Florian Neher
· 30.05.2023
In frischem Graphite-Grau Metallic rollt DA-X 8509 auf den Redaktionsparkplatz. Ein wohlgeformter Kompaktwagen, der bei vergleichbarer Breite einige Zentimeter länger und höher ausfällt als ein Golf und damit den Kompaktklassenrahmen fast schon sprengt. Kaum zu glauben, dass er auf einer kleineren Basis aufbaut, nämlich der Polo- Plattform, die Skoda in alle Richtungen großzügig gedehnt hat. Gerade in Grau ist der Scala ein rollendes Understatement, unprätentiös, statusneutral, unauffällig im positiven Sinne. Ideal, wenn man einfach nur bequem von A nach B fahren und dabei nicht ständig begafft werden möchte wie in einem quietschbunten Sportwagen oder chrombehangenen Luxus-SUV. Und das komfortable Reisen, das beherrscht er wirklich, der Scala. Denn das Platzangebot entspricht vorn etwa dem des Golf – was man als Kompliment verstehen darf. Selbst zwei Meter große Zeitgenossen kommen auf den Vordersitzen nicht mit dem Dachhimmel in Berührung und auch die Ellenbogenfreiheit ist weit mehr als ausreichend. Im Fond ist die Kopffreiheit des Scala immer noch für Menschen bis zirka 1,90 Meter ausreichend, die Beinfreiheit jedoch geradezu üppig. Man wähnt sich fast in einer Chauffeurs-Limousine – ein Verdienst des im Vergleich zum Golf längeren Radstands.
Und dann ist da noch der Kofferraum: Skoda gibt stattliche 467 bis 1.410 Liter (bei umgelegten Rücksitzlehnen und dachhoher Beladung) an, die sich dank der serienmäßig im Verhältnis 60:40 geteilt umklapp-baren Lehne und den teils serienmäßigen Gepäcknetzen gut und sicher unterbringen lassen. Mit der gegen 100 Euro Aufpreis nach vorn klappbaren Beifahrersitzlehne kann man sogar die im Baumarkt aus einer Laune heraus erstandenen Dachlatten heimtransportieren, sofern sie nicht länger als 2,40 Meter sind.
Diese Option gilt allerdings nur für die Basissitze und nicht für die zum Dynamic-Paket zählenden Sportsessel des Testwagens. Letztere sind sehr gut konturiert und angenehm straff, spenden viel Seitenhalt und Bequemlichkeit. Allerdings sollten ihre integrierten, festen Kopfstützen etwas breiter ausfallen. Die Sitzposition an sich ist optimal und die Rundumsicht gut, wenn auch nach schräg hinten durch breite D-Säulen etwas verbaut. Alle Bedienelemente liegen in Griffweite – und das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn in diesem Scala gibt es tatsächlich noch etwas zu „begreifen“: neben der manuellen Sechsgangschaltung etwa einen klassischen Handbremshebel, der leider immer mehr aus der Mode gerät. Auch zur Temperatureinstellung der bei Style serienmäßigen Klimaautomatik darf man noch an echten Drehreglern nesteln. Um Luftverteilung und Aircondition zu managen, ist allerdings ein Abtauchen ins Menü erforderlich, was Blick und Konzentration tief nach unten und weg von der Straße lenkt – nicht optimal. Am griffig geformten Sportlenkrad (Dynamic-Paket, 550 Euro) hingegen warten wieder klar bedienbare Tasten und Röllchen auf neugierige Fingerchen.
Aber klar, dem Digitalzeitalter kann und will sich Skoda nicht verschließen, daher prangt in Armaturenbrettmitte der 9,2 Zoll große Touchscreen des Infotainmentsystems mit Navigation „Amundsen“ und vor dem Fahrer das „Digital Cockpit Plus“ in 10,2 Zoll Breite – beides Teile des Business-Pakets (1.980 Euro). Die Menüführung des ist logisch und schnell erlernt, das Touchen und Wischen funktioniert in aller Regel problemlos.
Die Verarbeitungsqualität ist Skodatypisch auf hohem Niveau, alles ist sauber eingepasst – da scheppert nix! Dass an der unteren Hälfte des Armaturenbretts sowie den Türverkleidungen viel Hartplastik zu sehen ist, schadet nicht, denn es wirkt robust und langlebig. Viel wichtiger: Wie fährt der handgeschaltete Skoda Scala 1.0 TSI eigentlich? Nun, wir können es nicht anders sagen: sehr gut! Denn alles geht leicht von der Hand, sei es die höchst präzise Lenkung, die treffsichere Schaltung oder die schon auf den kleinen Zeh bissig ansprechende Bremse. Und da der Testwagen überraschenderweise nicht mit dem optionalen Sportfahrwerk samt 15 Millimeter Tieferlegung und zweistufig einstellbarer Dämpfung (540 Euro) antrat, kamen wir in den Genuss des stinknormalen Standardfahrwerks.
Styling-Gag: Die verlängerte Heckscheibe ist Bestandteil diverser Pakete zu Aufpreisen ab 360 Euro
Und das macht seine Sache prima, denn es ist: weich! Es beweist einmal mehr die alte Fahrwerksentwickler- Weisheit „Komfort ist Grip“. Je schlechter der Asphalt, desto besser setzt sich das langhubige, schluck-freudige Setup in Szene, da es immer alle Räder fest auf dem Boden hält und nie ins Stuckern gerät, was ja einen Haftungsabriss bedeutet. Dass sich die Karosserie des Scala bei flotter Kurvenhatz stärker bewegt als die eines hart abgestimmten Autos, ist ein eher subjektives Kriterium – wirklich von Nachteil ist das eigentlich nur im Slalom. Und so bereitet die katzenhaft-geschmeidige, keinesfalls aber unterdämpfte Fahrwerksabstimmung des Scala auf der Landstraße viel Freude, da man auch das Heck zum leichten Mitlenken anregen kann. Abgesichert wird der Grenzbereich in jedem Fall von der nicht deaktivierbaren Stabilitätskontrolle. Und der Motor? Nur ein Liter Hubraum und drei Zylinder für ein immerhin 4,40 Meter langes Auto? Kein Problem: Im Leerlauf nicht ganz frei von Vibrationen, legt sich der kleine Racker dank schnell ansprechendem Turbolader ab 2.000 Touren voll ins Zeug und beschleunigt gleichmäßig munter bis 6.000 Umdrehungen durch. Dabei klingt er Dreizylinder-typisch leicht knurrig bis sportlich. Dass er die Werksangabe für den Sprint auf Landstraßentempo um vier Zehntel verfehlte, dürfte auf das Konto der Winterreifen gehen. Dass ferner die gemessenen Durchzugswerte auf dem Papier nicht sonderlich berauschend aussehen, ist der langen Gesamtübersetzung geschuldet und spiegelt nicht den Alltag wider, durch den sich der Scala 1.0 TSI stets durchzugsstark zumeist in einem hohen Gang wurschtelt. Und nach etwas Anlauf erreicht er über 200 km/h – nicht so übel für einen Einliter-Motor.
Ein paar Worte noch zu den Extras, basierend auf der Testwagenausstattung Style: Skoda verfolgt diesbezüglich eine Paket-Politik, Optionen werden also mehr oder weniger sinnvoll zusammengeschnürt, auch wenn man manche davon nicht benötigt. Glücklicherweise sind aber einige Optionen einzeln bestellbar, wie etwa die empfehlenswerte umklappbare Beifahrersitzlehne, die dem Scala Style für nur 100 Euro fast den Nutzwert eines großen Kombis verleiht. Oder das beheizbare Lenkrad – im Winter eine Wohltat, die den moderaten Aufpreis (140 Euro) schnell vergessen macht. Gönnen würden wir uns zudem das 15-Zoll-Stahlreserverrad (150 Euro), mit dem man nach einer Reifenpanne tatsächlich weiterkommt – Sie wissen ja, wenn man mal einen Platten hat, dann in tiefster Nacht und bei Regen in einer völlig ausgestorbenen Gegend. Ferner erachten wir das Reise-Paket für 890 Euro für sinnvoll – es enthält den Adaptivtempomaten ACC, proaktiven Insassenschutz inklusive Seitenairbags für den Fond, Fahrerknieairbag und Müdigkeitserkennung. Auch das Business-Paket (1.980 Euro) hat seine Daseinsberechtigung, enthält es unter anderem doch Navigationssystem, virtuelles Cockpit, Verkehrszeichenerkennung, Sprachsteuerung und induktives Laden des Smartphones.
Das Licht&Sicht-Paket (1.540 Euro) ist alleine schon wegen der adaptiven LED-Scheinwerfer eine Empfehlung, inkludiert sind hier beispielsweise aber auch Rückfahrkamera, vordere Parksensoren, automatisch abblendender Innenspiegel sowie Regensensor. Derart ausstaffiert kostet der handgeschaltete Scala 1.0 TSI Style dann freilich schon knapp 32.000 Euro. Viel Geld – aber nicht zu viel für einen Alleskönner mit Erstwagencharakter, der praktisch keine Schwächen offenbart.
Test kompakt:
Ausgewachsenes Auto mit kleinem Motor – die Kombination gelingt im Falle des Skoda Scala 1.0 TSI mit 6-Gang-Handschaltung ausgesprochen gut, da der Turbo-Dreizylinder genügend Drehmoment aufbietet. Zusammen mit dem üppigen Raumangebot und dem exzellenten Fahrkomfort ist dieser Scala ein vollwertiger Erstwagen ohne Abstriche.