Arne Olerth
· 01.10.2021
Betörend wie ein Coupé und praktisch wie ein Kombi: Fließheck-Limousinen sprechen Kopf und Bauch zugleich an. Heute fordert der VW Arteon den Platzhirsch Audi A5 Sportback heraus
Sie schätzen das Besondere? Dann sind Sie hier richtig: Viertürige Coupés – oder Fließheck-Limousinen – sind ein klarer Fall für den automobilen Feinschmecker: Mit der hinreißenden Eleganz eines Coupés verwöhnen sie das Auge des Betrachters ohne dessen Zugeständnisse in Sachen Alltagstauglichkeit zu erfordern. Fondpassagiere genießen das gleiche Raumangebot wie bei einer Stufenheck-Limo, profitieren beim Einsteigen von eigenen Türen. In Sachen Gepäckraum-Praktikabilität sortiert sich die feine Karosserieform dafür nahezu bei den Kombis ein, lässt sie sich doch durch die am Dach angeschlagene Heckklappe leicht beladen. Sie kann zudem mehr Gepäck als die Stufenheck-Limousine transportieren. Sicher: Der Kombi bietet bei dachhoher Beladung noch einmal mehr Volumen. Doch mal ehrlich: Wie häufig nutzt man das Angebot tatsächlich aus? Die neue Kommode könnte man sich schließlich auch liefern lassen, was vielleicht einmal im Jahr vorkommt. Dafür schmeichelt das elegante Viertür-Coupé dem Betrachter jeden Tag.
Im VW-Konzern erschloss Audi mit dem A5 Sportback 2009 erstmals in der Mittelklasse dieses Segment. Sehr erfolgreich im übrigen, seit 2016 in zweiter Generation. Zum Modelljahr 2020 spendierten die Bayern ein großes Facelift. Und Volkswagen? Zog 2017 mit dem Arteon nach. Zwar gab es davor den Passat CC, aus dem später der CC hervorging, doch bot der eben nicht die praktische, lange Heckklappe. Auch der Arteon wurde bereits modellgepflegt – zum Modelljahr 2021. Höchste Zeit für einen Vergleichstest der beiden Beaus.
Längs- oder Quermotor?
Beide werden bevorzugt auf der Langstrecke eingesetzt, weshalb sie hier mit ultramodernen Zweiliter-TDI-Evo-Motoren antreten. Diese sind nicht nur besonders effizient, sondern zeigen dank doppeltem SCR-Kat-System (Twindosing) auch eine blütenweiße Weste. Dem gehobene Anspruch entsprechend wählten wir die 200-PS-Klasse, in der das Doppelkupplungsgetriebe von Haus aus dabei ist.
Volkswagen bietet den Arteon mit quer eingebauten Vierzylinder-Motoren (TSI/TDI) zwischen 150 und 320 PS sowie einem Plug-in-Hybriden an, Audi bringt neben Vierzylindern (TFSI/TDI) auch die dicken V6 (TFSI/TDI) des Hauses unter – mit bis zu 450 PS. Alternativ steht ein CNG-Motor (G-Tron) zur Wahl.
47.950 Euro kostet der A5 Sportback 40 TDI S-Tronic, nur 25 Euro mehr als der Arteon 2.0 TDI DSG. Doch ist das nur die halbe Wahrheit, denn der 200-PS-TDI ist bei VW nicht für die Basislinie Arteon verfügbar, kommt hier als nobler Elegance. Der VW bietet im Vergleich zum Audi 18 statt 17-Zoll-Alus, ein digitales Cockpit, Leder/Microfaserbezüge, ein Navi – kurz: Ausstattungsbereinigt ist der VW deutlich günstiger als der Premium-Bruder. Zum Test trat der Audi in der höheren Ausstattungslinie Advanced an, zudem war nur ein Quattro-Testwagen verfügbar. Macht 51.300 Euro.
Bildschön gezeichnet sind beide, doch der Volkswagen dreht die Köpfe stärker. Einerseits fällt er eine ganze Ecke größer aus, ist elf Zentimeter länger, drei breiter und deren sechs höher. Zudem trägt er die effektheischende Schnauze mit reichlich Chrom-Ornat über die ganze Breite. On top gibt es hier eine durchgehende Tagfahrlicht- Spange. Die Sonderlackierung „Eisvogelblau-Metallic“ sowie die 20-Zoll-Optionsfelgen „Nashville“ adeln den Niedersachsen endgültig zum Eyecatcher. Der A5 wählt hier den distinguierten Auftritt – alles eine Frage des Geschmacks.
Das Raumangebot in Reihe eins fällt vergleichbar aus, wenngleich der Audi den Piloten tiefer integriert. Dafür bietet der VW zwei Fingerbreit mehr Innenraumbreite. Der Pilot blickt hier auf ein gradlinig designtes Cockpit in mustergültiger Verarbeitung. Hier steht er dem Premium-Bruder nicht nach. Dessen Cockpit zeigt sich organisch geschwungen. Der zentrale Touchscreen wirkt vergleichsweise aufgesetzt, bietet durch seine hohe Position aber eine etwas bessere Ablesbarkeit. Das Klima-Bedienfeld darunter kommt mit fein rastenden Reglern, ist im Betrieb etwas leichter zu bedienen als die Touch&Slide-Unit des Volkswagen. Noch deutlicher sind die Unterschiede beim Multi-Lenkrad: Die Touchflächen des VW-Volants mögen moderner erscheinen, eindeutiger bedienbar aber sind die klassischen Tasten des Audi. Auch die Steuerung des Radar-Tempomaten ACC gelingt mit einem separaten Lenkstockhebel (Audi) etwas intuitiver als mittels Lenkrad-Touchfeldern (VW). Head-up-Displays gibt es hüben wie drüben optional – Audi projiziert auf die Frontscheibe, VW nutzt eine kleine ausfahrende Scheibe davor. Das spart Kosten im Falle eines Scheibentauschs, sorgt bisweilen aber für leichte Unschärfen durch Motorvibrationen.
Der Komfort der Optionssitze (Audi: Sportsitz & Komfortpaket Sitze; VW: ErgoComfort-Sitz) fällt genauso mustergültig aus wie der Seitenhalt. Vielfältig einstellbar, die Kopfstützen sogar vertikal, versüßen sie lange Fahrten. Ähnlich dimensioniert wie der VW-Sitz kann der Sport-Fauteuil des Audi zusätzlich in der Sitztiefe verstellt werden.
Unterschiede im Fond
Dürften die Fondpassagiere wählen, so fiele die Entscheidung zugunsten des Wolfsburgers aus, reicht er doch seine größere Aufbaulänge direkt an diese weiter. Der Arteon bietet satte zehn Zentimeter mehr Kniefreiheit als der gewiss nicht enge A5 Sportback. Dessen Bank ist stärker ausgeformt, integriert zwei Fahrgäste stärker als der Arteon. Hier sitzen sie mehr auf der Bank. Daher reist es sich hier, auch durch die etwas größere Innenraumbreite, zu fünft bequemer als im A5. Der platziert zwei Fondpassagiere weiter innen, wodurch der Dacheinzug den Köpfen weniger nahe kommt als im Volkswagen. Hier wie dort finden im Fond auch ausgewiesene Sitzgrößen komfortabel Platz. Die Aussicht durch die sehr flachen Seitenscheiben fällt aber eher mau aus – ein Zugeständnis an die aufregende Coupéform.
Weit aufschwingend geben beide Heckklappen den Blick auf die großzügigen Kofferräume frei. Der VW kann sich mit 563 Liter vom Audi (465 Liter) absetzen. Vorteil Audi: Das Gepäckabteil liegt etwas höher hinter der Ladekante – ein rückenschonendes Argument. Beide Autos bieten eine Erweiterung durch eine geteilt umlegbare Lehne nebst Durchlade. Im Gesamtvolumen liegt auch hier der VW klar vor dem Audi. Sollte das nicht reichen, nehmen beide bis zu 1,8 Tonnen an den Haken, bei Front-Antrieb reduziert Audi die Anhängelast um 100 Kilo.
Bedeutsamer für die meisten Interessenten dürften freilich die Fahreigenschaften sein: Können die Probanden ihr sinnliches Auftreten auch in ein entsprechendes Fahr-Vergnügen ummünzen?
Der Audi mit Quattro Ultra-Antrieb hat im Standardsprint klar die hübsche Nase vorn: Mit 7,3 Sekunden ist er eine halbe Sekunde schneller auf Tempo Einhundert als der Arteon, dabei verfehlt er die Werksangabe sogar noch um 0,3 Sekunden. Sein Allradantrieb setzt die 400 Newtonmeter des 2.0 TDI schlicht verlustärmer in Vortrieb um. Noch dazu wiegt der A5 weniger. Weiter geht´s bis Tempo 242 – sofern die Serien- Leichtlaufbereifung abgewählt wurde. Diese spart 0,2 Liter Kraftstoff nach Norm, beschränkt den A5 aber auf 210 km/h. Mit 234 Stundenkilometern Spitze zeigt sich auch der Arteon mehr als ausreichend schnell.
Jetzt der Handlingparcours: Der VW lenkt mit seiner Serien-Progressivlenkung spontan ein, unterstützt von den Niederquerschnittspneus der 20-Zoll-Optionsräder. Wankbewegungen werden von dem empfehlenswerten DCC-Fahrwerk kaum zugelassen, die elektronische Diff-Sperre XDS (Aufpreis) sichert dem Fronttriebler bestmögliche Traktion. Derart ausstaffiert serviert die Schrägheck-Limousine enorm viel Fahrfreude, lässt beachtliche Kurvengeschwindigkeiten zu, ehe sanftes Untersteuern Tempo-Überschüsse abbaut.
Jetzt der Audi. Schnell wird klar, dass der großartige Arteon im Direktvergleich nicht ganz mit dem A5 mit seinem noch aufwendigeren Fahrwerk mithalten kann. Dessen Antrieb hängt zudem aufmerksamer am Gas, das Fahrverhalten hinterlässt einen noch verbindlicheren und aktiveren Eindruck als das des Arteon. Zusammen mit der tiefen Integration des Fahrers in das Cockpit markiert der A5 klar die Fahrmaschine. Auch hier bekommt die Dämpferregelung eine klare Empfehlung.
Handlingfreude und Langstreckenentspannung
Auf Knopfdruck verschwindet jedwede Härte aus dem System – hallo Langstrecke. Der Arteon serviert hier einen sänftenartigen Komfort. Gleichwohl kostet ihn das trockene Anfedern der 20-Zöller bei langsamer Fahrt einige Punkte. Komfortfans sollten hier eine Nummer kleiner wählen. Der Audi gleitet noch gelassener über kleine Unebenheit hinweg, gewinnt die Kapitelwertung daher knapp.
Dafür muss er häufiger an die Zapfsäule, bietet der VW doch den größeren Tank. Im Verbrauch liegen beide mit klasse 6,3 und 6,4 Liter aber in etwa gleichauf. Audi kompensiert die Effizienznachteile des Allradantriebs mit viel Ingenieursleistung: Zum einen wird der Quattro nur situativ zugeschaltet, Audi nennt das „Ultra“. Zum anderen ist der TDI hier als Mild-Hybrid mit Riemen-Starter-Generator ausgebaut. Der kann nicht nur rekuperieren, sondern den TDI auch blitzschnell anwerfen. Daher schaltet der A5 häufig den Verbrenner im Schiebebetrieb ganz aus – auch bei Tempo 160. In Summe führt dies zu einem erstaunlich niedrigen Verbrauch, der auch auf fünf Liter fallen kann. Das gelingt auch dem Arteon.
Natürlich sind für beide Schräghecklimousinen modernste Assistenten verfügbar. Auf Wunsch lenken, bremsen und beschleunigen beide Beaus automatisiert, regulieren nachts automatisch die Ausleuchtung der Fahrbahn, erfassen Verkehrszeichen mit der Kamera und vieles mehr. Die Konzernbrüder bündeln die Helfer in Paketen.
Für welche Schräghecklimousine Sie sich auch entscheiden, Sie treffen eine gute Wahl. Und verleihen zudem Ihrem guten Geschmack Ausdruck.