Porsche 718 Cayman GT4 RS – Biss ans Limit

Joshua Hildebrand

 · 11.03.2023

Porsche 718 Cayman GT4 RS – Biss ans LimitFoto: J. Bürgermeister
Wenn 500 PS eines Hochdrehzahl-Mittelmotors auf den kompakten Porsche 718 treffen, dann ziehen die Freudentränen waagrecht durchs Gesicht. Der Cayman GT4 RS ist die absolute Krönung der Baureihe – und vielleicht besser als der 911 GT3. Unvergessliche Fahrmomente.

Vernunft. Unvernunft. Sinn. Wahnsinn. Vollkommen. Vollkommen irre. Die Grenzen dazwischen sind mitunter äußerst schmal. Das wird einem erst wieder so richtig bewusst, wenn man sich nach einem heißen Ritt mit dem Cayman GT4 RS aus seinen Vollschalen fräst und der Rücken klatschnass geschwitzt ist. Richtig gelesen: GT4 RS. Als wir erfuhren, dass noch eine Steigerung des ohnehin sportlichen GT4 folgen soll, fielen wir aus allen Wolken … Tadaaa, da ist er nun. Faktisch hat Porsche hier eine echte Sensation rausgehauen. Wir gehen sogar so weit, zu sagen, dass der Porsche 718 Cayman GT4 RS die wildeste Neuerscheinung seit Langem ist – abgesehen vom 911 GT3 RS. Sowieso, und da können Sie sagen, was sie wollen, ist die 718-Baureihe schon sehr nah am perfekten Sportwagen. Weil der Elfer zum Gran Turismo mutierend ein bisschen Hüftgold angelegt hat, scheint der Cayman sich noch auf die gute, alte Zuffenhausener DNA des Sportwagenbaus zu besinnen. Kompakte Abmessungen, geringes Gewicht und jede Menge Purismus. Das RS-Modell setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Psssst … Auch für den 718 Spyder soll solch ein Topmodell folgen.

Hier schlägt das Herz vom 911 GT3

Bewertung

Herzstück des GT4 RS ist der bereits aus dem 911 GT3 bekannte, frei saugende Sechszylinder-Boxermotor, der im Übrigen ein anderer ist als in Cayman GTS 4.0 und Cayman GT4, da er hier zu teuer gekommen wäre. Jene basieren nämlich auf der gleichen Motorenfamilie wie die Turbomotoren der aktuellen Elfer-Modelle. Für den RS passt das aufwendige Renntriebwerk des GT3 hingegen besser, da es über einen starren Ventiltrieb verfügt und bis 9.000 Kurbelwellenumdrehungen giert! Somit steigt die Leistung im Vergleich zum normaleren Bruder um 80 auf 500 PS. Das maximale Drehmoment klettert von 430 auf 450 Newtonmeter. Zweifelsohne ist der GT4 bereits ein grandioser Top-Sportler, doch der GT4 RS wirkt hingegen wie die erneut filtrierte Essenz aus ihm. So soll er dem humaneren Modell auf der Nordschleife ganze 23 Sekunden abluchsen – echt heftig! Ihn im Alltag zu bewegen ist zwar möglich, das hat aber nur ganz wenig mit artgerechter Haltung zu tun.

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Foto: J. Bürgermeister

Sein volles Potenzial entfaltet der Mittelmotorsportler eigentlich auf der Rennstrecke. Doch auch auf engen Serpentinen-Straßen des Schwarzwaldes fühlt sich das wendige Flügelmonster heimisch. Kurven verschlingt der RS wie bei einer ausartenden Fressorgie, so perfekt arbeiten Antrieb, Lenkung und Fahrwerk zusammen. Anstelle von über Gummibuchsen geführten Fahrwerkslenkern binden Kugelgelenke das Fahrwerk besonders straff an die Karosserie an und sorgen für ein messerscharfes Fahrverhalten, das jeden Radius in seine Einzelteile zerlegt. Von Komfort kann hier kaum die Rede sein, doch ein zu hartes Fahrwerk wäre für die perfekte Rundenzeit eben auch nicht förderlich. Stöße werden nur so weit absorbiert, dass der mittelmotorige Cayman nicht aus der Ruhe kommt. Dabei wird weniger Rücksicht auf den Fahrer genommen – so weiß er immerhin, was gerade unter dem Schalensitz passiert. Auch, weil wir dank 5-Punkt-H-Gurten felsenfest mit dem Auto verbunden sind, das ist gut für das Popometer.

Tatsächlich böte der RS über eine Programmtaste einen weicheren Dämpfungsmodus, der es in Wirklichkeit aber kaum ist. So oder so hält der fein austarierte Hecktriebler erstaunlich viel Traktion parat. Dies gilt schon in Kombination mit „normalen“ Sportreifen, doch mit den Michelin-Semis Pilot Sport Cup 2 klebt der RS am Boden wie ein stoischer Klimaaktivist. Es gibt Parallelen: Der „letzten Generation“ könnte dieser Cayman nämlich auch angehören. Darüber möchten wir aber an dieser Stelle nicht reden … Eher, wie sich der RS fahren lässt: Selbst bei Deaktivierung aller Systeme über die separate Taste „ESC +TC off“ bringt ihn so schnell keiner aus der Fassung. Da man als Fahrer bestens mit den Geschehnissen vernetzt ist, kündigt sich ein leicht werdendes Heck zumeist mit zartem Übersteuern an.

Dann lässt sich dieses Präzisionswerkzeug fein über die messerscharf agierende Servolenkung wieder in Spur bringen, immer und immer wieder – was ein Spaß! Dabei fühlt sich die elektromechanische Progressivlenkung an, als wäre sie keine: straff, ordentlich fordernd, aber äußerst präzise und mitteilungsfreudig. Die Seitenführung, die er mit warmen Gummis aufbaut, ist derart irrwitzig, dass sein Grenzbereich endlos zu sein scheint. Wie eine Zitrone, die man zum x-ten Mal ausdrückt, aber immer noch Saft gibt. Das liegt auch am Torque Vectoring (PTV) und der mechanischen Quersperre. Die Abstimmung ist sensationell gut geworden, liebes Porsche-Team. Danke dafür! Und kommt unserer Meinung nicht einmal an jene des 911 GT3 heran – Konzept-bedingt muss man sagen. Scheint so, als hätte Porsche den perfekten Sportwagen gebaut, der wohl immer einzigartig bleiben wird.

Perfekt ablesbarer Drei-Uhren-Tacho mit jeder Menge Analog-Charakter – geil!
Foto: J. Bürgermeister

Ja, der RS ist der perfekte Sportwagen für alle, die lieber „Warum eigentlich nicht?“ als „Warum?“ fragen. Für alle, die Spaß ernst nehmen und die lieber in einem Sportsitz als in einem Ledersessel Platz nehmen. Für diesen GT-Käuferkreis dürfte der vergleichsweise faire Einstiegspreis von 144.194 Euro nicht das Problem sein. Ein GT3 würde immerhin fast einen Golf GTI mehr kosten – circa 36.000 Euro. Die Wartelisten sind jetzt schon lang. Klingt abstrus, treibt die Magie des GT4 RS aber auf die Spitze. Noch Fragen? Wer sich dem 500 PS starken Flat-Six hingibt, wird sicherlich keine Fragen mehr haben. Jeder der sechs Zylinder hat nämlich am Ende der variablen Resonanz-Sauganlage eine eigene Einzeldrosselklappe.

Die besondere Nähe zu den Einlassventilen verbessert hier nicht nur die Luftzufuhr und das Ansprechverhalten, sondern auch den Klang. Das via Schaltpaddels am Lenkrad gezupfte Sport-PDK mit kurzer Übersetzung unterstützt das fulminante Sprintvermögen des Mittelmotorsportwagens und beamt den enzianblauen Sportler in nur 3,4 Sekunden auf 100 Sachen. Damit ist er eine halbe Sekunde schneller als der „normale“ GT4. Erst im siebten Gang, bei schwindelerregenden 315 km/h Topspeed, ist das Ende des Tachos erreicht. Sicherheit vermittelt die Keramikbremsanlage, die brutalst verzögert und an diesem Auto wirklich Sinn macht! Und ja, der Doppelkuppler passt sehr wohl zum Über-Cayman. Handschaltung? Wäre vielleicht auch cool gewesen, gibt es für den RS aber nicht.

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Wer braucht schon ’nen Turbo?! Drei große Pluspunkte des Saugers sind seine lineare Leistungsentfaltung über das riesige Drehzahlband, sein brutal-direktes Ansprechverhalten und schließlich auch der Klang. Zwar braucht er typischerweise Drehzahl, bis er aus dem Quark kommt, dann aber schraubt sich die gelbe Drehzahlnadel des analogen Tachos unerbittlich in Richtung der Neun – das kommt der Charakteristik eines Motorrads gleich.

Der Zweck heiligt die Mitte

Wo Turbo-Aggregate nachlassen, fängt der Saugboxer-Spaß erst so richtig an. Wie in einer verkehrten Welt nimmt der Druck nicht langsam ab, sondern zu, bis er erst nahe der 7.000 Umdrehungen sein Maximaldrehmoment von 450 Newtonmetern abfeiert. Und selbst dann geht die wilde Fahrt weiter: Seine Maximalleistung hat der RS erst jenseits der 8.000 Touren. Spätestens da wird aus der Fahrmaschine auch eine Sound-Maschine. Weniger Dämmung und die Sportabgasanlage zeigen deutlich Wirkung, wenn man ihn neben die humaneren Vierliter-Caymans stellt. Man kann das Öffnen und Schließen der Drosselklappen förmlich hören. Und da die Lufteinlässe zur Beatmung des Motors nun die hinteren Seitenscheiben ersetzen, kann man im Innern auch dem Ansaug-Schlürfen lauschen. Zusammen mit dem metallischen Rasseln beim Losfahren, dem heiseren Röcheln im unteren Drehzahlbereich und dem kreischenden Vollgas-Sägen komponiert der RS seinen ganz eigenen unvergleichlichen Soundtrack. Ein Federgewicht ist der neue 718 mit knapp 1.500 Kilo (samt Fahrer) nicht wirklich, wiegt er doch fast so viel wie der voluminösere GT3. Dennoch wurde alles getan, um sein Leistungsgewicht möglichst gering zu halten. Herausgekommen sind 2,83 Kilo pro PS (leer) – ein durchaus guter Wert. Zum Vergleich: Ein aktueller 911 Turbo S kommt auf 2,9 kg. Wer nicht diskutieren möchte, sollte um hartgesottene Lotus-Fahrer dennoch einen Bogen machen. Der Cayman GT4 RS wiegt 35 Kilogramm weniger als der GT4 mit PDK. Erreicht wurde diese Gewichtsabnahme durch den Einsatz von carbonfaserverstärktem Kunststoff (CfK), etwa bei der Fronthaube und den vorderen Kotflügeln. Leichtbauteppiche sparen ebenso Gewicht wie die Reduzierung des Dämmmaterials und das Lackieren des Porsche-Wappens an der Front. Die Heckscheibe besteht aus Leichtbauglas. Einen markanten Unterschied im Außendesign macht der neue, feststehende Heckflügel mit Schwanenhalsanbindung und Flügelstützen aus Aluminium. Dieses besonders effiziente Flügelprinzip ist vom GT-Rennwagen 911 RSR abgeleitet und besitzt auch der GT3.

Cayman-Fahren ist von Haus aus eine spannende Sache. Doch der GT4 RS toppt alles Vorherige, lässt sogar den „normalen“ GT4 alt aussehen

Tatsächlich kostet beim sportlichsten Cayman das Chronopaket extra: 274 Euro. Dann gibt’s auch die analoge Stoppuhr
Foto: J. Bürgermeister
Alles am und im RS folgt nur einem Prinzip: schnell sein! Perfekte Fahrer-Koje mit bester Fahrer-Integration – vor allem dank Schalensitzen und H-Gurten. Der RS verfügt über eine perfekte Gewichtsverteilung und eine brutale Traktion. Für Sidesteps braucht’s die Brechstange, die kosten aber eh Zeit …

In Kombination mit der 30-mm-Tieferlegung (im Vergleich zum normalen Cayman), den auffälligen Entlüftungen der vorderen Radhäuser, der aerodynamisch optimierten Unterbodenverkleidung mit anschließendem Heckdiffusor, dem mehrfach einstellbaren Frontdiffusor und der neuen Buglippe samt Sideblades generiert der 718 Cayman GT4 RS in der Performance-Stellung 25 Prozent mehr Abtrieb als der 718 Cayman GT4. Ganz wichtig für den Innenraum: das aufpreisfreie Clubsport-Paket, das die serienmäßigen Carbonschalen standesgemäß um einen Überrollkäfig, H-Gurte und auch einen Handfeuerlöscher erweitert. Das Weissach-Paket für schlappe 15.815 Euro würde zudem noch viele Kunststoffteile durch Carbon ersetzen. Zudem wären die Auspuffendrohre und der Käfig aus Titan und die Räder aus Magnesium. Wer von hinten durch die flache Heckscheibe lugt, kann eine echte Cayman-Besonderheit feststellen: Sogar der Mittelmotor traut sich beim RS-Modell aus der Versenkung und ist anhand eines beschrifteten Deckels sowie der Ansaugkanäle endlich sichtbar.

Wie der 911 GT3 RS besitzt auch der GT4 RS Entlüftungsschlitze in den vorderen Kotflügeln
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Im Fokus steht die Funktion

Ein analoger Tacho und viele klassische Knöpfe erinnern an die guten alten Tage – schön, dass es so etwas noch gibt. Einfach weil es so gut funktioniert. Carbon-Intarsien und Race-Tex bringen einen Hauch luxuriöse Sportlichkeit ins Fahrer-orientierte Interieur. Lenkrad-Knöpfe? Gibt es nicht. Türgriffe? Auch nicht. Dafür aber leichte Schlaufen, die die Suche nach jedem überflüssigen Gramm abrundet. Man merkt auch bei der Konnektivität und der Assistenz, dass beim Cayman ganz andere Sachen im Fokus stehen – nämlich Fahren, Fahren, Fahren. Fast schon luxuriös ist die serienmäßige Navigation mit Online-Anbindung und Smartphone-Anbindung à la Apple CarPlay; wenn auch nur kabelgebunden. Und eine induktive Ladeschale fürs Smartphone gibt es auch nur gegen Aufpreis.

Ganz ehrlich: Das interessiert hier sowieso niemanden. Deshalb kann man auf Wunsch das Infotainment abbestellen. Auch das Angebot der Assistenzsysteme fällt übersichtlich aus: Außer einer Multikollisonsbremse hat der RS rein „goa nix“ an Bord. Nur eine Einparkhilfe für hinten samt Rückfahrkamera, automatisch abblendende Spiegel und einen Tempomat gibt es gegen Aufpreis – das war’s. Und, ach ja: eine Verkehrszeichenerkennung. Die dürfte tatsächlich Sinn machen, weil man mit dem Cayman GT4 RS lernt, die Straße zu lesen wie ein Buch. Und da können Tempo-Schilder schon mal aus dem Raster fallen. Sowieso fällt Langsamfahren im RS außerordentlich schwer. Dieser Traumsportler gehört auf die Rennstrecke und nicht in eine Garagensammlung. Und der Verbrauch? Reden wir nicht darüber …


Test kompakt

Während sich Porsches 911 langsam zum mopsigen Gran Turismo entwickelt, bleibt der handliche Cayman seiner fahrerorientierten Linie treu. Der RS ist wahrlich die Krönung der Baureihe: noch ungefilterter, noch purer, noch emotionaler, noch viel schneller als der normale GT4. Vor allem dank des 500-PS-Saugers aus dem GT3 bleibt der hier einfach unvergesslich. So etwas wie den GT4 RS wird es so schnell nicht mehr geben. Einen Bezwinger wohl auch nicht …