Florian Neher
· 14.10.2023
Unauffällig, flüsterleise, samtweich schaukelnd, so richtig sparsam und total preisgünstig – das alles ist ein Audi RS7 Sportback nicht. Vielmehr gleicht er einer Machtdemonstration auf vier Rädern, zeigt einerseits das technisch Mögliche, andererseits den arrivierten Status seines Eigentümers. Mindestens 128.000 Euro wollen überwiesen sein, dann parkt das breitbackige Monster in der eigenen Garage.
Was man für das viele Geld bekommt? Nun, eine ganze Menge. Etwa einen famosen Vierliter-Biturbo-V8, der nicht weniger als 800 Nm Maximaldrehmoment schon bei knapp über 2.000 Touren in den Drehmomentwandler stopft, der diese Power verlustarm an die Achtstufenautomatik durchreicht, die wiederum das selbstsperrende Zentraldifferenzial füttert. Letzteres verteilt die Kraft dann zwischen den Achsen im grundsätzlichen Verhältnis von 40 : 60 nach vorn und hinten, bei Bedarf können aber auch bis zu 70 Prozent zur Vorder- oder bis zu 85 Prozent an die Hinterachse geleitet werden. Da der Testwagen das optionale, 12.500 Euro teure, RS-Dynamikpaket Plus an Bord hat, gesellen sich dazu noch das Sportdifferenzial an der Hinterachse, Allradlenkung, Keramikbremsen sowie die Vmax-Anhebung auf wiederum abgeregelte 305 km/h. In Verbindung mit den optionalen 22-Zöllern samt 285er-Pellen, die die um je zwei Zentimeter pro Seite verbreiterten Radhäuser formschlüssig ausfüllen, summiert sich das alles zu einem überraschend sportiven Handling, das das 2,2 Tonnen schwere Fünfmeter-Schiff mal locker 500 Kilo leichter und einen Meter kürzer wirken lässt. Zackig einlenken? Kann er! Viel Grip im Scheitelpunkt? Hat er! Traktionsstark aus der Kurve? Aber hallo! Hier fräsen sich die Hankooks förmlich in den Asphalt, während 800 Nm die Fuhre gen Horizont
schleudern. Ein Wunder, dass es nicht die Reifen von den Felgen zieht. Und dann gibt es nun ja auch noch die Performance-Version mit 850 Nm und 630 PS (deren Aufpreis von 7.000 Euro bei inkludierter Allradlenkung und Sportdifferenzial übrigens recht moderat ausfällt) ... Beängstigend!
Ob nun 800 oder 850 Nm, dieser wie von einem samtenen Boxhandschuh servierte Wumms wird selbst nach Wochen nicht langweilig, auch weil er so wundervoll vom V8-Biturbo-Sound beglaubigt wird, der eben nicht künstlich erzeugt werden muss. Beim vollen Durchstarten im Fahrmodus „Dynamic“ rauscht der RS7 aus der optionalen RS-Sportabgasanlage wie ein Jet – mindestens Kaliber 747, wenn nicht B-52. Natürlich bemüht er sich auch tapfer um Effizienz, per Zylinderabschaltung etwa (von der man nichts mitbekommt), oder dem 48-Volt-Mild-Hybrid-System samt Riemen-Starter-Generator (RSG) und Lithium-Ionen-Batterie, das Segeln für bis zu 40 Sekunden und ein gewisses Maß an Rekuperation ermöglicht. Der Start-Stopp-Betrieb kann bis zu einer
Geschwindigkeit von 22 km/h genutzt werden, wobei der Motorstart über den fest mit dem Verbrenner verbundenen RSG fast unmerklich geschieht. Für einen ungestörten Segelbetrieb nutzt die vernetzte Elektronik übrigens auch die Radarsensorik und Navigationsdaten. Auf Letzteres greift auch der optionale Effizienzassistent aus dem Assistenzpaket „Tour“ (1.890 Euro) zu, der stets die Geschwindigkeit dem Streckenverlauf für eine möglichst sparsame Fahrt anpassen möchte und dabei dem Fahrer schon mal mahnend mit dem Gaspedal unter die Fußsohle klopft. Das alles bringt ein bisschen was hinterm Komma, sind aber vermutlich nicht wirklich die impulsgebenden Argumente für den Kauf eines RS7. Da fielen uns eher andere Gründe
ein. Etwa die wirklich famose, direkt übersetzte Lenkung, mit der man die 1,95 Meter breite Wuchtbrumme auf den Zentimeter exakt dirigieren kann. Überdies gibt sie eine handfeste, intensive Rückmeldung, vermittelt allzeit das Gefühl, den Wagen buchstäblich im Griff zu haben. Oder das im Testwagen verbaute Sportfahrwerk Plus mit „Dynamic Ride Control“ (DRC, 1.250 Euro), das per überkreuz verbundener Dämpferhydraulik Nick- und Wankbewegungen deutlich besser austariert als das serienmäßige Luftfahrwerk („Adaptive Air Suspension“). Letzteres böte freilich den noch geschmeidigeren Komfort, in sportlicher Hinsicht ist das stahlgefederte DRC allerdings überlegen. Im Fahrmodus „Dynamic“ arbeiten die adaptiven Dämpfer tatsächlich knallhart und Kurven werden, auch dank des fein werkelnden Allradsystems, mit extrem hoher Querbeschleunigung umrundet, wobei der RS7 eine bemerkenswerte Stabilität und Fahrsicherheit vermittelt. Diese satte,
souveräne Straßenlage spendet jede Menge Vertrauen – bekanntlich die Grundvoraussetzung für schnelles Fahren. Auf der anderen Seite federt das DRC im „Comfort“-Modus wirklich komfortabel – die mögliche Spreizung der Dämpferkennlinien ist also ziemlich groß.
Zu diesem sportlichen Fahrwerk gesellt sich kongenial die optionale Keramikbremse, für die, neben ihrer Standfestigkeit, übrigens auch die um 34 Kilo reduzierten ungefederten Massen sprechen. Anders als in der Frühzeit der Keramikstopper hat sie auch im kalten Zustand sofort Biss. Dosierbarkeit und Pedalgefühl sind tadellos, ansonsten langweilt sie sich im öffentlichen Straßenverkehr ein wenig. Viel lieber würde sie frische Eifelluft durch ihre riesigen innenbelüfteten und gelochten Scheiben atmen. Für eine paar echt schnelle Nordschleifen-
runden ist der RS7 auch im Übrigen gut gerüstet: Die Fahrprogrammwahl „Drive Select“ bietet neben Efficiency, Comfort, Dynamic und Auto auch die frei programmierbaren Modi RS1 und RS2, die dann über die RS-Taste direkt am Lenkrad aktiviert werden können. Im RS2-Mode kann auch die Regelschwelle der Stabilitätskontrolle eingestellt werden, ganz abschalten geht freilich auch. Im „Virtual Cockpit Plus“ für 150 Euro Aufpreis lässt sich das RS-Menü dann mit Leistungs-/Drehmomentanzeige, g-Kräften, Schaltblitz, Öltemperatur, Reifendruck, Reifentemperatur, Beschleunigungs- und Rundenzeitenmessung abbilden – nice! Im Alltag hat man es dagegen mehr mit „MMI Touch Response“, dem Bediensystem mit haptischem und akustischem Feedback, zu tun. Die federgelagerten Touchflächen funktionieren immerhin etwas besser als solche ohne Rückmeldung, doch oft eben auch nicht auf die erste Berührung, was zu einer vom Verkehr abgelenkten, blickgeführten
Bedienung der unzähligen Menüs führt. Und wir müssen Sie leider mit weiteren Alltags-Banalitäten konfrontieren: So ist etwa der Blick nach hinten durch flache Heckscheibe und massive Dachsäulen deutlich eingeschränkt – aber wer soll da schon kommen? Und ja, die früh abfallende Dachlinie beschränkt die Kopffreiheit im Fond, ab 1,80 wird´s knapp. Aus dem gleichen Grund verweigert sich auch der Kofferraum allzu Würfelförmigem, ist davon abgesehen aber viel voluminöser als erwartet, denn er hat eine beachtliche Tiefe – kein Wunder bei fünf Metern Fahrzeuglänge! Dementsprechend genießen die Insassen auf ihren tief montierten Sitzgelegenheiten viel Beinfreiheit. Auch Ellbogenfreiheit ist reichlich vorhanden, zumindest in der serienmäßigen Viersitzer-Version. Erst wenn die optionale Dreisitzer-Rückbank
(300 Euro) voll besetzt ist, wird es etwas intimer. Extras? Sind nur wenige nötig, die Serienausstattung ist dem hohen Grundpreis entsprechend prall. Ein sinnvolles Technik-Schmankerl sind freilich die HD-Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laserlicht für 2.550 Euro. Bei aktiviertem Fernlicht wird hier in jedem Scheinwerfer von einem kleinen Lasermodul ein Spot erzeugt, der doppelt so weit reicht wie das serienmäßige LED-Fernlicht. Dazu passt eine weitere Option: der wärmebildbasierte Nachtsichtassistent (2.150 Euro), der Menschen und
Tiere bei Dunkelheit erkennt, sie pulsartig anleuchtet und den Fahrer optisch wie akustisch warnt. Die Warnung wird auch im grundsätzlich empfehlenswerten Head-up-Display angezeigt, das mit weiteren 1.400 Euro zu Buche schlägt ... Ding Dong! Hart werden wir aus der Tiefe des Traumes gerissen: Nach zwei Wochen holt Audi den Testwagen wieder ab. Katerstimmung macht sich breit. War es vielleicht der letzte V8 vor der vollelektrischen Zeit?
Test kompakt
Dass der RS7 Sportback geradeaus schnell ist, war keine Überraschung. Frappiert hat uns aber seine stramme Querdynamik, die das hohe Gewicht geschickt kaschiert. Hierbei profitiert er freilich von den Extras Allradlenkung, Sportdifferenzial, Optionsbereifung und DRC-Fahrwerk – wobei Letzteres auch Komfort beherrscht. Der RS7 bleibt ein Faszinosum, auf das wir in der vollelektrischen Zukunft wehmütig zurückblicken werden.