Gute Fahrt
· 29.09.2025
Vor einem Vierteljahrhundert präsentierte Porsche auf dem Pariser Automobilsalon eine Studie, die die Sportwagenwelt nachhaltig prägen sollte. Der Carrera GT, zunächst als seriennahe Konzeptstudie vorgestellt, markierte einen Meilenstein in der Geschichte des Zuffenhausener Sportwagenherstellers. Die Besonderheit: Sein Herzstück, der V10-Motor, stammte direkt aus einem Rennwagen, der nie zum Einsatz kam – dem LMP 2000, einem für die Langstrecken-Weltmeisterschaft entwickelten Prototypen.
Die Geschichte des Carrera GT beginnt Ende der 1990er-Jahre, als Porsche ein ambitioniertes Motorsportprojekt dem Namen LMP 2000 startete. Ziel war es, an die bisherigen Erfolge in Le Mans anzuknüpfen. Für diesen Zweck entwickelten die Ingenieure einen hochmodernen V10-Motor – drehfreudig, standfest und kompromisslos auf Leistung getrimmt. Doch das Schicksal wollte es anders: 1999 entschied sich Porsche, die Ressourcen auf neue Serienmodelle zu konzentrieren, und das Rennprojekt wurde eingestellt.
Doch der V10-Motor war zu außergewöhnlich, um ihn einfach ins Museum zu stellen. Stattdessen erhielt er eine zweite Chance als Herzstück eines Supersportwagens mit Straßenzulassung. "Wir hatten einen Motor, der für das Extremste gebaut war – also gaben wir ihm eine neue Herausforderung: den Alltag", erklärt Roland Kussmaul, ehemaliger Testfahrer und Ingenieur bei Porsche. Der LMP 2000 war als Blick in die Zukunft gedacht, und mit dem Carrera GT wurden diese Vorstellungen schließlich auf die Straße gebracht.
Drei Jahre nach der Präsentation der Studie begann die Serienproduktion des Carrera GT. Kurz vor dem Produktionsstart pilotierte Walter Röhrl den offenen Supersportwagen vor den Augen der internationalen Medien im Regen vom Triumphbogen zum Louvre – eine symbolträchtige Fahrt, die die Verbindung zwischen der Pariser Premiere der Studie und dem nun fertigen Serienmodell unterstrich.
Der Carrera GT verkörpert wie kaum ein anderer Sportwagen seiner Zeit das Prinzip des konsequenten Leichtbaus. Seine Karosserie besteht vollständig aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK), ergänzt durch Magnesium- und Kevlar-Bauteile. Das Monocoque wurde komplett aus Carbon gefertigt – eine Technologie, die damals im Straßenfahrzeugbau noch selten zum Einsatz kam und dem Carrera GT eine außergewöhnliche Steifigkeit bei minimalem Gewicht verlieh.
Der V10-Motor wurde für die Serienversion auf 5,7 Liter Hubraum vergrößert und leistete beeindruckende 450 kW (612 PS). Mit einer Höchstdrehzahl von 8.900 U/min bot er ein für Straßenfahrzeuge außergewöhnliches Drehzahlband. Das maximale Drehmoment von 590 Nm erreichte der Motor bei 5.750 U/min – Werte, die die direkte Abstammung aus dem Motorsport unterstrichen. Gekoppelt war der Motor an ein manuelles Sechsgang-Getriebe mit einer innovativen Keramikkupplung, die trotz des enormen Drehmoments präzise Schaltvorgänge ermöglichte.
Die Fahrleistungen des nur 1.380 Kilogramm schweren Supersportwagens waren beeindruckend: In 3,9 Sekunden beschleunigte er von null auf 100 km/h, in 9,9 Sekunden erreichte er bereits 200 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 330 km/h – Werte, die auch heute noch Respekt einflößen. Der verstellbare Heckflügel, der Diffusor und das quer eingebaute Sechsganggetriebe wurden direkt aus dem Motorsport übernommen und unterstrichen den kompromisslosen Anspruch des Fahrzeugs.
Bei der Fahrwerkabstimmung setzte Porsche auf die Expertise von Walter Röhrl. "Der Carrera GT-Fahrer will gefordert, aber nicht überfordert sein", erklärte der zweifache Rallye-Weltmeister die Philosophie hinter der Abstimmung. Eine der größten Herausforderungen war es, den Supersportwagen so zu zähmen, dass er auch von Nicht-Rennfahrern sportlich bewegt werden konnte, ohne dabei seinen radikalen Charakter zu verlieren.
Zwischen Herbst 2003 und Mai 2006 entstanden in den Porsche-Werken Zuffenhausen und Leipzig insgesamt 1.270 Exemplare des Carrera GT in Handarbeit. Mit einem damaligen Neupreis von 452.690 Euro war er nicht nur technisch, sondern auch preislich in der absoluten Oberklasse der Supersportwagen angesiedelt. Jedes Exemplar wurde mit höchster Präzision gefertigt und verkörperte die Essenz dessen, was Porsche ausmacht: Leichtbau, Hochdrehzahl, Mittelmotorprinzip und die Idee, Rennsporttechnik auf die Straße zu bringen.
Tony Hatter, der verantwortliche Exterieur-Designer des Porsche Carrera GT, beschreibt das Fahrzeug als "ein Geschenk an alle, die wissen wollen, woher Porsche kommt – und wohin wir wollen. Wir haben Motorsport in seiner reinsten Form genommen – und ein Straßenauto daraus gemacht." Diese Philosophie spiegelt sich in jedem Detail des Fahrzeugs wider, von der aerodynamisch optimierten Karosserie bis zum puristischen Innenraum mit dem charakteristischen Schaltknauf aus Birkenholz.
Zum 25-jährigen Jubiläum der Erstpräsentation hat Porsche gemeinsam mit dem Pariser Designer Arthur Kar eine Capsule Collection entworfen, die das Erbe des Fahrzeugs feiert. "Seit seiner Markteinführung war der Carrera GT immer mein Lieblingsauto. Er ist nicht nur eine Maschine, sondern ein Sinnbild für Innovation, Design und pure Emotion", erklärt Kar seine Begeisterung für den Supersportwagen.
Auch Roland Kussmaul, der maßgeblich an der Entwicklung des Carrera GT beteiligt war, betont die besondere Philosophie des Fahrzeugs: "Der Carrera GT ist eine Essenz unserer Philosophie: Motorsport ernst nehmen, Herkunft verstehen – und beides in Bewegung übersetzen. Er steht für eine Haltung, nicht nur für eine Leistung." Diese Haltung macht den Carrera GT bis heute zu einem der begehrtesten Sammlerstücke den modernen Supersportwagen und zu einer Ikone, die auch 25 Jahre nach ihrer Vorstellung nichts von ihrer Faszination verloren hat.