Joshua Hildebrand
· 25.06.2023
Dass Porsche nicht nur Sportcoupés kann, beweisen die Zuffenhausener seit mehr als 20 Jahren mit dem Cayenne. Ferry Porsche sagte es bereits 1989 voraus: „Wenn wir ein Geländefahrzeug nach unseren Qualitätsvorstellungen bauten, und vorne steht Porsche drauf, würde es auch verkauft.“ Er sollte Recht behalten: 2002 debütierte die erste Generation. Trotz anfänglicher Skepsis über die SUV-Produktion des traditionellen Sportwagen-Herstellers eroberte das Modell schnell die Herzen der Fans und entwickelte sich bis heute zu einer der tragendenSäulenderMarke. Seit 2019 gibt’s das SUV zudem mit stylischer Coupé-Dachlinie. So auch die aktuelle Baureihe (PO536), die Mitte April auf der chinesischen Messe Auto Shanghai vorgestellt wurde. Von China geht es jetzt allerdings nach Österreich, genauer gesagt ins Salzburger Land, wo wir das sehr umfangreiche Facelift erstmals fahren dürfen. „Es ist eine der umfangreichsten Produktaufwertungen in der Geschichte von Porsche“, erzählt uns Michael Schätzle, Leiter der Baureihe Cayenne. Zwar fallen die optischen Änderungen auf den ersten Blick eher übersichtlich aus, doch sie zeigen Wirkung. Vor allem eine neue gestaltete Frontschürze, neue Scheinwerfer und die maskuliner gestaltete Motorhaube prägen das neue Erscheinungsbild an der Front.
Stärker überwölbte Kotflügel lassen den Cayenne zudem optisch noch breiter wirken als zuvor. Vertraute Seitenlinien führen ans Heck, an dem sich analog zur Front ebenso eine neue Schürze und neue Leuchtmodule in dreidimensionalem Design finden lassen. So verschlankt sich der Teil des Rücklichts, der in der Kofferraumklappe sitzt, nach oben hin nicht mehr. Eine erweiterte Farbpalette mit drei neuen Farben (Algarveblaumetallic, Montegoblau- metallic und Arcticgrau), Leichtbau-Sport-Pakete mit bis zu 33 Kilogramm Gewichtsersparnis (für das Cayenne Coupé) sowie neue Räder in 20, 21 und 22 Zoll erlauben es, auch den neuesten Spross in großem Umfang zu individualisieren. Das ist aber noch lange nicht alles! Matrix-LED-Hauptscheinwerfer gehören im Übrigen zum Serienumfang, sogenannte HD-Matrix-LED-Hauptscheinwerfer gibt es optional. Diese sind nicht irgendein Licht, sondern das modernste weltweit. Hierfür sorgen zwei hochauflösende Module und mehr als 32.000 Pixel pro Scheinwerfer für eine noch detailliertere Ausleuchtung der Straße und blendfreies Fernlicht. Die Helligkeit der Module lässt sich je nach Fahrsituation in mehr als 1.000 Stufen regulieren. Der Großteil des Facelifts konzentriert sich aber definitiv auf den edel gestalteten Innenraum. Hier ist so viel passiert, dass diese Zeilen kaum ausreichen, um Ihnen alle Neuerungen bis ins Detail zu erklären. Neue Ausstattungspakete und Farben zeigen jedoch schon beim Einsteigen, was Sache ist: Sportlicher Chic, Luxus, Komfort, dazu Porsche-typisch super-wertig verarbeitet. Das dunkelgrün belederte Interieur mit kupferfarbenen Applikationen „unseres“ E-Hybrid sieht jedenfalls richtig klasse aus – well done!
Porsche integriert darüber hinaus ein grundlegend überarbeitetes Anzeige- und Bedienkonzept. Die neue „Porsche Driver Experience“, erstmals eingeführt im Porsche Taycan, setzt die Fahrerachse in den Fokus und optimiert die Bedienung. Funktionen, die der Fahrer häufig verwendet, befinden sich direkt am oder unmittelbar neben dem Lenkrad. So verfügt der links hinter dem Lenkrad angebrachte Fahrassistenzhebel nun über zusätzliche Funktionen zur Bedienung der Assistenzsysteme. Erstmals befindet sich der Automatikwählhebel im neuen Cayenne auch auf der Armaturentafel – wie beim 911. Dies schafft auf der neuen Mittelkonsole Raum für Ablagen und für ein großes Klimabedien-Pad samt schwarz-glänzender Oberfläche. Das sieht edel aus, birgt aber den Nachteil, dass sich ständig Fingerabdrücke und Staub auf ihr befinden. Gut, dass der neueste Cayenne weiterhin auf eine Bedien-Kombination aus Touch-Flächen und haptischen Tasten vertraut: Es bleibt bei mechanischen Wippen zur Klimabedienung, einem „echten“ Lautstärke-Drehregler sowie normalen Lenkradtasten. Jedenfalls hinterlässt das modernisierte Infotainment und dessen Bedienung bei unserer ersten Ausfahrt einen guten Eindruck ohne
Frustmomente. Beim Blick ins Kombiinstrument werden sich Porsche-Fans allerdings eine Frage stellen: Wo ist der analoge Drehzahlmesser geblieben? Der ist jetzt weg. Dafür gibt es ab sofort ein volldigitales 12,6-Zoll-Kombiinstrument, das – ähnlich wie beim Taycan – nun leicht gekrümmt ist. Optional ergänzt ein optimiertes Head-up-Display die Darstellung.
Das serienmäßige 12,3-Zoll-Zentraldisplay des Porsche Communication Management (PCM) bietet Zugriff auf alle relevanten Fahrzeugfunktionen. Apps, etwa zum Musik- Streamen, können direkt in das Fahrzeugsystem eingebunden werden. Und noch etwas erinnert uns stark an den Taycan: Ab sofort ist für die Beifahrer des neuen Cayenne ein 10,9-Zoll-Display verfügbar. Es bietet verschiedene Funktionen wie die Anzeige von Performancedaten, den separaten Zugriff auf das Infotainment oder die Möglichkeit, Videos zu streamen – dies ist allerdings vom Markt abhängig. So oder so kann der Fahrer kaum sehen, was sich auf dem zweiten Display abspielt, da eine spezielle Folierung vor seitlichen Blicken schützt.
Allerdings ist die Ansicht aufgrund der starken Abdunklung je nach Blickwinkel etwas gewöhnungsbedürftig. Trotzdem cool. Zudem führt Porsche im neuen Cayenne ein Luftgütesystem ein. Serienmäßig erkennt das Fahrzeug anhand der prädiktiven Navigationsdaten nahende Tunneleinfahrten und aktiviert automatisch die Umluftfunktion. Optional erkennt ein Sensor die Belastung der Atemluft mit Feinstaubpartikeln und aktiviert gegebenenfalls ein mehrfaches Durchströmen des Feinstaubfilters. Darüber hinaus befreit ein Ionisator die Atemluft von vielen Keimen und Schadstoffen, was vor allem Allergiker entlasten soll. Zusätzlich steht den Kunden ein um- fangreiches Angebot neuer und optimierter Assistenzsysteme zur Verfügung, was den Cayenne noch sicherer macht. Dazu gehören der aktive Geschwindigkeitslimit-, der Ausweich- und Abbiegeassistent sowie das verbesserte teilautonome Fahrsystem „InnoDrive“, das wie Volkswagens Travel Assist funktioniert.
Porsche erneuert die dritte Generation des Cayenne auch durch weitreichende Maßnahmen an Antrieb und Fahrwerk, was feinfühlige Fahrer sofort merken werden. Das SUV wird nun bereits ab Werk mit einem Stahlfederfahrwerk inklusive Porsche Active Suspension Management (PASM) ausgestattet. Neue Stoßdämpfer mit 2-Ventil-Technologie und separater Zug- und Druckstufe ermöglichen eine optimierte Performance in allen Fahrsituationen. Vor allem der Komfort bei langsamer Fahrt, das Handling bei dynamischer Kurvenfahrt sowie die Nick- und Wankstabilisierung wur- den spürbar verbessert. Zusätzlich lässt sich das Fahrerlebnis mit der neuen adaptiven Luftfederung samt „2-Kammer-2-Ventil“-Technologie steigern. Jenes bietet eine noch markantere Differenzierung zwischen den Fahrmodi Normal, Sport und Sport Plus. Doch egal, welches Fahrwerk verbaut ist – wir durften beide testen –, ist es erstaunlich zu spüren, welchen Sprung der neue Cayenne hier nochmals gemacht hat. Selbst auf Schotterpisten bleibt er äußerst ruhig, walzt Unebenheiten sanft glatt, poltert nicht und lässt in den Radhäusern umherfliegende Steine akustisch kaum in den Innenraum vordringen. So geht komfortables Fahren!
In Europa debütiert der neue Cayenne mit drei verschiedenen Motorisierungen, außerdem kann er bereits konfiguriert werden. Los geht es mit dem Basismodell ab 89.097 Euro, das von einem optimierten V6 samt 353 PS und 500 Nm (plus 13 PS und 50 Nm) befeuert wird. Zudem stellt der Sechszylinder-Motor die Basis für den Antriebsstrang des Cayenne E-Hybrid (ab 103.377 Euro). In Kombination mit einem neuen, um 30 kW auf 130 kW (176 PS) erstarkten Elektromotor steigt dessen Systemleistung auf 346 kW (470 PS). Ausgerüstet mit einer im Vergleich zum Vorgänger von 17,9 kWh auf 25,9 kWh Kapazität vergrößerten Hochvolt-Batterie seien nun je nach Ausstattung rein elek- trische Reichweiten von bis zu 90 Kilometern nach WLTP möglich. Während unseres Erstkontaktes kamen wir auf etwa 70 Kilometer, was dennoch ein guter Wert ist. Außerdem verkürzt jetzt ein 11-kW-Onboard-Lader die Ladedauer laut Porsche auf weniger als zweieinhalb Stunden – trotz größerer Batterie.
Darüber hinaus gibt es eine kleine Sensation zu vermelden: Eine umfangreiche Weiterentwicklung des von Porsche gebauten Vierliter-V8-Biturbomotors löst im neuen Cayenne S (ab 107.542 Euro) das bisher verwendete V6-Aggregat ab. Im S-Modell klingt er wirklich hervorragend, ohne aufdringlich zu werden. Mit einer gesteigerten Maximalleistung von 474 PS und einem Drehmoment von 600 Newtonmetern (plus 34 PS / 50 Nm) beschleunigen die aktuellen Topmodelle laut Porsche gleichermaßen in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit betrage 273 km/h.
Wer noch mehr möchte, darf sich jetzt schon auf die bald folgenden GTS-Modelle freuen. Schließlich zum nervigen Teil der Geschichte: dem Preis. Das SUV wird mit dem üppigen Facelift je nach Ausführung etwa 5.000 bis 6.000 Euro teurer, die Coupé-Versionen liegen (ohnehin) weitere 3.000 bis 5.000 Euro darüber – keine große Überraschung angesichts der Mehrausstattung. Die Auslieferung startet im Juli, die rein elektrische Cayenne-Version wird übrigens erst Mitte des Jahrzehntes gelauncht.