ERGONOMIEHaltung zeigen!

ERGONOMIE: Haltung zeigen!
Der Platz am Steuer eines Autos ist prinzipiell eher ungesund. Wer tagtäglich über einen längeren Zeitraum mit dem Pkw unterwegs ist, mutet seinem Körper ziemliche Anstrengungen zu. Doch wenn Sie Ihren Sitz richtig einstellen und die technischen Möglichkeiten Ihres Fahrzeugs nutzen, fahren Sie gesünder.

Text: Sabine Neumann

Angesichts immer länger werdender Zeiten im Stau oder vielen Kilometern beim Pendeln zwischen Arbeitsplatz und Zuhause wird das Auto mehr und mehr zu einem Lebensraum. Und in dem sollte, wie daheim im Wohnzimmer, der Wohlfühlgedanke nicht zu kurz kommen. Vor allem aber ist das Auto ein Aufenthaltsort, an dem der Faktor Gesundheit eine wesentliche Rolle spielt: Jedes Unwohlsein, jede Verspannung, jeder Schmerz reduziert im Straßenverkehr entscheidende Eigenschaften wie Übersicht oder Konzentrations-und Reaktionsfähigkeit.

ZU WENIG SAUERSTOFF FÜRS GEHIRN

Ohne es an dieser Stelle zu medizinisch machen zu wollen, so zeigt doch ein kleiner Ausflug in die Anatomie des Körpers, was während der Fahrt an seiner Leistungsfähigkeit zehrt. Ganz grundsätzlich ist der Körper für Bewegung gemacht, je mehr, desto besser. Dabei werden alle Gewebestrukturen, im Speziellen die sogenannten Faszien, gut durchspült. Das ist eine der Voraussetzungen, um frisch und aufmerksam zu bleiben.

Eine zentrale Rolle in Sachen Beweglichkeit spielt die Wirbelsäule. Durch die meist etwas nach hinten geneigte Sitzfläche im Fahrzeug – wichtig, um die Passagiere bei einem Heckaufprall vor dem Durchtauchen unter dem Gurt zu schützen – wird aus der eigentlichen S-Form des Rückgrats schnell ein C. Das kann zu Rückenverspannungen führen und gleichermaßen die Schulter- und Hüftgelenke belasten. Zudem besteht durch die abgeknickte Haltung die Gefahr, dass das Gehirn nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt wird. Immerhin benötigt die Zentrale im Kopf 20 Prozent der Energie des gesamten Körpers.

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GUTE FAHRT-Autorin Sabine Neumann ist ausgebildete Physiotherapeutin und Expertin für Ergonomie und Gesundheit am Arbeitsplatz. Als Geschäftsführerin der Unternehmensberatung “Motiv Gesundheit” kümmert sie sich um betriebliches Gesundheitsmanagement und verantwortet zum Beispiel die Schulung und Begleitung von Außendienstmitarbeitern großer Firmen zum Thema “Gesund und fit am Arbeitsplatz Auto”. Zudem hat sie knapp 1.000 Automobilverkäufer zum Thema Ergonomie im Rahmen der Markteinführung des VW Golf Sportsvan und des Audi Q5 qualifiziertFoto: Felix Küster, Aktion Gesunder RückenGUTE FAHRT-Autorin Sabine Neumann ist ausgebildete Physiotherapeutin und Expertin für Ergonomie und Gesundheit am Arbeitsplatz. Als Geschäftsführerin der Unternehmensberatung “Motiv Gesundheit” kümmert sie sich um betriebliches Gesundheitsmanagement und verantwortet zum Beispiel die Schulung und Begleitung von Außendienstmitarbeitern großer Firmen zum Thema “Gesund und fit am Arbeitsplatz Auto”. Zudem hat sie knapp 1.000 Automobilverkäufer zum Thema Ergonomie im Rahmen der Markteinführung des VW Golf Sportsvan und des Audi Q5 qualifiziert

Die gebeugte Haltung der Beine im Knie- und im Hüftgelenk kann sich ebenfalls negativ auswirken, da möglicherweise das Blut in den Venen schlechter zurücktransportiert wird. Zum einen kann sie das Gefühl von schweren, dicken Beinen bis hin zur Bildung von Krampfadern begünstigen. Zum anderen kann sie durch den verlangsamten Blutfluss zu einer geringeren Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und damit schneller zu Müdigkeit bis hin zum Sekundenschlaf oder einem erschöpften Gefühl bei der Ankunft führen. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die Kompression, die die inneren Organe einschließlich der Lunge bei einer gerundeten Haltung des Körpers hinnehmen müssen.

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EINE OPTIMALE POSITION SCHÜTZT AUCH BESSER BEI UNFÄLLEN

An der mangelnden Bewegung lässt sich für Autofahrer nur wenig ändern. Sie ist sogar sehr wichtig. Die möglichst ruhige Position ist notwendig, um über den Sitz die Reaktionen des Fahrzeugs wahrzunehmen. Die Kontaktfläche des Rückens zur Lehne sowie der hinteren Oberschenkel zur Sitzfläche sind die einzigen Schnittstellen, die der Mensch zur Karosserie hat. Das ehemalige Rallye-Ass Walter Röhrl betont immer wieder, wie wichtig der „Popometer“ ist, um ein Fahrzeug zu beherrschen. Je besser die Verbindung an dieser Stelle, umso entspannter fällt die Fahrt von A nach B aus und umso höher ist das Maß an Sicherheit.

Vor allem bei einem Unfall sorgt eine gute Sitzposition einschließlich der richtigen Position des Gurtes dafür, dass Airbags ihre volle Wirkung entfalten können und der Gurt frühzeitig greift. Gleichzeitig entscheidet eine gute Sitzposition darüber, wie gut die Rundumsicht ist oder wie selbstverständlich die Bedienung der Instrumente erfolgen kann.

SITZE GENAU ANSCHAUEN

Um als Fahrerin oder Fahrer eine möglichst aufgerichtete Haltung einnehmen zu können, ist es notwendig, dass sich Bauteile wie Sitz, Gurt, Lenkrad und im Idealfall Mittelarmlehne individuell anpassen lassen. Je mehr Verstellmöglichkeiten ein Sitz also hat, desto eher können groß oder klein gewachsene Personen in unterschiedlichen Gewichtsklassen und Proportionen ihre persönlich beste Einstellung finden. Ein Grund mehr, sich im Rahmen der Entscheidung für ein Fahrzeug insbesondere die je nach Ausstattungsniveau möglichen Sitzvarianten anzusehen.

Jemand, der lange Oberschenkel hat, tut sicher gut daran, sich für ein Gestühl zu entscheiden, dessen Sitzfläche zu verlängern ist. Wer häufig ein- und aussteigen muss, wird auf Dauer zufriedener sein, wenn die Seitenwangen des Sitzes zwar guten Halt geben, sich aber dennoch zusammenknautschen lassen. Auf den ersten Blick sehen Autositze häufig sehr ähnlich aus, doch unter dem Bezug steckt das entscheidende Entwicklungs-Know-how der Hersteller. Wie gut passt sich der Schulterbereich an die eigene Statur an? Stützt das Polstermaterial die Wirbelsäule ausreichend? Eine ausführliche Probefahrt liefert meist wertvolle Antworten.

Nackenschmerzen müssen nicht sein - wenn Sitz und Kopfstütze richtig eingestellt sindFoto: Shutterstock/Velimir Zeland, ŠkodaNackenschmerzen müssen nicht sein - wenn Sitz und Kopfstütze richtig eingestellt sind

Eine gute Orientierung, welche Verstellmöglichkeiten sinnvoll und empfehlenswert sind, gibt das Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht zu prüfen, wie gut sich Produkte des täglichen Bedarfs an den Menschen anpassen lassen. Ausgezeichnet sind unter anderem die Sitze zahlreicher Modelle von Volkswagen und Škoda. Sie erfüllen nämlich folgende Vorgaben in vollem Umfang:

  • Feste Grundstruktur
  • Wirbelsäulengerechte S-Form mit einer ausreichend hohen Rückenlehne, die bis über die Schulter hinaus stützt
  • Seitenführung an Sitzpolster und Rückenlehne – idealerweise verstellbar
  • 4-Wege-Lordosenstütze mit Verstellmöglichkeiten nach innen und außen sowie nach oben und unten
  • Elektrische Einstellbarkeit des Sitzes
  • Ausreichend hoch einstellbare Kopfstütze
  • Einstellbarkeit von Sitzhöhe und Sitzneigung
  • Variabilität der Sitztiefe
  • Maßnahmen für das Sitzklima wie eine Sitzheizung und eine Sitzlüftung oder klimafreundliche Materialien

Auch wenn andere Marken aus dem VW-Konzern sich die Qualität ihrer Bestuhlung nicht haben zertifizieren lassen, heißt das nicht, dass sie weniger wirbelsäulenfreundlich sind. Ein Blick in die Ausstattungslisten zeigt, dass auch deren Sitze mit den Anforderungen mithalten können. Ergänzend dazu sieht die AGR gern Optionen wie eine dynamische Unterstützung bei Kurvenfahrten oder eine integrierte Massagefunktion. Letzteres ist für Vielfahrer tatsächlich eine gute Option, um in minimaler Art und Weise Bewegung in die Strukturen des Rückens zu bringen und ihn so etwas zu entspannen.

Ein wichtiges Augenmerk liegt zudem auf Kopfstützen mit ihrer wichtigen Funktion, bei einem Unfall ein Schleudertrauma zu vermeiden. Im Vergleich zu früheren Fahrzeuggenerationen gibt es allerdings seit einiger Zeit neue Vorschriften, dass Rücken und Kopf mehr und schnelleren Kontakt mit Sitz und Kopfstütze haben sollten, damit bei einem Aufprall eine angemessene Körperunterstützung gewährleistet ist. Um das zu erreichen, sind die Kopfstützen jetzt allgemein weiter nach vorn positioniert. Gut im Fall des Falles, schlecht für den Alltag, da es bei vielen das Gefühl auslöst, den Kopf während der Fahrt weiter nach vorn schieben zu müssen. Eine Fehlhaltung, die, wie bereits erwähnt, zu einer schnelleren Ermüdung führt. Umso wertvoller sind in der Tiefe verstellbare Kopfstützen, wie sie beispielsweise im VW Passat verfügbar sind.

AUCH AUF BEDIENELEMENTE ACHTEN

Allein den Sitz für ein entspanntes Ankommen am Ziel verantwortlich zu machen, würde jedoch zu kurz greifen. Die Gestaltung des Innenraums, die Bedienbarkeit von Schaltern, Hebeln, Knöpfen sowie des Touchscreens oder sogar die Wahl der Materialien haben ebenfalls einen wesentlichen Anteil. Ein Bildschirm, der dem Fahrer zugewandt ist, spielt dabei eine ebenso große Rolle wie eine intuitiv erkennbare Menüführung bei der Eingabe von Navigationszielen oder der Einstellung der Wunschtemperatur.

Auch die Anordnung der Bedienelemente ist entscheidend für eine stress- und schmerzfreie FahrtFoto: Shutterstock/Velimir Zeland, ŠkodaAuch die Anordnung der Bedienelemente ist entscheidend für eine stress- und schmerzfreie Fahrt

Die immer besser werdende Sprachbedienung lässt mittlerweile zwar die Diskussion über das Für und Wider von Touchfunktionen leiser werden. Dass sie an einigen Stellen aber auch auf Gehör bei der Entwicklung neuer Fahrzeuggenerationen trifft, zeigt sich beispielsweise am Tiguan Allspace. Wurde bei seiner Markteinführung 2020 das Multifunktionslenkrad mit seinen Touchflächen noch als Innovation gefeiert, sind die Tastenfelder des Jahrgangs 2024 jetzt wieder klar abgegrenzt. Ein wenig Kopf- und Fingerakrobatik erfordert indessen die Verlegung des Gangwahlhebels von seinem Platz zwischen den Sitzen an die rechte Seite des Lenkrads. Dort befand sich bisher der Blinker, der sich jetzt aber links den Platz mit dem Scheibenwischer teilt.

WEITERE VERBESSERUNGEN FEST GEPLANT

Daran wird man sich mit Sicherheit ebenso gewöhnen wie an den neuen digitalen Drehregler im Škoda Superb oder Kodiaq. Die beiden äußeren Regler steuern für Fahrer und Beifahrer die Innenraumtemperatur sowie die Sitzheizung und zeigen jeweils die aktive Funktion an. Der mittlere Drehregler steuert bis zu vier programmierbare Funktionen wie Infotainment-Lautstärke, Luftrichtung oder Klimaanlage. Volkswagen Sprecherin Wiebke Usdowski verrät des Weiteren, dass „eine Verbesserung der Bedienkonzepte in Form von weiteren physischen Buttons für Funktionen wie Heizung, Lautstärke und andere für die nächste Generation in Modellen wie dem ID.2 oder dem T-Roc bereits fest eingeplant“ sei.

Ebenfalls in die Sparte Gesundheit und Wohlbefinden im Lebensraum Auto fällt das Maß an Hintergrundtönen. Selbst nur unbewusst wahrgenommene Abroll- oder Motorgeräusche können zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen führen. Die Auswirkungen auf die Herzfrequenz und den Blutdruck nehmen die wenigsten direkt wahr. Geschweige denn, dass eine gewisse Gereiztheit oder Erschöpfung am Ziel damit in Verbindung gebracht wird. Unter diesem Aspekt müsste es die Akustikverglasung, wie Audi sie serienmäßig für die Frontscheibe des neuen Q5 nutzt, eigentlich auf Rezept geben.

DIE GESTALTUNG DES INNENRAUMS SORGT EBENSO FÜR ENTSPANNUNG

Ganz abgesehen von jeglicher Technik haben die Passagiere natürlich selbst Möglichkeiten, die Anstrengungen des Autofahrens zu reduzieren. Dazu zählen kleine Bewegungsimpulse an der Ampel oder im Stau wie etwa ein bewusstes Aufrichten der Wirbelsäule oder das Anspannen und Lockern der Muskeln zwischendurch ebenso wie ausreichend Versorgung mit Wasser und regelmäßige Pausen.

SO SITZEN SIE RICHTIG

Kopfstütze, Gurt Lehne - unsere Illustration zeigt, wie Sie die perfekte Haltung hinterm Steuer einnehmen. Acht Punkte, von denen ein entspanntes und sicheres Autofahren abhängt:

gutefahrt/091-guf-2025-02_97ec04bdf8c3840417203540317f187dFoto: Felix Küster, Aktion Gesunder Rücken