Gute Fahrt
· 17.09.2025
Die Entwicklung des Porsche Cayenne Electric markiert einen Wendepunkt in der Fahrzeugerprobung. „Dieses Projekt war das erste, bei dem wir direkt von der digitalen Gesamtfahrzeugerprobung in die Vorserienfertigung übergegangen sind", erklärt Dr. Michael Steiner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Vorstandes für Forschung und Entwicklung. Diese Herangehensweise hat die Entwicklungszeit des vollelektrischen SUV um rund 20 Prozent verkürzt und gleichzeitig den Ressourcenverbrauch deutlich reduziert. Etwa 120 aufwändig herzustellende Versuchsfahrzeuge konnten eingespart werden, indem die Ingenieure bereits in der Konstruktionsphase virtuelle Prototypen auf digitale Testrunden schickten.
Die digitale Transformation der Fahrzeugerprobung basiert auf drei wesentlichen Säulen: präzise digitalisierte Strecken vom Nürburgring bis zum Alltagsverkehr, jahrzehntelange Erfahrung der Weissacher Ingenieure aus der Realerprobung und die deutlich gestiegene Rechenleistung moderner Systeme für Simulationen in Echtzeit. Diese Kombination ermöglicht es, den Cayenne nicht nur virtuell darzustellen, sondern auch direkt virtuell zu erproben. In einer frühen Entwicklungsphase, in der Bauteile zunächst nur digital vorhanden und damit vergleichsweise leicht veränderbar sind, testeten die Experten mittels Virtual Reality (VR) die ersten Eindrücke der künftigen SUV-Generation.
Die Ergebnisse der digitalen Erprobung wurden später mit Prüfstandtests realer Komponenten verifiziert. Hierfür entwickelte Porsche einen völlig neuen Verbundprüfstand, auf dem sich Antrieb, Batterie, Energiemanagement sowie Ladesystem gemeinsam und realitätsnahen Bedingungen testen lassen. Die vier leistungsstarken Synchronmotoren des Prüfstands können so programmiert werden, dass sie unterschiedliche Fahrbahnbedingungen, Beschleunigungswiderstände sowie Kräfte beim Rekuperieren und Bremsen präzise simulieren. „Die Maschinen sind so hoch entwickelt, dass wir sogar verschiedene Asphaltoberflächen oder Reifenschlupf darstellen können", erläutert Ingenieur Marcus Junige.
Die Simulationen erreichen mittlerweile einen beeindruckenden Präzisionsgrad. Bei Tests auf dem Verbundprüfstand wird permanent ein Abgleich mit dem digitalen Zwilling durchgeführt. Als spektakuläres Beispiel nennt Porsche eine simulierte Runde auf der Nürburgring-Nordschleife am Limit. Alle simulierten Impulse werden in Echtzeit in den Verbundprüfstand eingespeist. Zu jedem Zeitpunkt der Nürburgring-Runde wird verglichen, welche Werte auf dem Verbundprüfstand gemessen werden und was für den digitalen Zwilling zuvor errechnet wurde. Dabei bestätigte sich, dass die Simulation inzwischen so akkurat ist, dass es kaum noch Abweichungen gibt, die nach den physischen Erprobungsergebnissen korrigiert werden müssen.
So präzise die Simulation auch ist: Die finale Abstimmung bleibt Menschen vorbehalten. „In der Realität kann nur der Mensch den letzten Feinschliff geben", betont Sascha Niesen, Teamleiter Erprobung Gesamtfahrzeug im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach. Besonders auf Rundstrecken zeige sich, wie wichtig die Erfahrung von Testfahrern ist, um Fahrdynamik und Regelstrategien perfekt auszutarieren. Der Cayenne Electric wird in allen denkbaren Nutzungsszenarien getestet – ob in der Stadt, auf der Autobahn oder im Gelände.
Ein besonderer Fokus liegt auf dem Lademanagement. „Egal wie der Cayenne vorher bewegt wurde, er muss immer für das Schnellladen konditioniert sein", erklärt Junige. Selbst Stausituationen werden vom Fahrzeug berücksichtigt, um die Antriebsenergie optimal einzusetzen. Für das Thermomanagement des Hochleistungsfahrzeugs ist die sogenannte maximale Stromfreigabe eine besondere Herausforderung: Um die Batterie allen Bedingungen optimal zu konditionieren, sind Heizung und Kühlung leistungsfähiger ausgelegt als bei jedem Elektro-Porsche zuvor.
Besonders anspruchsvoll gestalten sich die Tests klimatischen Extrembedingungen. In heißen Regionen wie den Golfstaaten oder im US-amerikanischen Death Valley mussten bei Temperaturen bis 50 Grad Celsius anderem die Klimatisierung und das Thermomanagement von Batterie und Antrieb anspruchsvolle Funktionsprüfungen bestehen. Im minus 35 Grad kalten Skandinavien standen Kaltstarts und Klimatisierung, Traktion, Handling und Bremsverhalten sowie Performance der Fahrdynamik-Regelsysteme auf dem Testkalender der Vorserienfahrzeuge.
Bei beiden Klimaextremen musste der Cayenne Electric problemlos schnell laden können – eine Anforderung, die laut Porsche kaum ein anderer Hersteller in diesem Umfang an seine Fahrzeuge stellt. Diese konsequente Ausrichtung auf Alltagstauglichkeit Extrembedingungen unterstreicht den Anspruch des Herstellers, auch beim ersten vollelektrischen Cayenne keine Kompromisse einzugehen.
Im Rahmen der Dauerläufe wird ein Fahrzeugleben so harten Bedingungen simuliert, wie sie in Kundenhand nur selten erfahren werden. Alltagsbedingungen absolvieren die Fahrzeuge im Schichtbetrieb innerhalb weniger Monate jeweils mehr als 150.000 Kilometer – im Stadtverkehr, auf Landstraßen und Autobahnen. Diese intensive Erprobung stellt sicher, dass der Cayenne Electric auch langfristig den hohen Qualitätsansprüchen der Marke gerecht wird.
Vom Crashlabor über Dauerläufe bis hin zu Erprobungen Extrembedingungen – überall bewährt sich das Zusammenspiel von digitaler Vorbereitung und realer Prüfung. Es macht den Entwicklungsprozess präziser und effizienter und hat die Entwicklungszeit des Cayenne Electric um rund ein Fünftel verkürzt. Gleichzeitig ist die hochmoderne virtuelle Erprobung durch weniger Materialaufwand ressourcenschonender.
Der neue vollelektrische Cayenne soll gegen Ende des Jahres 2025 vorgestellt werden und wird dann parallel zu den aktuellen Verbrenner- und Hybrid-Modellen angeboten. Er reiht sich damit in die Elektrifizierungsstrategie von Porsche ein, die dem Motto „Enter Electric!" steht. Mit dieser markenübergreifenden Kommunikationskampagne lädt die Volkswagen Group zum Kennenlernen der Elektromobilität ein.
Die Kombination aus virtueller und realer Erprobung zeigt eindrucksvoll, wie Porsche traditionelle Ingenieurskunst mit modernsten digitalen Methoden verbindet. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Entwicklungszeit zu verkürzen und gleichzeitig die Qualität zu steigern. Für den Kunden bedeutet dies ein durchentwickeltes Fahrzeug, das auch extremsten Bedingungen zuverlässig funktioniert und die typischen Porsche-Eigenschaften in vollem Umfang bietet – nur eben elektrisch.