Joachim Fischer
· 17.02.2022
Reichen die 130 Mild-Hybrid-PS des 1.5 eTSI-Benziners für den großen, universellen Golf Variant? Der GUTE FAHRT-Test liefert die Antwort
Citius, altius, fortius – so lautete seit 1924 in lateinischer Sprache das Motto der Olympischen Spiele. 2021 wurde es noch um „communiter“ (gemeinsam) erweitert. Im Deutschen ist der Wahlspruch als „schneller, höher, weiter“ bekannt – obwohl „fortius“ eigentlich stärker bedeutet. Doch das tut hier nichts zur Sache. Während die Olympioniken selbstverständlich getreu ihrem Motto nach immer neuen Bestmarken streben, hat im Automobilbau eine neue Bescheidenheit Einzug gehalten. „Höher“ und „weiter“ könnte man in Anbetracht der SUV-Welle und der um Reichweite ringenden E- Mobilität vielleicht gerade noch gelten lassen. Doch schneller und stärker müssen neue Massenmodelle inzwischen nicht mehr sein, sparsamer und damit umweltfreundlicher ist hier eher die Zielvorgabe.
Unter dieser Prämisse ist auch der Mild-Hybrid Golf Variant 1.5 eTSI DSG mit 130 PS zu betrachten, den wir an dieser Stelle behandeln wollen. In GUTE FAHRT, Ausgabe 12/2021, hatten wir bereits den ebenfalls mild-hybridisierten Golf Variant 1.5 eTSI mit 150 PS und DSG im Dreier-Vergleich mit Skoda Octvia Combi und Seat Leon Sportstourer getestet. Hier zeigte der Volkswagen, warum der Golf nach wie vor Meister und damit auch zu Recht Namenspate seiner Klasse ist: Er bietet einfach das ausgewogenste Gesamtpaket aus Qualität, Fahrkomfort und Nutzwert.
Mit Riemen-Starter Generator
Neben ihm offeriert Volkswagen aber auch jenen „kleineren“ 1.5er, der bei identischen Allgemein-Qualitäten – die im letzten Test ja bereits ausgiebig gewürdigt wurden – 20 PS weniger unter der Haube hat. Deshalb steht diesmal der indirekte Vergleich der beiden Mild-Hybride im Vordergrund. Die technischen Daten belegen: Beide Modelle besitzen den identischen, vierzylindrigen eTSI aus der EA211 Evo-Generation mit 1.498 Kubikzentimeter Hubraum. Der direkt einspritzende, per VTG-Lader turbobeatmete Benziner verfügt hier wie da über die spritsparende Zylinderabschaltung ACT, die bei niedriger Last zwei „Töpfe“ stilllegt und bei Bedarf blitzschnell wieder zum Leben erweckt. Der 130 PS-eTSI bietet zudem das besonders effiziente Miller-Brennverfahren. Star im geballten Technik-Ensemble aber ist das aufwändige Mild-Hybrid-System mit 48-V-Riemen-Starter-Generator (RSG) sowie dem zugehörigen, 250-Wh-Akku unter dem Beifahrersitz. Das System kann den Vier-
zylinder während der Fahrt im Schubbetrieb komplett abschalten und im Verbund mit dem stets serienmäßigen Siebengang-DSG-Getriebe abkoppeln, was lange Segelphasen ermöglicht. Zudem startet der kraftvolle RSG den Verbrenner besonders schnell und sanft, hilft zudem mit einem elektrischen Extra- Boost beim Anfahren. Geladen wird der Akku des Mild-Hybrid durch Rekuperation beim Bremsen. Soweit die Grundlagen.
130 PS und 200 Nm
Im Fahrbetrieb sorgt das High-Tech- Aggregat für besagte 130 PS bei 5.000 bis 6.000 Kurbelwellenrotationen pro Minute, dazu produziert es ein maximales Drehmoment von 200 Nm zwischen 1.400 und 4.000 Touren. Das sind 50 Nm weniger als als beim großen Bruder. Es versteht sich von selbst, dass ein Otto-Partikelfilter integriert ist und die neueste Emissionsnorm Euro 6d-ISC-FCM erfüllt wird.
Die Frage aber ist: Reichen Leistung und Drehmoment, um den immerhin mindestens 1.410 Kilogramm schweren Golf Variant plus gegebenenfalls 625 Kilo maximale Zuladung im Alltag angemessen zu bewegen?
Einen ersten Hinweis liefern hier die Fahrleistungsmessungen. Aus dem Stand auf Tempo 100 sprintete der frontgetriebene 130-PS-Variant in 9,4 Sekunden, bis Tempo 160 dauerte es 25,6 Sekunden. Damit ist er im GF-Test spürbare 0,7, respektive drei Sekunden langsamer als die 150 PS-Variante. Im Überholsprint von 80 auf 120 km/h verlor er mit 6,7 Sekunden sechs Zehntel. Bei der Höchstgeschwindigkeit stehen 213 km/h maximal 224 km/h für den potenteren eTSI gegenüber. Das ist auch subjektiv spürbar langsamer, doch noch lange kein Problem. Nur zur Erinnerung: Der erste Golf GTI war 1976 kaum schneller.
Perfekte Choreografie
Im normalen Alltags-Fahrbetrieb merkt man diese Unterschiede dagegen wenig. Der Kombi-Golf kommt flott von der Ampel weg, der E- Boost kaschiert das leichte Turboloch beim Anfahren ausgezeichnet. Im Stadtverkehr ist man flott unterwegs. Der Vierzylinder gibt sich dabei extrem leise und vibrationsfrei. Die Gasannahme ist makellos.
Das DSG schaltet im Fahr-Standardprogramm D früh und damit drehzahlsenkend hoch. Das spart Sprit. Geht man komplett vom Gas, verabschiedet sich der Vierzylinder nahezu unmerklich, der Golf segelt mit abgekoppeltem Antrieb. Beim Bremsen – vor der nächsten Ampel etwa – wird fleißig rekuperiert und so Strom in den Akku geladen. Springt die Ampel inzwischen wieder auf Grün, reicht ein leichter Tipp ans Gaspedal und der RSG startet den Vierzylinder blitzartig und äußerst geschmeidig. Der ganze Vorgang läuft schneller und ruckfreier als bei einer reinen Start-Stopp-Anlage ab.
Auf der Landstraße wiederholen sich die Vorgänge, nur die Segelphasen unter Motorstillstand werden in der Regel länger ausfallen. Zudem wird hier ein weiterer Betriebszustand wichtig: Das Fahren mit ACT. Die Zylinderabschaltung greift dann, wenn nur wenig Gas gegeben wird, um zum Beispiel die Geschwindigkeit konstant zu halten. Dann melden sich zwei der vier Zylinder automatisch ab, was der Fahrer allein an einem kleinen Piktogramm in der Multifunktionsanzeige bemerken kann. Wird mehr Gas gegeben, sind augenblicklich wieder alle vier Töpfe aktiv.
Auf der Autobahn ist der Leistungsunterschied zum 150-PS-eTSI stärker zu spüren – insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten über 140 km/h. Hier braucht der 130-PS- eTSI einfach etwas länger, um Geschwindigkeit aufzunehmen – auch trotz der etwas kürzeren Getriebe- Übersetzung gegenüber dem großen Hybrid-Bruder. Das Zusammenspiel von RSG, ACT, Vierzylinder und DSG klappt indes genauso reibungslos wie in der Stadt und über Land. Insbesondere die Segelphasen sind zuweilen beachtlich lang.
Merkt man das auch am Spritverbrauch? Radio Eriwan würde antworten: „Im Prinzip ja, aber“... Im Testschnitt genehmigte sich der 130-PS-Mild-Hybrid 6,3 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer – zugegeben, bei flotter Fahrweise. Im Minimum waren es 4,6 Liter, im Maximum 8,5 Liter. Ausgezeichnete Werte für einen Kombi der Kompakt-Klasse.
Andererseits ist das aber nur unwesentlich weniger als auch der 150 PS starke eTSI im GF-Test konsumierte. Der Grund: Wer gerade auf Langstrecken auch gerne schnell fährt, kann das Sparpotential der geballten Technik nicht wirklich ausnutzen. Das gilt insbesondere für den 130-PS- eTSI, denn um wirklich flott unterwegs zu sein – oder vielleicht mit einem Anhänger – muss man hier deutlich härter aufs Gas steigen als mit der potenteren Variante.
Travel Assist in Serie
Wer dagegen meist geruhsam und möglichst vorausschauend fährt, kann sich auf Verbrauchswerte um die 5 Liter einstellen. Das ist super.
Hilfreich zur Seite stehen hier die beim Style-Modell serienmäßig verbauten Systeme Travel-Assist und ACC stop&go sowie die optionale Fahrprofilauswahl (180 Euro), die auch ein Eco-Programm zur Verfügung stellt, das den Spritkonsum weiter optimiert. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch die Navi-Systeme Discover Pro (1.950 Euro), Discover Media ( 1.115 Euro) oder das neue Ready 2 Discover (485 Euro) für spätere Freischaltung der Navi-Funktion, da der Travel Assist auf diese Weise auch auf Kartendaten zurückgreifen kann und zusätzliche Fahrhinweise bereitstellt.
Ab 35.085 Euro gibt es den Golf Variant Style 1.5 eTSI DSG. Dafür bekommt man einen wirklich umfangreich ausgestatteten, modernen Kombi in Top-Verarbeitung mit riesigem Platzangebot. Dazu ist er variabel, komfortabel, fahraktiv, umfassend digitalisiert, vernetzt und bietet das höchste Sicherheitsniveau – eben ein typischer VW Golf.
Wer etwas mehr Leistung möchte, weil er zum Beispiel oft auf Langstrecke oder mit Anhänger unterwegs ist, sollte die gut 1.000 Euro mehr für den 150-PS-eTSI ausgeben.
Ruhige Fahrer-Charaktere wird der 130-PS-eTSI aber vollauf zufriedenstellen – auch in Bezug auf den Verbrauch. Das zeigt: Weniger kann zuweilen auch mehr sein. Denn „schneller, höher, weiter“ war im Automobilbau bekanntlich gestern.
Test kompakt:
Der Variant – das Universaltalent unter den Gölfen. Als Mild-Hybrid-Einstiegsmodell glänzt der Turbo-Benziner mit 48-Volt-RSG sowohl durch ausgedehnte Segelphasen als auch mit batterieelektrisch unterstütztem, flottem Antritt. Verbrauchswerte von um die fünf Liter pro 100 Kilometer sind machbar – und das für einen klassischen Kombi, der fünf Passagiere und Gepäck locker wegsteckt.