Martin Wittler
· 30.10.2024
Über Geld, so lautet ein bekanntes deutsches Sprichwort, spricht man nicht. Doch natürlich gibt es Ausnahmen von dieser Maxime. Und wenn man über den neuen Škoda Kodiaq redet, dann muss man über Geld sprechen. Der Testwagen nämlich, mit dem GUTE FAHRT unterwegs war, kostet 65.330 Euro. Für diese stolze Summe hat der Wagen allerdings diverse schicke und komfortable Accessoires an Bord: etwa ein Panorama-Schiebedach, Leder-Sitzbezüge im Farbton Suite Cognac oder auch belüftete Vordersitze mit Massagefunktion. Raffinessen, die man bei einem Auto der VW Budgetmarke Škoda nicht unbedingt erwartet. Das ist wohl der Grund, warum Škoda auch den Budgetbereich so deutlich hinter sich lässt.
Derart ausgestattet, spielt der neue Kodiaq in der gehobenen Mittelklasse mit und konkurriert preislich mit Fahrzeugen wie einem Mercedes-Benz GLC oder einem BMW X3, die beide mit rund 4,76 Metern auch genauso lang sind. Klar: Der Kodiaq ist auch ohne den hübschen und komfortablen Schnickschnack und mit dem weniger PS-starken Motor erhältlich, die Preise starten ab 41.990 Euro.
Aber auch damit ist die bisherige Škoda-Strategie, stets ein günstigeres Schwestermodell eines VW Fahrzeugs auf den Markt zu bringen, beendet. Denn den neuen VW Tiguan, das Pendant von Volkswagen, gibt es bei ähnlicher Ausstattung und gleicher Motorisierung für einige Hundert Euro weniger zu kaufen.
Immerhin: Für den Allrad-Diesel mit 142 kW (193 PS) mit der Basisausstattung geht die ehemalige Strategie noch auf. Denn für diese Variante sind 49.700 Euro fällig – zumindest 90 Euro weniger als für das entsprechende Modell des VW Tiguan. Beim getesteten Modell war jedoch eine Sonderausstattung im Wert von mehr als 15.000 Euro an Bord. Das macht den Wagen zu einem Auto, das schon allein durch sein Preisschild auffällt.
Lange Extralisten ist man von vielen Autoherstellern inzwischen gewohnt. Dass auch Škoda diesen Weg geht – geschenkt. Es sind jedoch vor allem die aufpreispflichtigen Ausstattungsextras, die das Auto nicht nur auf ein neues Preis-, sondern auch auf ein neues Komfortniveau heben. Sei es das Infotainment-Plus-Paket (1.430 Euro Aufpreis), das einen gut bedienbaren und übersichtlichen 13-Zoll-Touchscreen, ein Navigationssystem und ein Head-up-Display beinhaltet. Oder auch das Fahrassistenzsystem-Paket Plus mit Parkassistent, einer 360-Grad-Kamera-Rundumsicht, adaptivem Tempomaten und weiteren nützlichen Helfern im Alltag für weitere 1.450 Euro. Alles, was man von einem Premium-Fahrzeug erwartet.
Und so mutet der neue Kodiaq regelrecht luxuriös an. Das beginnt schon bei der Lackierung. Der Testwagen ist im Farbton Gold-Bronze Metallic gehalten. Die Farbe mag nicht jedem gefallen – sie fällt jedoch auf jeden Fall auf. Und wie ließe sich der Premium-Anspruch optisch besser hervorheben als mit einer Goldlackierung? Die kostet natürlich ihren Aufpreis: 690 Euro. Der allerdings ist für acht der insgesamt neun Lackierungen fällig, denn nur die Kolorierung Energy-Blau ist aufpreisfrei.
Innen wirkt der Wagen ebenfalls wertig. Die Materialien, teils Leder, teils Kunstleder, fühlen sich allesamt erstklassig an. Auch das dominierende Hellbraun im Innenraum unseres Testwagens (der Farbton heißt Suite Cognac) unterstreicht das Edelambiente und könnte genauso das Interieur der VW Luxusmarke Bentley zieren. Das schicke Lederlenkrad (310 Euro Aufpreis) liegt toll in der Hand. Über die Multifunktionstasten und Schaltwippen am Volant lassen sich verschiedene Dinge einstellen, etwa die Anzeige im Digitalcockpit, die Musiklautstärke oder auch die Heizfunktion.
Ganz neu entwickelt wurden die drei Drehregler unterhalb des zentralen Infotainment-Bildschirms: Škoda nennt sie Smart Dials. Smart sollen sie sein, weil sich mit ihnen mehrere Funktionen steuern lassen. Mittels der beiden äußeren Regler werden die Temperatur im Innenraum sowie die Sitzheizung und -belüftung eingestellt. Und über den mittleren Regler können gleich vier Funktionen bedient werden, die sich durch Antippen auswählen lassen: etwa die Lautstärke, die Klimaanlage, die Fahrmodi oder der Zoom des Navigationssystems. Es ist der Versuch von Škoda, moderne und klassische Bediengewohnheiten unter einen Hut zu bekommen.
INKLUSIVE: RAFFINESSEN, DIE MAN BEI EINEM ŠKODA NICHT UNBEDINGT ERWARTET
Allerdings ist es schon fraglich, ob man wirklich über den gleichen Regler die Stärke der Klimatisierung steuern möchte, mit dem man zum Beispiel auch zwischen den Fahrmodi „Sport“ und „Eco“ wechselt. Die Bedienung befindet sich unterhalb des Bildschirms, also nochmals weiter außerhalb des Sichtfelds beim Fahren. Ist auf dem mittleren Drehknopf noch die falsche Funktion ausgewählt, wird im Zweifelsfall also nicht das Gebläse stärker oder die Musik lauter, sondern der Wagen beschleunigt ungewollt. Das ist mindestens unglücklich und jedenfalls nicht ganz so „simply clever“, wie es der Claim des Herstellers eigentlich vorgibt. Immerhin: Da man die vier Funktionen für den smarten Drehregler aus sieben Optionen frei wählen kann, lässt sich auch einfach eine andere Funktion als die Fahrmodi-Auswahl hinterlegen, um dieses Problem zu umgehen.
Acht Jahre sind mittlerweile vergangen, seit der Kodiaq 2016 erstmals auf den Markt kam. Damals genau zur richtigen Zeit, inmitten des SUV-Booms. Und im genau richtigen Segment. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts: Vergangenes Jahr wurden vom Kodiaq in Deutschland mehr als 23.000 Exemplare neu zugelassen. Damit zählt das SUV hierzulande nach dem Octavia zu den beliebtesten Škoda Modellen.
Benannt hat Škoda seinen Verkaufsschlager damals übrigens nach dem Kodiakbären, dem größten lebenden Raubtier der Erde. Nun ist der Škoda Kodiaq beileibe nicht das größte Auto auf dem Planeten – auch nicht in zweiter Generation –, aber Größe ist bei ihm dennoch ein Thema. Denn wie schon beschrieben, handelt es sich bei dem Wagen um das Schwestermodell des VW Tiguan. Und verglichen mit diesem ist der Kodiaq deutlich länger: Er misst in zweiter Generation nun 4,76 Meter. Das sind sechs Zentimeter mehr als noch beim Škoda Vorgängermodell – und mittlerweile 22 Zentimeter mehr als beim neuen VW Tiguan.
All das hat natürlich Auswirkungen. Und zwar auf das Fahrerlebnis – denn der Kodiaq kommt durchaus gewaltig daher. In Parkhäusern und auf engen Straßen schlagen die Abstandswarner quasi dauerhaft Alarm. Bei großzügiger Bebauung oder auf Landstraßen lässt es sich mit dem SUV deutlich besser aushalten. Den von Škoda angegebenen Verbrauchswert von 6,3 Litern für den stärker motorisierten Diesel mit 142 kW (193 PS) konnten wir während der zig Testfahrten durch Hamburg und Umgebung über Landstraßen, durch die verstopfte Innenstadt und über die Autobahn sogar unterbieten. Das Digitalcockpit zeigte am Ende einen Durchschnittsverbrauch von etwa 5,6 Litern an.
Aber natürlich macht sich das Mehr an Größe auch beim Komfort bemerkbar. Sowohl vorn als auch im Fond des Autos sitzt es sich bequem, auch für groß gewachsene Menschen. Die hintere Rückbank lässt sich genau wie beim Vorgänger in Längsrichtung verschieben. Der Stauraum im Heck ist gewaltig: 910 Liter passen in den Kofferraum, bei umgeklappter Rücksitzbank werden daraus 2.105 Liter. Zum Vergleich: In den neuen Tiguan passen 652 beziehungsweise 1.650 Liter. Und der Škoda lässt sich auch bequemer beladen. Denn die Kofferraumklappe öffnet so hoch, dass man sich auch mit mehr als 1,90 Meter Körpergröße nicht den Kopf stößt. Weiterhin ist eine optionale dritte Sitzreihe verfügbar, dann wird aus dem Wagen ein Siebensitzer. Verbaut war sie im Testwagen nicht.
Zu hören ist jedoch, dass sich diese Sitzreihe ob des geringen Platzes nur für kurze Trips und für Kinder eignet. Geräumiger geworden ist nicht nur das Auto insgesamt, sondern ebenfalls die Mittelkonsole: Das liegt auch daran, dass der Gangwahlschalter nun an der Lenksäule zu finden ist. Für diejenigen, die zuletzt mit der ersten Generation des Kodiaq unterwegs waren, ist das sicherlich erst mal gewöhnungsbedürftig.
Vier Motoren stehen derzeit für den neuen Kodiaq zur Wahl: ein Mild-Hybrid mit 110 kW (150 PS, die Einstiegsmotorisierung für 41.900 Euro), zwei Diesel mit einem Leistungsvermögen von 110 kW (150 PS) oder 142 kW (193 PS, Allrad) sowie ein Plugin-Hybrid mit 150 kW (204 PS, ab 48.530 Euro) Systemleistung, der maximalen Motorpower im Kodiaq Portfolio. Der teilelektrische Antrieb ist neu und ermöglicht es, durchaus längere Strecken auch rein elektrisch zu fahren. Der Akku an Bord fasst 25,7 kWh. Theoretisch sind so bis zu 123 vollelektrische Kilometer drin. Geladen werden kann die Batterie mit 11 kW Wechselstrom, aber auch mit bis zu 50 kW Gleichstrom am Schnelllader.
Fazit: Der neue Škoda Kodiaq ist ein hochwertiges Fahrzeug, das bei entsprechender Konfiguration fast keine Wünsche offenlässt. Jedoch erfüllt der Wagen damit vor allem Wünsche, die kaum ein Kunde wohl von einem Škoda erwarten würde. Und das macht sich dann eben beim Preis bemerkbar.