Joshua Hildebrand
· 03.07.2023
300– gewiss eine magische Zahl im Automobilbau. Vor allem, wenn diese im Tacho auftaucht. Bei unserem heutigen Testwagen steht sie gleich mehrfach im Raum: Der Audi RS3 Performance Edition ist nämlich nicht nur 300 km/h schnell, sondern auch (leider) auf 300 Stück limitiert. Einen zu bekommen, dürfte schwierig werden, vor allem weil sich bis zum Redaktionsschluss Anfang Mai keines von Audis Fünfzylinder-Modellen konfigurieren ließ – schon gar nicht das Sondermodell. Jenes wäre als Limousine ab 77.000 Euro zu haben. Der Sportback kostet 2.000 Euro weniger.
Dennoch hat sich eines zeitweise in den Redaktionsfuhrpark verirrt. Mit dem echten Fünfzylinder, oder? Richtig! Der dürfte jedoch bald von Euro 7 zur Strecke gebracht werden – echt schade! Doch um unseren kleinen Anflug von Depressivität entgegenzutreten, bringen wir ihn einfach selbst zur Strecke – zur abgesperrten Teststrecke. Da fühlt sich die Performance Edition noch ein bisschen heimischer als das ohnehin potente Basismodell (Test in GF 8/22). Sie glauben gar nicht, wie oft wir an der Tankstelle, am Restaurant oder auf dem Supermarkt- parkplatz auf „unseren“ Sportler angesprochen wurden. Doch selbst eingefleischte Audi-Fans erkannten nicht, dass es sich hier um ein derart seltenes Sondermodell handelt. Optisch gibt es nur wenig exklusive Details, die die Performance Edition vom normalen Modell abheben. Um genauer zu sein: fast nur die 19 ‐Zoll-Felgen in Dunkelgrau-Matt.
Das äußerst hübsche Rad hat zehn markante Kreuzspeichen und trägt das RS ‐Branding. Dahinter befinden sich bereits ab Werk die ansonsten optionalen Keramikbremsen mit großen 380er-Scheiben und blauen 6-Kolben-Sätteln – ein wirksames Extra. Weniger wirksam, mehr trendige Spielerei, sind Lichtdetails wie das animierte Tagfahrlicht der LED-Matrix-Scheinwerfer, das beim Öffnen des Fahrzeugs nun statt „R-S-3“ die Folge „3 ‐0-0“ auf der Fahrerseite zeigt. Dazu wird über die Tür der Schriftzug „#RS performance“ auf den Boden projiziert. Schwarze Applikationen wie etwa die Endrohrblenden, die Audi-Ringe sowie die RS3-Badges an Front und Heck gibt es auch für den „normalen“ RS. Über ein zusätzliches Karosserieemblem hätten sich die Fans sicherlich gefreut – sorry für die Erbsenzählerei. Dass diese Details perfekt mit der Audi-Exclusive-Lackierung in Pfeilgrau Perleffekt (2.000 Euro) harmonieren, lässt sich jedoch nicht leugnen. Wer auf weitere Details steht, wird im sportlichen A3-Innenraum umso mehr belohnt: Absolutes Highlight sind definitiv die haltstarken Carbon-Schalensitze mit Alcantara, Leder und blau abgestepptem Wabenmuster – so geht sportlicher Chic.
Neben den vollflächig blauen Gurtbändern sind auch die Kontrastnähte an der Miti telarmlehne, den Türarmauflagen und am Lenkrad in Blau gehalten. Gleiches gilt für die Fuß- und Kofferraummatten in schwarzem Velours, die zusätzlich RS-Schriftzüge zieren. Für bessere Orientierung bei sportlichem Fahren trägt das unten abgeflachte Alcantara-Lenkrad eine 12 ‐Uhr-Markierung – ebenfalls in Blau. Dass dieser RS 3 definitiv etwas Besonderes ist, veranschaulicht auch die Carbon-Dekoreinlage auf der Beifahrerseite samt Plakette, auf der „1 of 300“ geschrieben steht. Das Datenblatt liest sich RS3-typisch ziemlich beeindruckend, auch wenn der phänomenale 2,5-Liter-Turbo-Fünfzylinder mit 407 PS nur geringfügig mehr Dampf hat als der „Nicht-Performance“: genau sieben PS. Erreicht wird das leichte Leistungsplus durch eine Ladedruck-Steigerung um 0,1 auf 1,6 bar (relativ). Die maximale Leistung liegt dafür 100 Umdrehungen später von 5.700 bis 7.000 Umdrehungen an und das maximale Drehmoment von 500 Nm steht 100 Umdrehungen länger bereit: zwischen 2.250 und 5.700 Touren.
Zum Testen herhalten muss der Teil eines ausgedienten Militärstützpunkts der kanadischen Luftwaffe nahe Baden-Baden. Der Blick in den Himmel zeigt uns, dass es gleich losgehen kann. Aktuell hat es 12 Grad, wie uns das Kombiinstrument mitteilt. Hauptsache, es bleibt trocken. Warum das so wichtig ist? Weil die Performance Edition in Serie mit Pirelli-Semislicks Trofeo R bereift ist. Und die mögen es eher kuschelig warm, jedoch keinesfalls nass und auch nicht unter sieben Grad kalt. Erst recht, wenn es darum geht, die Grenzen auszuloten.
So oder so heißt es erst einmal: Luftdruck prüfen. In diesem Fall empfiehlt Audi Warmwerte von 2,7 bar vorne und 2,4 bar hinten – je nach Streckenbeschaffenheit darf es auch gerne ein bisschen weniger sein.
Anschließend heißt es: Gummis warmfahren, bis sie Wohlfühltemperatur erreicht haben: etwa 80 Grad, was bei sengender Sommerhitze einfacher wäre. Laut RS- Monitor sind nun auch Motor und Getriebe warm.
Schließlich schalten wir das ESC komplett aus, wählen via RS-Taste am Lenkrad den sportlichsten Fahrmodus „RS Performance“ und beginnen den Beschleunigungstest mit einem katapultartigen Launch-Control-Start: Alle vier Räder krallen sich dank Quattro- Allrad in den Asphalt, die Semis haften wie „Pattex“ und schießen uns binnen 3,8 Sekunden auf 100 km/h. Zwar lässt sich die Drehzahl in jenem Fahrmodus nur recht
schwer vom unübersichtlichen Digitaltacho im Landebahn-Look ablesen, doch knallt das 7‐Gang- Doppelkupplungsgetriebe S-Tronic die Gänge so passend in die „Gassen“, dass wir mit dem Selbstschalten über die Lenkradwippen ohnehin kaum hinterherkämen. Erwartungsgemäß ist er nur knapp schneller als der Standard-RS3, den wir in Ausgabe 8/22 mit 3,9 Sekunden gemessen hatten. Der Vorsprung von 0,1 Sekunden zieht sich bis 180 km/h, dann kann das Performance-Modell etwas davonziehen. Bis 200 km/h ist er 0,3 Sekunden schneller; und die 300 km/h erreicht die Standard-Ver-sion sowieso nicht. Klangfetischisten wird dabei auffallen, dass der „Limited“ die Fünfzylinder-Zündfolge „1-2-4-5-3“ ein bisschen charismatischer komponiert. Und das ist auch korrekt: Die serienmäßige RS-Sportabgasanlage besitzt einen modifizierten Mittelschalldämpfer und die vollvariable Abgasklappensteuerung wurde seitens der Audi-Sport-Ingenieure leicht angepasst.
Wer glaubt, der Ottopartikelbefilterte Fünfzylinder posaune seine Musik nur so derb ins Innere, der irrt gewaltig. Zumal die Abgasklappen in den Drive-Select-Modi „Dynamic“, „RS Performance“ und „RS Torque Rear“ auch im Stand weiter geöffnet sind, was den Klang präsenter macht. Im Alltag mag ein RS3 mit Semislicks eher weniger Sinn machen, aber auf dem Track sieht die Sache ganz anders aus. Im Gegensatz zur längsdynamischen Prüfung können die fast profillosen Reifen ihr Können erst so richtig im Querdynamik-Test unter Beweis stellen.Mitverantwortlich ist auch das grandiose Fahrwerksetup voller Hightech. Negativer Radsturz, steifere Querlenker, RS-spezifischer Rohrstabilisator mit höherer Federrate – alle diese Maßnahmen sorgen bereits im Serien-RS3 für hohe Fahrdynamik und -stabilität. Wie schon bisher, und allemal ungewöhnlich für ein Auto, sind die vorderen Reifen des RS3 breiter als die hinteren: 265/30 gegenüber 245/35, was der Kurvenagilität zugute kommt. Mit diesem Setup baut der RS3 schier unglaubliche Seitenführungskräfte auf, die extrem hohe Kurvengeschwindigkeiten zulassen. Kein Wanken der Karosserie, keine quietschenden Räder, kein leicht werdendes Heck. Sorry für die nahende Floskel, aber das Fahrverhalten ist tatsächlich „wie auf Schienen“.
Uns ist bisher kaum ein anderes Alltagsauto untergekommen, das derart viel Grip zu bieten hat. Die Audi-Lenkung ist in diesem Fall weit weg von „synthetisch“, fühlt sich schon fast Porsche-ähnlich an und vermittelt vor allem in den Sportmodi viel Gefühl. Dabei reagiert sie so zackig auf Befehle, dass sie in manchen Situationen fast als nervös bezeichnet werden darf. Dies kann man von der Fahrstabilität aber keineswegs behaupten: Der RS3 lag schon immer richtig satt auf der Gasse, da macht auch das Performance-Modell nichts anders. Es bietet die Möglichkeit, narrensicher schnell zu fahren. Fixe Runden sind selbst für Hobbyfahrer kein Hexenwerk. Im RS3 Performance kommt standardmäßig das RS-Sportfahrwerk samt adaptiver Dämpferregelung zum Einsatz, was für eine spürbare Nick- und Wank-Abstützung der Karosserie und schließlich ein Kart-ähnliches Fahrverhalten sorgt.
Das straffe Fahrwerkssetup (Fahrwerk auf „Sportlich“) kann seine Talente jedoch nur auf ebener Strecke voll ausspielen. Wird der Untergrund unruhig, so empfiehlt sich die Fahrwerkeinstellung „Komfortabel“, weil das insgesamt sehr straffe Setup so etwas besser Schwingungen aufnimmt und mehr Ruhe ins Fahrzeug bringt. Doch ein leicht werdendes Heck brauchen wir unter den hiesigen Bedingungen so gut wie gar nicht zu fürchten. Selbst mit der Brechstange bleibt der Audi auf Sicherheit getrimmt und tendiert zum Untersteuern. Außer, man tippt im Fahrmenü auf RS Torque Rear und deaktivert das ESP, dann ist der Driftmodus aktiv. Der RS Torque Splitter an der Hinterachse verteilt die Antriebskraft zeitweise komplett auf das kurvenäußere Rad. Somit sollte der RS schön quer gehen, oder? Rein theoretisch ist das so. Doch mit den klebrigen Semis hat die Performance Edition so ihre Not, Bodenhaftung zu verlieren, was ja eigentlich sehr gut ist.
Halten wir fest: Das PerformanceEdition-Setup samt Semis ist wie gemacht für schnelle Runden, nicht jedoch für hemmungslose Quertreiberei. Wer nicht darauf verzichten möchte, sollte immer einen zweiten Satz Alltagsräder parat haben – genug Platz zum Mitnehmen böte die RS3 Limo ja. Was uns daran erinnert, in welchem Auto wir hier eigentlich sitzen: einem extrem sportlichen A3, wenn nicht gar dem seltensten und exklusivsten seiner Art. Und der lässt sich nicht so richtig in eine Schublade stecken. Ist er ein extrem sportlicher Alltagsbegleiter für jeden Tag oder ein straßentauglicher Rennwagen für den perfekten Tag? Wenn Sie uns fragen: Irgendetwas dazwischen. Zwischen den Welten eben, aber auf jeden Fall eine Wucht!
Technische Daten
Serie:
Optional (Auswahl):
Test kompakt
Die Performance Edition des Audi RS3 ist ein heißer Tipp für RS-Fans und Autosammler – vorausgesetzt, man kriegt noch einen. Der stärkste und exklusivste Sport-A3 ist auf 300 Stück limitiert, bietet aber ein unschlagbares Gesamtpaket: 407 PS, 300 km/h Spitze, Keramikbremsen, Semislicks, Schalensitze und noch vieles mehr. Für einen vergleichsweise fairen Preis gibt es einen üppig ausgestatteten, sauschnellen Kompaktsportler mit Seltenheitswert, der eine wahnwitzige Performance an den Tag legt.