discover Media“-Navi, kabelloser Handy-Anbindung, ACC „Stop&Go“, Verkehrszeichenerkennung, vollelektrischer Heckklappe, „Keyless Access“ und LED- Licht viel Ausstattung fürs Geld. Zudem ist der große VW perfekt fürs Reisen ausgelegt und verwöhnt seine Insassen in jeder Form.

Passionierte Sportfahrer mit nervösem rechten Fuß sollten allerdings besser über den spritzigeren 2.0 TSI mit 280 PS und 4Motion-Allradantrieb nachdenken, der rund 9.000 Euro mehr kostet. Für absolute Vielfahrer bieten sich zudem gleich drei sparsame, saubere Diesel-Modelle ab 150 PS an.

Doch einerlei auf welchen Arteon Shooting Brake letztlich die Wahl fällt, in jedem Fall bekommt man einen extravagant designten Wagen, der zudem auch noch einen hohen Nutzwert aufweisen kann. Und das ist doch schon mal eine ganze Menge, oder?


gutefahrt/image_23a997ea291ec536f6daf2a59062d80eFoto: Tino Pauli

Test kompakt

Der VW Arteon Shooting Brake ist ein Wagen für automobile Genießer. Er liegt satt auf der Straße, ist geräumig, bequem und fein verarbeitet. Insbesondere auf der Langstrecke zeigt er seine ganze Souveränität. Mit dem 2.0 TSI und 190 PS ist er angemessen motorisiert. Wer allerdings auf der linken Autobahnspur mit den ganz Schnellen spielen möchte, sollte über den 280-PS-TSI mit 4Motion-Antrieb nachdenken.