Eng sind die Straßen im Baskenland und oftmals sehr schlecht. Aber gerade deswegen eignen sie sich bestens, um vor allem den Komfort, aber auch die sportliche Note eines Autos zu bewerten – zumal wenn immer wieder heftiger Regen den Untergrund glitschig macht. Und so war unsere Teststrecke zwischen Bilbao und San Sebastián genau das richtige Terrain, um die Frage zu klären: Kann der Audi Q6 e-tron was? Die Antwort: Ja, er kann! Das elektrisch angetriebene SUV hat seine Bewährungsprobe absolut bestanden, sowohl der quattro als auch der deutlich leistungsstärkere SQ6.
Es ist wirklich beeindruckend, mit welcher Gelassenheit und Souveränität der Audi extrem ramponierte Passagen meistert. Selbst auf Abschnitten, die eher Waldwegen ähneln, sind im Innenraum so gut wie keine Schläge oder Stöße zu spüren. Etwas anders sieht es natürlich aus, wenn vom Modus Komfort in Dynamic gewechselt wird, wenn der Q6 e-tron erkennbar seine Muskeln anspannt. Die Abstimmung des Fahrwerks wird straffer, die Lenkung ebenso wie das Ansprechverhalten des Antriebs direkter. Dennoch: Die Auswirkung auf den Komfort für die Passagiere ist nur dezent, das Plus an Performance dafür deutlich. Das in beiden Varianten über alle vier Räder angetriebene SUV nimmt selbst bei wirklich flotter Fahrt enge und zudem noch regennasse Kurven absolut spurtreu, stellt Frau oder Mann am Steuer nicht vor Probleme.
KEINE ANGST VOR SCHLECHTEN STRASSEN: DIE MEISTERT ER LOCKER
An dieser Stelle sei ein Vergleich mit dem Porsche Macan E erlaubt. Beide Fahrzeuge stehen auf der gemeinsam entwickelten Premium Platform Electric (PPE) mit 800-Volt-Technik. Damit ist der elektrische Macan so etwas wie der Halbbruder des Audi Q6 e-tron. Bei der Abstimmung des Fahrwerks machen sich die Unterschiede gleichwohl schnell bemerkbar. Porsche hat dabei eindeutig dem sportlichen Charakter den Vorzug gegeben, ohne den Komfort zu sehr zu vernachlässigen. Bei Audi ist es eher umgekehrt. PPE zeige, so Audi Chef Gernot Döllner, wie der VW Konzern Kompetenzen bündele und Elektromobilität skalierbar mache. Porsche baut den Macan E übrigens in Leipzig, der Q6 e-tron läuft in Ingolstadt vom Band. Dort werden in einem neuen Werk etwa 1.000 Hochvoltbatterien täglich gebaut.
Doch zurück zum Fahren, das auf glattem Asphalt extrem leise verläuft. Angetrieben wird der 4,77 Meter lange, ohne Spiegel 1,97 Meter breite und 1,65 Meter hohe Q6 von zwei Elektromotoren über beide Achsen. Hinten kommt eine Permanentmagneterregte Synchronmaschine (PSM) mit 280 kW (381 PS) und einem Drehmoment von 50 Newtonmetern (Nm) zum Einsatz. Vorn ist eine Asynchronmaschine (ASM) mit einer Leistung von 140 kW (190 PS) und 275 Nm verbaut. Damit kommt das SUV auf eine Peak-Systemleistung von 285 kW (387 PS) inklusive der Launch Control. Schon diese Version des Stromers hinterlässt in Sachen Antritt und Durchzug einen sehr guten Eindruck. Mehr braucht’s eigentlich nicht, um flott voranzukommen.
Zudem sind die von uns erfahrenen Verbrauchswerte von 23,1 kWh bei der durchaus zügigen Fahrt über Berg und Tal mit vielen Kurven sowie maximal Tempo 130 auf der Autobahn um etwa 2 kWh niedriger als beim auf ähnlicher Strecke und bei ziemlich identischer Fahrweise erprobten SQ6 e-tron. Dem konnten die Entwickler bei der gleichen Kombination der E-Maschinen eine Systemleistung von 360 kW (489 PS) spendieren. Da die Autos in erster Linie über die Hinterräder angetrieben werden, kommt dort die effizienter arbeitende PSM zum Einsatz. Die ASM hingegen ist so etwas wie ein Booster, der bei Bedarf mehr Performance bietet. So schafft es der 2,32 Tonnen schwere Q6 aus dem Stand auf Tempo 100 in 5,9 Sekunden und bringt es in der Spitze auf 210 Kilometer pro Stunde. Der SQ wiegt 2,35 Tonnen, erreicht nach 4,3 Sekunden Tempo 100 und kommt auf 230 Kilometer in der Stunde.
Zum Thema Laden: Die Energie wird in einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Nettokapazität von 94,9 kWh gespeichert. Der mit zwölf Modulen und 180 Zellen bestückte Akku wiegt 570 Kilogramm. Bei der Zellchemie hat sich Audi für einen Kompromiss aus Performance und Effizienz entschieden. Geladen werden kann mit Wechselstrom (AC) auf beiden Seiten des Fahrzeugs. Hierfür ist ein 11-kW-On-Board-Charger installiert. Ein Gleichstrom (DC)-Anschluss ist lediglich hinten auf der Fahrerseite angesiedelt. Der aber ermöglicht dank der 800-Volt-Technologie eine Ladeleistung von bis zu 270 kW.
An einer entsprechenden Ladesäule dauert es gerade einmal zehn Minuten, um Strom für 255 Kilometer Reichweite nach der WLTP-Norm in den Akku fließen zu lassen. 21 Minuten gibt Audi an, um den Ladestand von zehn auf 80 Prozent (State of Charge/SoC) anzuheben. Die Audi Techniker sagen bei entsprechend vorkonditionierter Batterie eine Ladekurve zu, die von zehn bis 40 Prozent oberhalb von 250 kW bleibt, erst danach langsam sinkt. Bei einem Ladestand von 80 Prozent sollen es noch immer 110 kW sein.
Die Reichweite bei komplett vollgeladener Batterie soll dem WLTP-Wert zufolge bis zu 625 Kilometer betragen. Beim SQ6 e-tron sind es demnach immerhin noch 598 Kilometer. Unsere Verbrauchswerte zeigen, dass sich die WLTP-Angaben doch erheblich vom Alltagsleben unterscheiden. Wobei im reinen Stadtverkehr mit vielen Rekuperationseinheiten der Verbrauch um einiges niedriger sein dürfte.
Apropos Rekuperation: Die Leistung der Energierückgewinnung ist mit bis zu 220 kW beeindruckend. Über Paddles am Lenkrad können unterschiedliche Stärken gewählt werden. Entweder rollen Q6 e-tron und SQ6 e-tron ganz ohne diese Bremswirkung dahin oder es gibt leichte und starke Verzögerungsstufen. Zudem lässt sich in der Mittelkonsole noch die B-Taste betätigen. Dann ist das i-Pedal und damit die stärkste Rekuperationsstufe aktiv, der Wagen verzögert bis zum Stillstand. Entsprechende Hinweise im Cockpit zeigen die unterschiedlichen Modi an.
Und damit sind wir im Innenraum. Hier fällt auf Anhieb das 11,9 Zoll große Curved Panorama Display ins Auge. Der gebogene Screen umrahmt quasi den Platz am Steuer und ist konsequent auf diese Position ausgerichtet. Die Darstellungen sind aufgrund der OLED-Technologie gestochen scharf und können individuell verschoben werden. Immer im Mittelpunkt ist aber die Geschwindigkeitsanzeige. Das komplett neu entwickelte MMI-Display in der Mitte des Armaturenträgers misst 14,5 Zoll.
Ausdrücklich betonen die Entwickler, dass auf haptische Bedienelemente verzichtet wurde, stattdessen Sprachsteuerung und Touchelemente im Lastenheft standen. Zum Glück hat der manuelle Lautstärkeregler für das Infotainmentsystem überlebt, doch die Klimaautomatik kann nun nur noch über Sprache oder eben über Fingerübungen auf dem Display bedient werden. Dabei zeigt der Bildschirm aber häufig eine verzögerte Reaktion.
Nicht einfach ist es außerdem, die Verbrauchswerte oder Tageskilometer über das Multifunktionslenkrad abzurufen. Das notwendige Wischen über die kleinen Tasten muss sehr feinfühlig und exakt erfolgen. Während der Fahrt ist das jedoch nicht immer möglich. Die Spracherkennung dagegen funktioniert inzwischen sehr gut. Ob Anweisungen zu Entertainment, Klimaautomatik, Navigation oder auch zum Öffnen von Fenstern – alles wird bestens erkannt. Das System registriert zudem, ob die Stimme vom Fahrer-oder Beifahrerplatz kommt. Wenn die Kommunikation mit dem Auto auf diese Weise vonstattengeht, ist ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet.
Auf Wunsch bietet Audi das Augmented Reality Head-up-Display der zweiten Generation an. Die Qualität der Anzeigen ist noch mal besser geworden. Das gilt ebenfalls für die Routenplanung, die unter anderem topografische Fakten mit in die Berechnung aufnimmt, um Ladepunkte vorzuschlagen. Erstmals im Angebot ist ein Beifahrerdisplay. Hier können entweder Filme oder Serien gestreamt werden, ohne dass der Fahrer eine Sicht darauf hat. Gleichwohl ist es möglich, über diesen Bildschirm Navigationshilfen zu geben. Empfehlenswert ist auf alle Fälle, das Ausstattungspaket mit den in den Kopfstützen eingelassenen Lautsprechern zu ordern.
Die Qualität der Tonübertragung vor allem bei Navigationsansagen oder auch Telefongesprächen ist hervorragend. Während die Auswahl der Materialien und die Polsterung der Sitze alles in allem in Ordnung bis hochwertig ist, zeigt sich an einigen Stellen doch, dass Audi zart den Rotstift angesetzt hat. Ein wenig viel Hartplastik in den Türen und Plastikknöpfe an den Lüftungsdüsen lassen Sparmaßnahmen erkennen.
GROSSE LEUTE, VIEL GEPÄCK? ALLES GAR KEIN PROBLEM!
Weniger sparsam geht Audi dafür mit dem Platzangebot um. Auf der Rückbank können es sich selbst wirklich groß gewachsene Personen mit einer Körperlänge von 1,90 Metern noch bequem machen. Dazu trägt der Radstand von 2,90 Metern bei. Bein- und auch Kopffreiheit sind mehr als üppig. Die Füße lassen sich problemlos unter die vorderen Sitze schieben. Zudem bietet die asymmetrisch geteilte Rückbank eine gute Länge für die Oberschenkel. Der Kofferraum hat ein Volumen von 526 Litern, kann bei vorgeklappten hinteren Lehnen auf bis zu 1.529 Liter vergrößert werden. Ein Fach unter dem Laderaumboden ist groß genug, um Ladekabel oder Kleinkram aufzunehmen. Und es gibt einen Frunk mit einer Größe von satten 64 Litern.
Optisch tritt der Q6 e-tron sportlich-dynamisch auf, hebt sich allerdings nicht aus der Masse der SUVs ab. Im Gesicht mit dem markentypischen Single Frame erzeugen die tief liegenden Lufteinlässe sowie die Luftleitsysteme außen unterhalb der schmal geschnittenen Scheinwerfer einen markanten Eindruck. Die Fronthaube ist an den Seiten hochgezogen. Das betont die Kotflügel, in denen zwischen 18 und 21 Zoll große Räder rollen. Die A-Säule haben die Designer weit nach hinten gerückt und sehr flach gezogen. Oberhalb der hinteren Radhäuser sorgt eine Sicke für eine breite Schulter. In Kombination mit der nach hinten leicht abfallenden Dachlinie und dem Dachspoiler unterstreicht das den dynamischen Charakter des SUVs. Die OLED-Rückleuchten sind mit einem Lichtband verbunden, das zusätzlich für optische Breite sorgt.
Apropos Licht. Mit dem Q6 e-tron feiert auch eine Weltneuheit ihre Premiere. Eine aktive digitale Lichtsignatur hat es zuvor noch nicht gegeben. Über sechs OLED-Panels mit insgesamt 360 einzelnen Elementen erzeugt ein spezieller Algorithmus alle zehn Millisekunden ein neues Bild. Außerdem lässt sich über das MMI oder die Audi App auf dem Smartphone je nach Ausstattung eine von acht möglichen Lichtsignaturen im Tagfahrlicht bei den optionalen Matrix-Scheinwerfern auswählen. Über die Rückleuchten werden nachfolgende Fahrzeuge zudem auf mögliche Gefahren hingewiesen. Sobald der Warnblinker eingeschaltet wird, taucht in den Hecklichtern ein Warndreieck auf.
Auch ohne diese aufpreispflichtigen Gimmicks ist der neue Stromer mit den vier Ringen kein Sonderangebot. 74.700 Euro stehen für den Q6 e-tron in der Preisliste, 93.800 Euro sind es beim SQ6 e- tron. Dazu lassen sich noch diverse Ausstattungspakete und Sonderwünsche ordern. Etwas günstiger wird es, wenn der Q6 als Performance und damit lediglich mit Heckantrieb zum Preis von 69.750 Euro bestellt wird. In Zukunft wird es ihn auch mit einer kleineren Batterie mit etwa 77 kWh netto geben.