IAA 2025Streit um Verbrennerverbot spaltet deutsche Autoindustrie

Gute Fahrt

 · 09.09.2025

VW-Markenchef Thomas Schäfer auf der IAA 2025 verteidigt die Elektromobilität als alternativlos
Foto: Volkswagen AG
Der Konflikt um das EU-Verbrennerverbot 2035 spitzt sich zu: Während CSU-Chef Söder und Teile der CDU eine Abkehr fordern, verteidigt VW-Markenchef Schäfer die Elektromobilität als alternativlos. Die Debatte offenbart grundlegende Differenzen in Politik und Industrie über den künftigen Kurs der deutschen Automobilbranche.

Fundamentaler Richtungsstreit zwischen Politik und Industrie

Ein grundlegender Konflikt über die Zukunft der deutschen Automobilindustrie ist entbrannt. Während CSU-Chef Markus Söder das für 2035 geplante EU-Verbrennerverbot kippen will, verteidigt Volkswagens Markenchef Thomas Schäfer den Umstieg auf Elektromobilität als alternativlos. "Der batterieelektrische Antrieb ist perspektivisch alternativlos", erklärte Schäfer am Rande der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München. Die Dekarbonisierung Deutschlands, also die Senkung klimaschädlicher Emissionen, sei nur mit E-Autos erreichbar.

Söder hingegen warnt vor dramatischen wirtschaftlichen Folgen des Verbrenner-Aus. "Der Verbrenner hat mit E-Fuels und neuen Technologien Zukunft. Das EU-Verbrennerverbot 2035 gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze", sagte der bayerische Ministerpräsident. Sollte der Verbrenner auslaufen, drohe ein wirtschaftlicher "Kollaps". In einem Zehn-Punkte-Plan fordert Söder neben dem Kippen des Verbrennerverbots auch eine Reduzierung der CO₂-Einsparziele, einen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos und eine Stärkung der Zulieferindustrie.

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Die Debatte gewinnt zusätzlich an Brisanz durch die aktuelle wirtschaftliche Lage der Branche. Nach einer Ende August veröffentlichten Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY sind binnen eines Jahres etwa 51.000 Arbeitsplätze – sieben Prozent der Stellen – in der deutschen Autoindustrie abgebaut worden. Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Porsche verzeichnen zudem deutliche Gewinneinbrüche.

VW setzt auf Elektromobilität – mit Einschränkungen

Volkswagen-Markenchef Schäfer wirbt entschieden für den Umstieg auf Elektroautos. Diese ließen sich einfacher in hohen Stückzahlen produzieren und seien "besser für die Kunden". Wer Elektroautos ausprobiere, sei meist überzeugt, argumentiert der VW-Manager. Der Konzern plant daher, bis 2027 sieben neue Elektromodelle auf den Markt zu bringen, um den Einstieg in die E-Mobilität zu erleichtern.

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Gleichzeitig räumt Schäfer ein, dass sich die Elektromobilität regional sehr unterschiedlich entwickelt. Während Skandinavien bei der Umstellung auf E-Autos weit fortgeschritten sei, hinke Südeuropa hinterher. In Deutschland habe der Förderstopp der Regierung für E-Autos zusätzliche Unsicherheit bei Kundinnen und Kunden ausgelöst. Diese "erratischen Maßnahmen" hätten den Absatz erschwert.

Trotz des klaren Bekenntnisses zur Elektromobilität setzt Volkswagen weiterhin auf eine Mischstrategie. Der Anteil von Verbrennern (Benziner und Diesel) an den VW-Neuwagenverkäufen in Deutschland liegt aktuell bei etwa 43 Prozent – der Rest entfällt auf Elektro- und Hybridantriebe. Obwohl die Nachfrage nach Verbrennern rückläufig ist, machen sie noch immer einen erheblichen Teil der Neuzulassungen aus.

SPD-Chef Lars Klingbeil unterstützt den Elektrokurs und spricht sich für eine Prüfung weiterer staatlicher Förderungen für Elektroautos aus. "Klar ist, die Zukunft der Automobilbranche ist elektrisch", betonte er. Es gehe darum, zu definieren, was für einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur getan werden kann.

Politische Fronten verhärten sich

Die Debatte um das Verbrennerverbot hat sich zu einem zentralen politischen Streitpunkt entwickelt. Während die CSU und Teile der CDU das Verbrenner-Aus kippen wollen, halten SPD und Grüne grundsätzlich daran fest. "Was wir nicht gebrauchen können, ist Planungsunsicherheit", sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Das Datum 2035 sei schließlich nicht vom Himmel gefallen. Wer daran rüttele, müsse sagen, wie das mit europäischem und nationalem Recht vereinbar sei.

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, betonte ebenfalls, die Autobauer bräuchten Planungssicherheit. Bereits jetzt ermöglichten die EU-Regeln, auch nach 2035 Autos mit Verbrennungsmotoren zuzulassen, wenn sie beispielsweise mit E-Fuels betrieben werden. Zu den Unions-Vorstößen sagte Wiese: "Ich rate zu etwas Zurückhaltung an der Stelle".

Innerhalb der Union gibt es jedoch breite Unterstützung für Söders Position. Baden-Württembergs CDU-Vorsitzender Manuel Hagel forderte Kanzler Friedrich Merz auf, mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "Klartext" über das Verbrenner-Aus zu sprechen. Das Aus müsse weg. "Es schadet der Innovation, schwächt unsere Industrie, gefährdet Tausende Arbeitsplätze und bringt unserem Klima nichts", sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg.

Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze bezeichnete die EU-Zeitvorstellungen als "völlig unrealistisch", da der Verbrenner noch Jahrzehnte lang der wichtigste Antrieb in weiten Teilen der Welt bleiben werde. Auch Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner fordert ein Umdenken.

Internationale Herausforderungen verschärfen die Krise

Neben der Antriebsdebatte sieht sich die deutsche Automobilindustrie mit weiteren internationalen Herausforderungen konfrontiert. In Nordamerika belasten Donald Trumps Strafzölle das Geschäft von Volkswagen. Der Konzern betreibt anderem Fabriken in den USA und Mexiko, die bis zuletzt stark vom Freihandel profitiert haben. Doch nachdem Donald Trump Zölle von 25 Prozent erhoben hatte, kündigte Mexikos Präsidentin Gegenmaßnahmen an.

"Zolleskalationen sind für niemanden gut, vor allem nicht für die Kunden", warnte VW-Markenchef Schäfer. Diese würden bei vielen Herstellern für Mehrkosten sorgen, die sie nicht einfach schlucken könnten. "In den nächsten Monaten ist nicht auszuschließen, dass Preise für neue Autos in den USA generell steigen", prognostizierte er.

Kritik an der aktuellen Debatte kommt von Umweltschützern. "Schon heute reichen die deutschen Maßnahmen nicht aus, um unsere Klimaziele einzuhalten", beklagte Robin Kulpa von der Deutschen Umwelthilfe. "Wenn jetzt an der einzigen konkreten Klimaschutz-Maßnahme im Verkehr, dem Verbrenner-Aus, gesägt wird, dann ist Klimaneutralität nur noch ein Szenario für Sonntagsreden".

Philipp Prein, Sprecher von Agora Verkehrswende, fordert statt neuer Ziele mehr Unterstützung aus der Politik: "Etwa mit Förderprogrammen für kleinere E-Autos, Anreizen für Elektrifizierung von gewerblichen Flotten und Erleichterung beim Preis von Fahrstrom".

Die Debatte dürfte in den kommenden Monaten weiter an Fahrt aufnehmen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat für Oktober einen Autogipfel angekündigt, bei dem die Zukunft der deutschen Automobilindustrie im Mittelpunkt stehen soll. Ob dort ein Kompromiss zwischen den verhärteten Fronten gefunden werden kann, bleibt abzuwarten.


​Im Überblick

  • Streitpunkt: EU-Verbrennerverbot ab 2035
  • VW-Position: "Batterieelektrischer Antrieb ist perspektivisch alternativlos"
  • CSU-Position: "Verbrenner hat mit E-Fuels und neuen Technologien Zukunft"
  • Aktueller VW-Verbrenneranteil: 43 Prozent der Neuwagenverkäufe in Deutschland
  • Söders Forderung: Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung der Autoindustrie
  • Internationale Herausforderungen: US-Zölle, China-Konkurrenz, Energiekosten
  • Arbeitsplatzabbau: 51.000 Stellen (7 Prozent) in einem Jahr

Pro und Contra

  • Elektroautos lassen sich einfacher in hohen Stückzahlen produzieren
  • E-Mobilität ist laut VW "besser für die Kunden"
  • E-Fuels ermöglichen klimafreundlicheren Betrieb von Verbrennungsmotoren

  • Förderstopp für E-Autos hat Unsicherheit bei Kunden ausgelöst
  • Regionale Unterschiede bei E-Mobilität (Skandinavien vs. Südeuropa)
  • Hohe Energiekosten belasten die Produktion in Deutschland
  • Internationale Handelskonflikte (US-Zölle) belasten die Branche