Gute Fahrt
· 02.09.2025
Der Porsche Cayenne steht vor einem Quantensprung in seiner Entwicklungsgeschichte. Nach drei Generationen mit Verbrennungsmotoren wagt das SUV-Flaggschiff aus Zuffenhausen nun den Sprung in die vollelektrische Zukunft. Baureihenleiter Michael Schätzle und sein Team haben dabei keine halben Sachen gemacht. Statt den elektrischen Macan einfach zu strecken, haben sie die gemeinsam mit Audi entwickelte PPE-Plattform (Premium Platform Electric) grundlegend weiterentwickelt und auf ein neues technisches Level gehoben.
Im Zentrum der Entwicklung steht ein komplett neu konzipiertes Batteriesystem mit wassergekühlten Pouch-Zellen, die zwischen zwei Platten gepackt wurden. Mit einer Bruttokapazität von 113 kWh soll der elektrische Cayenne über 600 Kilometer Reichweite nach WLTP-Norm erreichen. Besonders beeindruckend sind die Ladewerte: Mit bis zu 400 kW Ladeleistung und einem stabilen Ladeplateauprofil sollen in nur zehn Minuten Strom für rund 300 Kilometer fließen. Der Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent soll in etwa 15 Minuten abgeschlossen sein – Werte, die selbst im Premium-Segment neue Maßstäbe setzen.
Für den Antrieb hat Porsche eine neue Leistungsklasse von ölgekühlten Elektromotoren entwickelt. Anders als bei bisherigen Porsche-Modellen wird die Zahl der Antriebsvarianten beim elektrischen Cayenne überschaubar bleiben. Laut Schätzle sind zunächst drei Ausbaustufen geplant, alle mit identischer Batteriegröße und stets mit zwei Motoren für den standesgemäßen Allradantrieb. Bereits das Basismodell soll deutlich über 400 PS leisten, die mittlere Variante – vergleichbar mit dem Macan S – wird sich zwischen 600 und 700 PS einpendeln.
Die absolute Krönung stellt der Turbo dar, der mit über 1000 PS aufwartet und damit selbst hartgesottene Sportwagenfans beeindrucken dürfte. Bei ersten Testfahrten mit dem noch getarnten Prototyp demonstrierte Baureihenleiter Schätzle die brachialen Fahrleistungen: Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt in deutlich drei Sekunden, die 200-km/h-Marke fällt in weniger als zehn Sekunden, und die Höchstgeschwindigkeit liegt weit jenseits von 250 km/h. Trotz der knapp drei Tonnen Fahrzeugmasse katapultieren die Elektromotoren den Cayenne mit einer Vehemenz nach vorne, die selbst bei Porsche neue Maßstäbe setzt.
Porsche bleibt auch beim elektrischen Cayenne seinem Anspruch treu, den "Sportwagen den SUVs" zu bauen. Dafür erhält der E4 eine Allradlenkung mit bis zu fünf Grad Einschlag an der Hinterachse sowie das aus Taycan und Panamera bekannte ADR-Fahrwerk (Active Damper Regulation) mit elektrischen Stellern an den Dämpfern. Diese Kombination soll dem großen SUV trotz seiner Abmessungen und seines Gewichts eine beeindruckende Agilität und Handlichkeit verleihen.
Bei Testfahrten im Hinterland von Barcelona zeigte der Prototyp bereits sein Potenzial. Selbst auf engen Winkelwegen fühlte sich der Cayenne vergleichsweise handlich an und vermittelte eine enge Verbindung zwischen Fahrer und Fahrbahn. Für eine optimierte Aerodynamik wurde die Karosserie flacher gestaltet, und das Turbo-Modell erhält neben einem obligatorischen Klappspoiler auch aktive Finnen, die den Luftstrom gezielt beeinflussen.
In Sachen Alltagstauglichkeit setzt der elektrische Cayenne ebenfalls neue Maßstäbe. Als erstes Elektrofahrzeug überhaupt kann er eine Anhängelast von bis zu 3,5 Tonnen ziehen – ein Wert, der bislang Verbrennern vorbehalten war. Mit einer Länge von über 4,93 Metern und einem Radstand von mehr als 2,90 Metern bietet er nicht nur mehr Platz für die Passagiere, sondern auch 99 Liter mehr Kofferraumvolumen als sein Vorgänger. Hinzu kommt ein beeindruckender Frunk (Front-Trunk) mit 90 Litern Volumen, der laut Schätzle sogar größer wirkt als der Kofferraum eines 911.
Für zusätzlichen Komfort sorgen elektrisch öffnende und schließende Türen – ein Feature, das man bisher vor allem von Luxusfahrzeugen wie Rolls-Royce oder dem BMW 7er kannte. Im Innenraum erwartet die Kunden eine digitale Landschaft, die laut Schätzle über das hinausgeht, was der Macan bereits bietet. Besonders die Mittelkonsole soll mit einem neuartigen Konzept überraschen, "wie man es so noch nicht gesehen hat".
Porsche steht mit seiner Elektrostrategie vor entscheidenden Herausforderungen. Nach dem anfänglichen Erfolg des Taycan, der mittlerweile an Strahlkraft verloren hat, und dem verzögerten Start des elektrischen Macan ruhen nun große Hoffnungen auf dem Cayenne E4. Er soll die Elektromobilität bei Porsche endlich in die Erfolgsspur bringen – getreu dem Motto "Aller guten Dinge sind drei".
Bei der Preisgestaltung will Porsche Käufern den Umstieg auf die Elektromobilität erleichtern. Baureihenleiter Schätzle stellt Preisparität zwischen Verbrenner- und Elektroversion in Aussicht: "Der Preis soll nicht den Ausschlag geben, ob sich jemand für oder gegen den elektrischen Cayenne entscheidet." Demnach dürfte das Einstiegsmodell bei rund 100.000 Euro starten – möglicherweise sogar knapp darunter, während der aktuelle Verbrenner-Cayenne bei 101.500 Euro beginnt. Für das Topmodell Turbo mit seinen über 1000 PS werden Preise um die 200.000 Euro erwartet. Wie beim Verbrenner-Cayenne wird es auch vom Elektromodell eine Coupé-Variante geben.
Interessanterweise setzt Porsche beim Cayenne – anders als beim Macan – auf ein paralleles Angebot beider Antriebskonzepte. Der Verbrenner-Cayenne (E3) wird nochmals überarbeitet und soll weit über 2026 hinaus parallel zum Elektromodell angeboten werden. Diese Strategie zeigt, dass Porsche trotz des Bekenntnisses zur Elektromobilität die Marktentwicklung realistisch einschätzt und Kunden weiterhin die Wahl lassen möchte.
Für nostalgisch veranlagte Kunden hat Porsche zudem einen Soundkomposer entwickelt, der wahlweise ein künstliches V8-Brabbeln oder elektronische Klangspielereien erzeugen kann. Damit soll Überläufern vom Verbrenner der Abschied erleichtert und gleichzeitig die "Generation PlayStation" angesprochen werden.
Die Weltpremiere des elektrischen Cayenne ist für November 2025 geplant, der Marktstart soll etwa ein halbes Jahr später im Frühjahr 2026 erfolgen. Ob der Cayenne E4 tatsächlich zum erhofften Zugpferd der Porsche-Elektrostrategie wird, bleibt abzuwarten. Denn trotz der beeindruckenden technischen Daten und der umfassenden Alltagstauglichkeit bleiben Herausforderungen wie die Restwertentwicklung von Elektrofahrzeugen und die noch immer verhaltene Begeisterung in der breiten Bevölkerung bestehen.
Technische Daten im Überblick