60 JAHRE TARGA - Black vs White

60 JAHRE TARGA - Black vs WhiteFoto: Alex Dietrich
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Gegensätze ziehen sich an. So auch unsere beiden Protagonisten zum 60. Geburtstag des Targa-Konzepts. Ein seltener originaler 911 Turbo 3.3 Targa und ein modern individualisierter 911 Carrera 3.2 Targa treffen sich auf einen Kaffee.
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Foto: Alex Dietrich

Was für ein Kontrast. Der weiße 911 Carrera 3.2 Targa, Baujahr 1987, parkt direkt neben dem schwarzen 911 Turbo 3.3 Targa von 1988. Ihre Besitzer stehen zwischen ihren Autos, genießen eine Runde Espresso – Sorte „Treibstoff“ – und begutachten interessiert den Elfer des anderen. Genau dosierte Herztropfen in der Tasse. Nicht, um sich aufzuputschen. Sondern um mit der Gelassenheit passionierter Kaffeetrinker zu erkennen, dass Harmonie, Zeit, Qualität und Genuss entscheidende Faktoren im Leben von Mario Vogel und Harald Schloz sind. Dementsprechend ist ihre Fahrzeugwahl kein Zufall. Ihre Targa erzählen viel über ihre Lebenseinstellung. Die beiden Männer könnten nicht unterschiedlicher sein. Gleiches gilt für ihre Autos. Der eine original, der andere individualisiert. Schwarz und weiß. Doch es gibt immer diese eine Kernfrage, die die Targa-Community zusammenschweißt – die Frage nach Dach und Wind. Unsere beiden sind sich schnell einig: „Ab 120 pfeift es.“ Mit diesem gemeinsamen Nenner kann es beruhigt in die Details gehen.

911 Carrera 3.2 Targa – Motor: 6-Zylinder Boxer Hubraum: 3.125 ccm Leistung: 270 PS / 6.350 /min Drehmoment: 310 Nm / 5.270 /min Getriebe: 5-Gang G50 Leergewicht: 1.140 Kilogramm

Mario Vogel, 38, ist seit mehr als 20 Jahren bei Porsche – er hat dort seine Ausbildung als Kfz-Elektriker absolviert und ist mittlerweile im Qualitätsmanagement beschäftigt. Um Qualität geht es auch bei seinem Kaffee. Aus seinem Hobby ist die Edelrösterei „BlackBird Coffee“ entstanden, die er nebenberuflich mit seiner Partnerin betreibt. Aber nicht mit weniger Akribie. Zum Grad der Perfektion nur so viel: Ein KI-basierter Colorsorter entfernt nach der Röstung die unreifen und defekten Kaffeebohnen. Das schmälert den Ertrag, erhöht jedoch den Anspruch und verbessert die Qualität. Ähnlich wählerisch war er bei seiner Suche nach einem historischen Elfer. Ein weißes Auto wollte er nie und auch keinen Targa. Als er zum Besichtigungstermin um die Ecke bog, war es trotzdem sofort um ihn geschehen. Autos finden ihre Menschen. Nicht etwa umgekehrt. „Ich war sofort angefixt“, erinnert er sich an den Moment vor fünf Jahren. Der Zustand des Fahrzeugs (leicht bröckelndes Dach!) muss für seine Qualitätsseele wie ein dreifacher Espresso gewirkt haben. Die Abende der nächsten drei Winter waren gerettet!

Bewertung

Für Harald Schloz, 71, pensionierter Studienrat für Sport und Englisch, ist der Turbo Targa „die Krönung meiner kleinen Autosammlung“. Seit der Jahrtausendwende besitzt er den Elfer mit dem markanten Heckspoiler, den es ab Februar 1987 in der Karosserievariante Targa gab. „Ich habe acht Jahre nach genau diesem Modell gesucht, bis ich endlich in einer Autofachzeitschrift darauf stieß“, erinnert sich der Stuttgarter und nippt an seinem Kaffee. Noch am selben Abend saß Schloz im Zug ins Rheinland, um den Wagen zu besichtigen. Nachdem ein erster Check in einer Porsche-Werkstatt die eher beunruhigende Diagnose „Originalzustand mit einem gewissen Wartungsstau“ und eine sechsseitige Mängelliste ergab, war – ähnlich wie bei Vogel – der Ehrgeiz des Hobbytechnikers geweckt.

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Die meisten Umbauten am „Newtro“ machte Vogel selbst

An dieser Stelle trennen sich die Wege und Philosophien der beiden Porsche-Enthusiasten, sie interpretieren ihren Purismus jeweils auf die eigene Art. Der weiße Targa soll nach Vorstellungen von Mario Vogel dem Begriff „Newtro“ genügen. Der Begriff stammt aus Korea und setzt sich aus den Wörtern New und Retro zusammen. Die gelungene Verschmelzung von Alt und Neu soll zu weiter interpretiertem Genuss führen. Das bedeutet für den Targa von Mario Vogel: „ Außen zu 20 Prozent neu, innen zu 80 Prozent.“

» Die Fahrzeugwahl von Mario Vogel und Harald Schloz ist kein Zufall. Sie erzählt viel über ihre Lebenseinstellung «

Das meiste richtet der Fachmann selbst. Im Innenraum fallen natürlich die Recaro-Klappschalen-Sportsitze auf. Sie sind zwar neu, aber das Muster des geprägten Nappaleders ist eine Reminiszenz an die Vergangenheit. Genauso wie die alten RS-Schlaufen als Türöffner. Das Thema Sportlichkeit setzte er mit den Lochblechen in Rennsportoptik im Fußraum fort. Ein individuell einstellbares Gaspedal sorgt dafür, die Fußakrobatik fürs Zwischengas leichter zu gestalten. Der Schalthebel könnte auch direkt aus einem Cup-Elfer mit sequenziellem Getriebe sein. Ist er aber nicht. Denn hinter der Optik versteckt sich eine Short-Shifter-H-Schaltung. Ein Dreivierteljahr hat allein die Konzeption gedauert. Die Perfektion lässt sich leicht am Beispiel des Prototipo-Lenkrads aufzeigen: Das wurde im Nachhinein aufgepolstert und mit einer Indianapolis-Naht versehen.

» So schnell , wie die beiden die Faltdächer abnehmen, könnten sie sich bei,Wetten, dass ..?‘ bewerben «

Über die Pulverbeschichtung für Targa-Bügel und -Schriftzug brauchen wir gar nicht erst zu reden, natürlich ist auch das Dach neu bespannt. Der Umbau von Luftmenge auf Luftmasse soll für ein agileres Ansprechverhalten sorgen, das Lüfterrad bekommt eine champagnerfarbene Beschichtung. „Newtro“ will glänzen. Das macht er auch mit mehr Leistung. Statt der serienmäßigen 231 PS bringt es der Sechszylinder-Boxer auf 270 PS. Auch dank neuer Motronic und Abgasanlage.

Der Blick ins Heck des 3,3-Liter-Targa von Harald Schloz zeigt die andere Auslegung. Er ist stolz darauf, dass sein Auto von einem der berühmten Mezger-Motoren angetrieben wird, weshalb er auch alle Teile im Originalzustand belassen hat. Nur ganz am Anfang musste er an den US-Katalysator ran, das Relikt eines einjährigen Übersee-Ausflugs seines Targa. Mit der Zeit bröselte die Keramik, die Verstopfung drosselte die Kraft des Sechszylinder-Boxers mit serienmäßigen 300 PS, die über ein Viergang-Getriebe übertragen wird. Mit einem Stahl-Kat war das schnell behoben, obendrauf gab es einen leistungsgesteigerten Turbolader.

Der 911 Turbo 3.3 Targa wird nur 297-mal produziert

Insgesamt produziert Porsche in den Modelljahren 1987, 1988 und 1989 nur 297 Stück des Turbo 3.3 Targa. Ein extrem seltenes Schmuckstück für Harald Schloz. Die Faszination für Porsche ist schon seit Studienzeiten da, zeitweise hat er parallel vier besessen. Nicht immer alle in fahrbarem, aber in schraubbarem Zustand. Heute sind es der 911 Turbo Targa und ein 911 GT3 Clubsport. Der zog bei der 70-Jahr-Feier von Porsche sogar die Aufmerksamkeit von Hollywood-Star Patrick Dempsey auf sich. Seitdem sind die beiden WhatsApp-Buddys.

Auch wenn die Elfer von Mario Vogel und Harald Schloz vieles unterscheidet und ein paar Jahre Lebenserfahrung zwischen den beiden Männern liegen, sind sie ein hervorragendes Team. So schnell, wie sie jetzt vor der Abfahrt die Faltdächer herausnehmen, entsprechend zusammenlegen und im Kofferraum verschwinden lassen, könnten sie sich bei „Wetten, dass ..?“ bewerben. Allein diese Choreografie sorgt für Aufmerksamkeit (und es würde sogar dem vollautomatischen Ballett der Nachfolgegenerationen die Schau stehlen). Harald Schloz kann das Ritual noch toppen: „Wir haben den Targa früher mit in den Campingurlaub genommen. Dafür habe ich einen Dachträger anfertigen lassen, auf den Surfbrett und Kinderwagen passten. Bei unserer Ankunft ist immer der ganze Platz zusammengelaufen.“

911 Turbo 3.3 Targa –  Motor: 6-Zylinder Boxer Turbo Hubraum: 3.299 ccm Leistung: 300 PS / 5.500 /min Drehmoment: 430 Nm / 4.000 /min Getriebe: 4-Gang manuell Leergewicht: 1.335 Kilogramm

Überraschen, das liegt dem Targa in den Genen. Am Anfang der Targa-Historie stehen drastische Sicherheitsvorschriften, die Mitte der 60er-Jahre den offenen Elfer in den USA ausbremsen. Dann kommt den Porsche-Ingenieuren eine Idee. Sie suchen den Kompromiss und schaffen eine ganz neue Kategorie Sportwagen. Luftiger als ein Coupé, aber nicht ganz so offen wie ein Cabriolet. Ein dem Motorsport entlehnter Sicherheitsbügel, der die Fahrzeugmitte überspannt, und ein abnehmbares Dachmittelteil lösen das Problem und schaffen einen Klassiker. Die Idee, den neuen Elfer angesichts der Porsche-Erfolge beim sizilianischen Straßenklassiker „Targa Florio“ zu nennen, wird verworfen. Zu groß ist die Sorge, dass der Wagen am Ende bloß „Flori“ gerufen wird. Ein Verkaufsleiter stellt schließlich die entscheidende Frage: „Warum sagen wir eigentlich nicht einfach bloß Targa?“ Das klingt nicht nur gut, Targa hat auch eine passende Bedeutung. Es steht im Italienischen für Schutzschild. Porsche lässt sich die Bezeichnung umgehend patentieren.

Der perfekte Ort für eine Targa-Kaffeefahrt: Stuttgart

„Dass sich der Targa in einer Welt zwischen Coupé und Cabriolet bewegt, erhöht den Reiz ja noch. Die Silhouette des Elfers bleibt erhalten, aber ohne Dach bekommst du eine einmalige Geräuschkulisse hinzu. Vor allem hörst du dein eigenes Auto“, sagt Mario Vogel. Das deckt sich ziemlich mit der Perspektive von Harald Schloz: „Du hast in einem Targa einfach mehr Kontakt zur Außenwelt. Vor allem gibt dieses Auto dir viel Vertrauen und Sicherheit.“

Das Dach ist runter, Frühlingsgefühle innen und außen. Der perfekte Ort für eine abschließende beschleunigte Kaffeefahrt zu Ehren der 60-jährigen Targa-Historie: Stuttgart. In Formation fahren die beiden entlang des Kesselrands. Vom Killesberg runter reicht der Blick rüber bis zur Porsche-Arena. Mario Vogel, Harald Schloz und ihre beiden Targa haben sich gefunden. Stadtfahrten bedeuten Spaß haben und Maß halten zugleich. „Eigentlich ist das Auto total zahm“, schmunzelt Harald Schloz. „Bis etwa 3.500 Umdrehungen erreicht man kein besonders hohes Tempo. Das liegt am Turboloch. Bei höheren Drehzahlen aber, wenn der Turbo vollen Druck hat, wird er furchterregend schnell.“

» Der Begriff Targa erinnert an die Targa Florio und steht im Italienischen für Schutzschild «

Diese Sorge gibt es im Stadtverkehr nicht, stattdessen sorgt die reizvolle topografische Lage seiner Heimatstadt – mangels Servolenkung – für ein zusätzliches Oberarmtraining: „Ganz enge Kurven sind eine echte Herausforderung“, sagt Harald Schloz. Immerhin, die Espressotasse – die wievielte war das heute noch mal? – lässt sich am Ende der Panoramafahrt immer noch heben. Coffee to go, Targa to go. Der erhöhte Genussfaktor ist bewiesen. Kaffee ist ein anregender Wirkstoff, der Targa auch.