Audi A4 Avant 35 TFSI S-TronicPremium-Kombi mit Basis-Motor – ein Widerspruch?

Martin Santoro

 · 18.02.2022

Audi A4 Avant 35 TFSI S-Tronic: Premium-Kombi mit Basis-Motor – ein Widerspruch?Foto: Jan Bürgermeister

Der 150 PS-Benziner ist die günstigste Möglichkeit, einen edlen Audi A4 Avant zu fahren. Audi hat den Basis-Antrieb mit einem 12-Volt-Mild-Hybrid-System abgeschmeckt

Das Angebot an Triebwerken und Sonderausstattungen beim Audi A4 Avant lässt wirklich nichts zu wünschen übrig. Und wenn es ums Ganze geht, zum Sechszylinder, Allradantrieb und jeder Menge Luxus gegriffen wird, ist die Freude über einen kompakten Edel-Kombi der Extraklasse besonders groß. Dass dies allerdings seinen Preis hat, ist logisch. Aber es müssen ja nicht gleich 75.000 Euro für 286 PS mit Vollausstattung wie beim S-Line 50 TDI Quattro investiert werden, um in den Genuss eines A4 Avant zu kommen. Es geht auch deutlich günstiger.

Audi A4 Avant 35 TFSI S-Tr. Advanced
Foto: Jan Bürgermeister

Denn auch die Vierzylinder sind eine Überlegung wert, egal ob Benziner oder Diesel. Aus diesem Grund soll beim Testdurchlauf mit dem Einstiegs-Avant aufgezeigt werden, wie viel Leistung es tatsächlich braucht, ob getrost auf den Allrad- antrieb verzichtet werden kann und man sich statt dessen wohl dosiert bei den Sonderwünschen bedient.

Für den schlichten Basis-A4 Avant 35 TFSI mit 150 PS, Frontantrieb und Sechsgang-Handschaltung sind mindestens 36.900 Euro anzulegen. Unser Testwagen A4 Avant 35 TFSI mit wählbarer Siebengang-S-Tronic kommt in der mittleren Ausstattungslinie „Advanced“ laut Liste auf 40.200 Euro. Mit an Bord sind hier gleich 17-Zoll-Aluräder im 5-Arm-Dynamik-Design samt 225/50er Pneus. Zum schicken Exterieur gehören spezifische Anbauteile wie eine schwarze Dachreling, verbreiterte Schwellerleisten und Zierrat in mattem Aluminiumsilber plus Titanschwarz lackierte Elemente. Eine Ausnahme bildet der verchromte Rahmen des Singleframe-Grills.

Vom Start weg eine gute Ausstattung

Dieser A4 kommt gleich mit elektrisch einstell- und beheizbaren Außenspiegeln, Klimaautomatik und Frontscheibe in Akustikverglasung. Zur recht kompletten Grundausstattung gehören auch Tempomat, Fahrer- informationssystem, DAB+-Radio, Audi Connect-Basisdienste sowie der Kollisions-Assistenz „Pre Sence City“, der bei Bedarf das Fahrzeug voll verzögert. Wie alle A4 ist auch der 35 TFSI mit einfachen LED-Scheinwerfern ausgestattet. Hierbei tendieren wir allerdings eher zu Matrix-LED-Scheinwerfern mit vollumfänglichen Ausleuchtmöglichkeiten, welche zu 1.590 Euro ein hohes Maß an Sicherheit beim Fahren bieten. Nicht verzichten würden wir auch auf die Drei-Zonen-Kimaautomatik zu 695 Euro, das praktische Ablage- und Gepäckraumpaket (190 Euro) sowie das Komfortfahrwerk mit Dämpferregelung (1.030 Euro). Komfortseitig sollte man sich noch die vordere Mittelarmlehne und die wunderbar konturierten Sportsitze (375 Euro) mit variablen Kopfstützen (125 Euro) gönnen. Wer jetzt noch etwas Luft hat, darf je nach Gusto gerne auch zu den netten elektronischen Helfern der Aufpreisliste greifen, mit denen der A4 Oberklasse-Niveau erreicht. In den beiden Assistenzpaketen „Stadt“ (1.120 Euro) und „Tour“ (1.300 Euro) ist alles enthalten, was man im Alltag an elektronischer Fahrunterstützung gebrauchen kann – vom prädiktiven Effizienzassistenten bis hin zum Querverkehrswarner beim Ausparken. Und siehe da, erweitert um noch weitere feine Extras steht ein edler A4 Avant, wie unser Testwagen in Tangorot Metallic, für 54.700 Euro in der Garage.

Im Preis enthalten ist ein hochmo­derner Turbo-Benzinmotor mit vielen technischen Feinheiten, die ihn Euro 6d-ISC-FCM-sauber und sparsam machen sollen. Anders als bei gleichstarken Konzerngeschwistern nutzt Audi in der 150 PS starken Leistungsstufe statt des 1,5-Liter-Benziners für den A4 einen längs eingebauten Zweiliter-Vierzylinder – ein klares Statement zur höheren Positionierung in der gehobenen Mittelklasse. Audi gibt dem Motor mit effizientem Miller-Brennzyklus ein maximales Drehmoment von 270 Nm ab 1.300 bis 3.850/min mit auf den Weg, womit die Auslegung des Triebwerks schon bei relativ niedrigem Drehzahlniveau ein kräftiges Drehmoment sicher stellt.

Kaum vernehmlich schnurrt der Motor im Leerlauf, reagiert dazu spontan auf Gasbefehle und ist äußerst drehwillig. Erst bei knapp 6.500 Umdrehungen läuft der Vierventiler sanft in die Abregelung, offeriert dazu sehr gute Durchzugswerte. Wir montieren die Messanlage und begeben uns auf die Teststrecke. Beim Standardsprint aus dem Stand auf 100 km/h ist die schiere Leistung sowie die Traktion des Frontantriebs bei deaktiviertem ESC gefragt.

Der Zweiliter-Turbo agiert laufruhig und durchzugsstark

Und los geht’s. Das Anfahren gelingt bei wenig Schlupf, nach 4,2 Sekunden sind 60 km/h erreicht, nach 9,0 Sekunden fällt die 100er-Marke. Kräftig im Futter stehend, unterbietet der Audi die Werksangabe um zwei Zehntel. Ja selbst im oberen Geschwindigkeitsbereich legt der Turbo noch ordentlich nach, geht zügig über die 180er Hürde und erreicht mit etwas Anlauf sein elektronisch abgeregeltes Spitzen­tempo von 210 km/h. Subjektiv besteht nie der Eindruck, mit diesem Avant untermotorisiert zu sein. Durch sein sattes Drehmoment hat er leichtes Spiel mit den 1,6 Tonnen Gewicht.

Zudem steckt auch noch eine ausgebuffte Spritspartechnologie im A4. Wie bei den stärkeren Motorisierungen residieren bereits beim 35 TFSI die Starterbatterie sowie eine kompakte Lithium-Ionen-Batterie im Kofferraum – zu Lasten eines Reserve­rads, das keinen Platz mehr findet. Der Lithium-Ionen-Akku ist Teil eines 12-Volt-Mild-Hybrid-Systems (MHEV), quasi die Basis-Version der Elektrifizierung per Riemen-Starter-Generator (RSG), der über einen Keilrippenriemen direkt mit der Kurbelwelle verbunden ist. Beim Verzögern wird rekuperierte Energie von bis zu fünf kW Leistung in der Lithium-Ionen-Batterie mit 10 Ah Kapazität gespeichert und zum Motorstart genutzt.

Intelligente Spritspar-Systeme

Geht der Fahrer zwischen 55 und 160 km/h vom Gas, kann der A4 mit deaktiviertem Motor frei segeln. Bei abermaligem Gasge­ben wird der Motor dank des RSG fast unmerklich gestartet und angekoppelt. Außerdem gibt es den sogenannten prädiktiven Komfortstart: Hier startet der Motor, sobald sich das vorausfahrende Auto in Bewegung setzt, auch wenn die Bremse noch getreten ist. Der dazu erforderliche, nicht unerhebliche Aufwand wird mit einem zweiten 12-Volt-Netz betrieben. Lohnt der hohe Aufwand für ein Glas Sprit von 0,3 Liter, wie Audi verspricht? Wir sagen, ja! Unser Testverbrauch lag mit 6,9 Liter wie gewohnt etwas über der WLTP-Werksangabe von 6,3 Liter. Nicht zu viel für einen derart flotten Benziner im geräumigen Avant. Zumal die MHEV-Technik sich keineswegs durch ein Spardiktat in Szene setzte. Soll heißen: Auch dieser Audi pflegt den fahraktiven Charakter der Marke.

Also gibt es beim Fahren wenig Überraschungen. Wie auch? Der A4 fährt, federt und kurvt absolut auf der Höhe der Zeit. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist sauber abgestuft, schaltet blitzschnell und agiert nicht hektisch. Die Lenkung bietet klare Rückmeldung, das Fahrverhalten ist ungemein präzise und leichtfüßig. Dazu serviert der A4 einen erlesenen Fahrkomfort, gerade auch wegen des im Testwagen verbauten Komfortfahrwerks mit Dämpferregelung – trotz 18-Zoll-Winterbereifung. Im Dynamik-Modus bietet er jene Straffheit, die dynamisch-engagierte Fahrer wünschen – ohne übertriebene Härte. Und was bietet das Interieur? Wie gewohnt wirkt das Cockpit aufgeräumt und alles ist wie von Audi nicht anders zu erwarten penibel und hochwertig verarbeitet. Der 10-Zoll-Bildschirm auf der Instrumententafel bringt die volldigitale MMI-Touch-Technologie aus Audis Oberklasse in den A4. Das intuitiv bedienbare Display bildet mit einfacher Menüstruktur die zentrale Schnittstelle zwischen Fahrer und Auto. Auch bei anderen Teilen des Infotainments lässt sich Audi von der Smartphone-Welt inspirieren. MMI Plus und das Smartphone Interface lassen sich auf Wunsch auch nach dem Autokauf aktivieren. Hinter den Kulissen arbeitet die Infotainment-Hardware der neuesten Generation, kurz MIB3, womit eine vollvernetzte Basis für die Onlinedienste besteht. Das System unterrichtet etwa in Echtzeit über freie Parkplätze, Gefahrenstellen und Staus.

Man kommt also ausgezeichnet klar mit dem A4 Avant 35 TFSI S-Tronic. Er ist ein ausgewogener Allrounder, meistert den Alltag mit den Fahrten zum Büro genauso wie die Urlaubsfahrt samt Familie: 495 bis 1.495 Liter Gepäckraum sollten für die große Reise genügen.

Das andere Kombis noch mehr laden können, ist keine neue Erkenntnis. Und auch kein Kaufhindernis, denn der alte Audi-Slogan trifft heute mehr zu denn je: Schöne Kombis heißen Avant! Nicht zuletzt deshalb ist der A4 mit hohem Heck immer noch eine empfehlenswerte Alternative zur Gattung SUV.


Test kompakt:

Mehr A4 Avant ist für entspanntes Reisen nicht nötig. Der fein abgestimmte Zweiliter-Turbo-Vierzylinder mit 150 PS vereint Laufruhe, Drehfreude, Drehmoment und geringen Verbrauch in fast idealer Weise. Dazu gesellen sich hochwertige Verarbeitung, beste Materialwahl, erstklassiger Komfort, intuitive Bedienung und volldigitale Vernetzung. Obendrein gewährt Audi bereits beim Basis-Kombi vollen Zugang zur fast grenzenlosen Liste an Sonderausstattungen.