Joshua Hildebrand
· 02.08.2021
Bereicherung im Q-Stall: Audis erstes Kompakt-Elektro-SUV, der Q4 E-Tron, hat Marktreife erlangt! Wir nehmen Sie mit auf unsere erste Ausfahrt an der Ostsee mit dem kompakten Serienmodell als Sportback und SUV
Die Überschrift lässt erahnen: Es wird feucht-fröhlich?! Nun ja, feucht war sie jedenfalls, die Ausfahrt mit dem neuen Audi Q4 E-Tron in der Nähe von Lübeck. Und fröhlich eigentlich auch. Wäre da nicht dieses „Schietwetter“ gewesen. Aber seitdem wissen wir: Regen ist erst, wenn die Heringe auf Augenhöhe vorbei schwimmen. Und sowieso: Das „büschn Wind“ macht ja auch nix, weil Gegenwind formt hier oben den Charakter. Genug der Ostsee-Weisheiten? Sie haben recht. Das ganze Wetter-Gejammere bringt ja sowieso nix. Und im Auto stört‘s ja auch nicht so sehr. Vor allem, wenn man ein hübsches Dach in Form des Audi Q4 Sportback E-Tron über dem Kopf hat. Markante Proportionen mit kurzen Überhängen, großen Räder und kraftvoll ausgeformten Muskeln, sowohl beim SUV als auch beim Sportback, folgen Audis aerodynamischer Designsprache: Das SUV erzielt einen cw-Wert von 0,28, der Sportback sogar von 0,26. Sein Erkennungsmerkmal: die von einem sportiven Heckspoiler geteilte Heckscheibe.
Neu ist auch die hier zu sehende Lackierung namens Auroraviolett von Audi Sport, die vor allem im Sonnenlicht richtig gut zur Geltung kommt. Ebenfalls stolz ist man bei Audi auf die Weltneuheit der einstellbaren Tagfahrleuchten. Wer das LED-Matrixlicht (1.130 Euro) ordert, kann jederzeit aus vier unterschiedlichen Lichtsignaturen wählen – cool! Aber der neue „Q“ ist nicht nur stylisch, sondern auch praktisch: Während im SUV 520 bis 1.490 Liter Gepäck untergebracht werden können, sind es beim Sportback 535 bis 1.460 Liter. Dazu können beide Modelle mit der optionalen Anhängerkupplung 1.000 Kilogramm, respektive 1.200 Kilogramm (mit Quattro) ziehen.
Souveräne Fahrleistungen
Für unsere erste Testfahrt haben wir uns das 40er-Sportback-Modell mit großer 76,6-kWh-Batterie (brutto: 82 kWh), einer 204 PS starken Synchronmaschine (PSM) und Hinterradantrieb geschnappt. Weil diese Motor-Batterie-Kombi laut Audi den größten Marktanteil haben wird.
Glauben wir sofort, als wir die Souveränität des Antriebes genießen: kraftvoll und geschmeidig, sodass wir in 8,5 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen. Maximal sind 160 km/h möglich, die Quattro-Modelle dürfen 180 km/h schnell stromern. Und auch bei hohen Geschwindigkeiten schirmt der Audi störende Außengeräusche effektiv von seinen Insassen ab. Über den Stick in der Mittelkonsole switchen wir zwischen dem D- und B-Modus hin- und her. So lässt sich die Stärke der Energierückgewinnung wählen, im D-Modus dreistufig mittels Schaltwippen.
Obwohl der Kompakt-Neuling aufgrund des Akkus über zwei Tonnen auf die Waage bringt, „fliegen“ wir mit außergewöhnlicher Leichtigkeit übers Ostsee-Hinterland. Der MEB-Baukasten gibt auch hier die Parameter vor, Audi garniert zur Konzerntechnik sein typisch ausgewogenes, luxuriöses Fahrgefühl hinzu. Vor allem mit adaptiven Dämpfern federt der Q4 nach Belieben sanft oder knackig-straff, dann mit noch weniger Seitenneigung. Grundsätzlich liegt der Q4 für ein SUV richtig satt auf der Straße, der tiefe Schwerpunkt und die gleichmäßige Achslastverteilung durch die zentrale Einbaulage der Hochvolt-Batterie helfen ungemein. Auch das hochwertige Fahrwerkslayout bestehend aus McPherson-Vorderachse und Hinterradaufhängung in aufwändiger Fünf-Lenker-Konstruktion. „Unser“ 40er-Modell rollt auf optionalen 20-Zöllern und Mischbereifung, die hinteren Reifen der Antriebsachse sind etwas breiter als vorne, was dem Ingolstädter eine gute Fahrstabilität und Sportlichkeit verleiht – erst recht, wenn die Progressivlenkung (Serie bei den Quattro-Modellen) verbaut ist. Sie vermittelt im Vergleich zur konventionellen, elektrischen Servolenkung noch mehr Feedback in schneller gefahrenen Kurven. Im Gegensatz zum SUV hat das Sportback-Modell auch das Fahrmodi-Programm „Drive Select“ gleich serienmäßig an Bord. Letztlich muss man sagen, dass sich beide Karosserieformen ähnlich-dynamisch pilotieren lassen, den Allradantrieb braucht es in den meisten Alltagssituationen nicht unbedingt. Auch nicht überdimensionale Bremsen, weil das Verzögern die E-Maschine übernimmt (bis max. 0,3 g) und Energie zurück in den Akku speist. Deshalb finden sich an der Hinterachse des Q4 auch Trommelbremsen. Das Einsetzen der Radbremsen ist selbst mit sensiblem Popometer kaum spürbar. Dafür aber umso mehr die extreme Wendigkeit, die Audi mit 10,2 Metern Spurkreisdurchmesser in Zahlen fasst. Spielend einfach rangieren? Geht mit ihm super easy. Wie auch das Laden mit maximal 125 kW (100 kW beim 35er). So gewinnt der 40 E-Tron in knapp über zehn Minuten rund 120 Kilometer Reichweite. Die Ladung von fünf auf 80 Prozent (SoC) gelingt damit bestenfalls in rund 45 Minuten. Mit serienmäßigem 11-kW-Onbord-Lader dauert die gleiche Situation ungefähr zehn Mal so lange. Immerhin haben Pendler und Kurzstrecken-Fahrer bei vollem Akku recht lange Ruhe, denn die Reichweite wird seitens Audi mit gut 500 WLTP-Kilometern angegeben. Ob‘s stimmt, wird der folgende Test zeigen. Förderlich sind jedenfalls ein milder Gasfuß, moderate Temperaturen und die optionale Wärmepumpe, die 990 Euro extra kostet.
Platz wie in der Oberklasse
Kurze Pause. Zeit, um etwas genauer hinzuschauen. Kaum zu glauben, wie viel Platz der eigentlich mit 4,59 Meter Länge kompakt bemessene Q4 bietet. Weil der Radstand mit 2,76 groß ausfällt und keine konventionelle Antriebstechnik unter einem platzraubenden Mitteltunnel untergebracht werden muss. Ja, der Q4 übertrifft Klassengrenzen. Die Innenlänge beträgt 1,80 Meter, das Platzangebot ist annähernd so großzügig wie in einem aktuellen Q7. Nicht nur auf den vorderen Sitzen ist das Raumgefühl luftig, auch die Passagiere im Fond profitieren von gewonnenem Raum.Die Instrumententafel ist zum Fahrer hin orientiert. Sie ist in separate Bereiche aufgeteilt und integriert zwei Displays, die gleichzeitig Designelemente sind.
Ein Highlight ist die schwebende Mittelkonsole, mit ergonomisch gut platzierten Bedienelementen. Ins Auge sticht auch das neuartige Lenkrad, das in der Topversion nicht nur unten, sondern auch oben abgeflacht ist und extravagant wirkt. Es liegt gut in der Hand, die beleuchteten Touch-Bedienflächen darauf sind allerdings eher ein Stylefaktor, die in Sachen Funktionalität haptischen Tasten nicht folgen können.
Wer Audi kennt, wird beim Q4 keine Berührungsängste verspüren. Vieles ist vertraut, einiges neu. Wie auch das Cockpit in Diamantform, dass serienmäßig ein 10,25 Zoll großes Digitalinstrument beherbergt und im Falle von IN-Q-4034E dem 11,6 Zoll großen Touch-Display zur Seite steht – übrigens das Größte, das je in einem Serien-Audi eingebaut wurde. Davor: ein neuartiges Augmented-Reality-Head-up-Display, dessen Fahr-Infos sich so in der Windschutzscheibe spiegeln, so dass sie mit der Realität zu verschmelzen scheinen. Über das aus dem Audi A3 bekannte Kreisrund-Touchfeld stellen wir etwa die Musik lauter, die erstmals aus Sonos-Lautsprechern tönt. Aber natürlich bietet der Q4 auch ein breites Angebot an serienmäßigen Assistenzsystemen, wie den prädiktiven Effizienzassistenten sowie optionale Systeme. Zum Beispiel den adaptiver Fahrassistenten, der teilautonomes Fahren übernehmen kann.
Wer noch mehr Power und Allrad möchte, der greift zum derzeitigen Topmodell 50 Quattro mit knapp 300 PS. Bis zum Druckschluss konnte ausschließlich das SUV-Modell in drei Leistungsstufen als S Line oder Advanced konfiguriert werden, zusätzlich zur Markteinführung als exklusiv ausgestattete Edition One in Geysirblau und Taifungrau. Den Q4 E-tron bekommt man ab 41.900 Euro, der Sportback kostet ab 43.900 Euro. Nun aber genug gestromert: Jetzt geht‘s ab ans Meer!