Florian Neher
· 28.07.2023
Phoenix-Orange Premium Metallic – so der Name des spektakulären Lacks für immerhin 1.000 Euro Aufpreis, der den Kamiq allerdings zu einem echten Hingucker macht. Aufgetragen wird die leuchtende Farbe auf eine Karosserie von 4,24 m Länge, 1,79 m Breite und 1,55 m Höhe, womit der Kamiq die Konzern-Kleinwagenplattform voll ausreizt und sich auf die Grundfläche eines Golf 8 spannt.
Darüber hinaus ist er sogar noch einige Zentimeter höher, was sich beim Einsteigen sogleich positiv bemerkbar macht: Die Vordersitzflächen befinden sich in idealer Höhe, so dass man weder hinaufklettern noch in den Keller steigen muss. Vielmehr entert man den Kamiq aufrechten Hauptes, denn seine Innenhöhe ist üppig und die Türausschnitte fallen vorn wie hinten sehr großzügig aus. Die Kopffreiheit reicht vorn bis weit über 2,10 Meter Körpergröße, im Fond immer noch locker für Zweimeter-Menschen. Die Innenbreite ist für zwei Personen pro Sitzreihe mehr als ausreichend, mit einer dritten wird es hinten allerdings kuschelig.
Das Raumgefühl ist insgesamt sehr luftig, insbesondere wenn das stimmungsaufhellende Panorama-Glasdach für 1.090 Euro Aufpreis gebucht wurde. Auch die Übersichtlichkeit ist aufgrund der großen Scheiben und steilen Dachpfosten vergleichsweise gut, nur nach schräg hinten wird sie durch die breiten D-Säulen etwas beschnitten. Da sich die Fondkopfstützen versenken lassen, behindern sie die Sicht durch die Heckscheibe immerhin nicht zusätzlich. Die hinteren Kopfstützen reichen in der Höhe leider nur für Personen bis zu einer Größe von 1,80 m, vorn hingegen bis gut zwei Meter Körperlänge.
Wir haben Platz genommen und fühlen uns wie in Abrahams Schoß: Die Sitze sind angenehm straff gepolstert, höchst bequem und spenden festen Seitenhalt. Der Innenraum des Kamiq tritt auf positive Art schlicht auf, das geschäumte Armaturenbrett wirkt ebenso solide wie die in hartem Kunststoff gefertigten unteren Bereichen, die Mittelkonsole und Türinnenverkleidungen – da scheppert nix! Auch in Sachen Ergonomie lässt sich Skoda nicht lumpen: Die perfekte Sitzposition und passende Anordnung von Lenkrad, Pedalerie, Klimatisierung und Entertainment sorgen schnell für ein behagliches Zuhause-Gefühl – man möchte gar nicht mehr hinaus, in diese schlimme Welt da draußen ...
Doch wir müssen. Erster Gang, der 1,5-Liter-Benziner nimmt nach einem kleinen Turboloch seine Arbeit auf, entfaltet seine Leistung sehr gleichmäßig und dreht wie ein Saugmotor putzmunter bis über 6.000 Touren. Dass er im Teillastbetrieb nur auf zwei Zylindern läuft, ist für die Insassen nicht spürbar: kein Ruckeln, kein veränderter Motorsound – gut gemacht!
Eine der vielen Stärken des Kamiq ist sein hervorragend abgestimmtes Fahrwerk, das höchst komfortabel und dennoch nicht unsportlich ist
Auch insgesamt hält sich der 1.500er akustisch im Hintergrund, wenn man ihn nicht gerade voll ausquetscht, was er mit leicht kehliger Stimme quittiert. Und ja: Der Testwagen trat mit Handschaltgetriebe an.
Mittlerweile eine echte Rarität, genau wie die mechanische Handbremse. Ein besonderes Vergnügen für das Messwesen, das sich bisweilen sorgt, das Zusammenspiel von Kupplung, Gas und Traktion im Sinne der bestmöglichen Beschleunigung zu verlernen. Doch es ist offenbar wie mit dem Radfahren: Mit leichtem Schupf an den Vorderrädern gelingen auf Anhieb die vom Werk versprochenen 8,2 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h.
Die Handschaltung gefällt dabei mit ihrer Leichtgängigkeit und den klar definierten Gassen, das Getriebe ist ohne große Drehzahlsprünge ideal gestuft, der sechste Gang für niedrige Dauerdrehzahlen lang ausgelegt. Beim Spritsparen hilft ferner eine Schaltpunktanzeige sowie das aufmerksam arbeitende Start-Stopp-System.
Auch die Bremsanlage macht einen guten Job, lässt sich feinfühlig dosieren und verzögert sehr wirksam. Ein Quell der Freude ist ferner die ultraexakte und direkt übersetzte Lenkung, die überdies eine gute Rückmeldung von der Fahrbahn gibt. Zudem verfügt sie über eine angenehme Zentrierung und stellt sich bei jeder Geschwindigkeit gleichmäßig zurück.
Damit fühlt sich der gar nicht so kleine Kamiq äußerst handlich an und lässt sich durchaus zügig über kurvige Landstraßen bewegen. Dass sich der hohe Aufbau dabei kräftig bewegt (was auch gut kontrollierbare Lastwechselreaktionen mit sich bringt), ist nicht weiter schlimm und der weichen Fahrwerksabstimmung geschuldet, die für einen wirklich exzellenten Federungskomfort sorgt und die Räder fein auf Unebenheiten ansprechen lässt.
Oder anders ausgedrückt: Je schlechter der Asphalt, desto brillanter setzt sich dieses langhubige, soft gefederte und in der Zugstufe satt gedämpfte Fahrwerk in Szene. Ein Fahrwerksingenieur würde sagen: So weich wie möglich und nur so hart wie unbedingt nötig. Die große Bodenfreiheit erlaubt überdies den einen oder anderen Abstecher ins Unbefestigte, wo man übrigens auch mit Frontantrieb relativ weit kommt.
Wenn es also, wie auf unseren Bildern, mit dem Hund ins Grüne geht, ist der Kamiq ein idealer Begleiter: Die Kofferraumklappe öffnet vollformatig, optional mit elektrischem Antrieb. Die Stehhöhe unter der Heckklappe beträgt knapp 1,90 m, erst dann drohen Kopfnüsse vom abstehenden Schloss. Die Öffnungshöhe der optionalen elektrischen Klappe kann übrigens jederzeit niedriger eingestellt werden. Der Vierbeiner hingegen muss nur knapp 70 cm überwinden, um es sich im günstig geschnittenen, immerhin 400 bis 1.395 Liter großen Kofferraum gemütlich zu machen. Beim Testwagen mit optionalem doppelten Ladeboden stört keine Stufe hinter der Ladekante, und im Fach darunter lässt sich allerhand Krimskrams oder auch die Gepäckraumabdeckung verstauen.
Die Rückbanklehne kann asymmetrisch geteilt nach vorn geklappt werden, wobei die Kopfstützen nicht entfernt werden müssen. Feine Sache: Optional kann die Beifahrersitzlehne nach vorn geklappt werden, wodurch auch sehr lange Gegenstände Platz finden.
Damit wären wir durch: Wir haben gemessen und sind gesessen, haben gebremst, geschaut und gehorcht, geklappt, gedrückt, gefummelt, getoucht – und konnten dennoch keine Schwachstelle(n) finden. Bleibt uns nur noch, den Hut zu ziehen vor diesem rundum gut gemachten Auto. Um es zur Perfektion zu bringen, braucht es nun noch die richtige Ausstattung. Bei allen Kamiq sind unter anderem Notbremsassistent samt Kollisionswarnung und Personenerkennung, Spurhalteassistent, Tempomat mit Speedlimiter, hintere Parksensoren, Klimaanlage, DAB-Radio und Freisprecheinrichtung an Bord. Im Falle eines Unfalls mit Airbagauslösung wird zudem automatisch ein Notruf abgesetzt (eCall+).
Da fehlt eigentlich nicht viel: Wichtig wäre anstelle des serienmäßigen Reifenpannensets ein vollwertiges Ersatzrad samt entsprechendem Werkzeug für 170 Euro, das Navigationssystem für 1.100 Euro (Ausstattungspaket Infotainment), Sitzheizung vorn (290 Euro), sowie das Paket Licht&Sicht Plus (800 Euro), das unter anderem Voll-LED-Scheinwerfer beinhaltet.
Und mit der schwenkbaren Anhängerkupplung für 940 Euro wird der Kamiq vollends zum Universaltalent, das mit ein paar Extras zu einem vertretbaren Preis von gut 30.000 Euro gleich mehrere Autos in sich vereint. Den Typ sollte man sich wirklich merken ...
Test kompakt
Wir haben es versucht, konnten ihm aber keine Schwächen nachweisen. Sehr geräumige Karosserie, tolles Fahrwerk, solide Bremsen, starker Motor – der Kamiq kann alles und versagt nirgends. Ein paar sinnvolle Extras dazu, und man hat ein Auto, das immer passt. Ein echter Geheimtipp!