Text: Wolfgang Schäffer
Von den Anfängen in der Zona Franca in Barcelona bis zu den heutigen Werken in Martorell und El Prat de Llobregat – Seat hat sich als Maßstab für die Industrialisierung Spaniens etabliert. Und nicht nur das: Das Land ist in den siebeneinhalb Jahrzehnten, seit es Seat gibt, zum zweitgrößten Automobilhersteller Europas und neuntgrößten der Welt aufgestiegen.
Grund genug also, einmal zurückzublicken. Als erstes Modell rollte 1953 der 1400 vom Band. Der Viertürer mit einem 44 PS starken 1,4-Liter-Vierzylinder war bis 1957 schlichtweg „der Seat“, da es kein weiteres Fahrzeug der Marke gab. Der 600, baugleich mit dem zwei Jahre zuvor vorgestellten Fiat 600, erweiterte dann das Angebot. Der Kleinwagen markierte den eigentlichen Start Spaniens in die individuelle Motorisierung. Der Preis war so gestaltet, dass sich Familien aus der Mittelschicht erstmals ein eigenes Fahrzeug anschaffen konnten. Gebaut wurde der Kleine mit unterschiedlichen Antriebsstärken und entsprechend anderen Bezeichnungen bis 1973.
Einen besonderen Höhepunkt der 75-jährigen Unternehmensgeschichte brachte das Jahr 1982. Für den Besuch des Papstes Johannes Paul II. in Barcelona im Oktober und November bauten die Techniker einen Seat Marbella zum Papamobil um. Der Grund dafür war allerdings nicht, dass Vertreter des Vatikans dem spanischen Unternehmen eine besondere Ehre erweisen wollten. Stattdessen stellte sich bei den Vorbereitungen ein technisches Problem heraus. Der Heilige Vater sollte mit dem Papamobil in die Stadien der beiden Fußballvereine FC Barcelona (Camp Nou) und Real Madrid (Santiago Bernabéu) einfahren, um dort mit Jugendlichen zusammenzutreffen und eine Messe zu zelebrieren. Der normalerweise vom Papst genutzte und mit entsprechenden Sicherheitsfeatures ausgerüstete Mercedes 230 G war jedoch zu hoch, um die Einfahrten in die Stadien passieren zu können. In gerade einmal 15 Tagen schafften es die Seat-Ingenieure, den Marbella zum „Papamóvil“ umzurüsten.
DESIGN-IKONE GIUGIARO ZEICHNETE EINST DIE KAROSSERIE DES IBIZA – MIT MOTOREN VON PORSCHE
1982 endete auch die langjährige Kooperation mit Fiat. Was die erste Eigenentwicklung zur Folge hatte: Mit externen Partnern wurde der Ibiza konstruiert. Die Karosserie zeichnete Giorgetto Giugiaro, der unter anderem auch den VW Golf entworfen hatte. Drei Benzinmotoren mit 1,2, 1,5 und 1,7 Litern Hubraum stammten von Porsche und wurden unter der Bezeichnung System Porsche vermarktet. Der Name des Sportwagenherstellers trug maßgeblich zum großen Erfolg des Ibiza der ersten Generation bei (bis 1993).
Die Ingenieure des Martorell Technical Center schafften es sogar, die Leistung von 85 PS der Vergaserversion auf 100 PS zu steigern. Der Name der Sportversion: Ibiza Sxi. Der Wagen wurde auch in Deutschland angeboten, da Seat hier seit März 1983 über eine Importgesellschaft Autos verkaufte. Seit der Gründung von Seat Deutschland GmbH im Jahr 1986 hat sich Deutschland zum wichtigsten Markt für den spanischen Hersteller entwickelt.
Während heute die vor gut sieben Jahren gegründete Marke Cupra mit den Modellen Born und Tavascan für die E-Mobilität des Unternehmens steht und in Deutschland ebenfalls enorm erfolgreich ist, war Seat bereits 1992 elektrisch unterwegs. Für die in Barcelona ausgetragenen Olympischen Spiele entwickelten die Ingenieure einen Toledo mit E-Antrieb. Als Hauptsponsor des in aller Welt beachteten Sportevents wollte sich Seat entsprechend ins Rampenlicht bringen. So rollte der mit Strom betriebene Toledo als Führungsfahrzeug vor den Marathonläufern. Die Reichweite war so berechnet, dass etwas mehr als die 42,195 Kilometer zu schaffen waren. Auch damals legten sich die Ingenieure mächtig ins Zeug und setzten die Elektro-Idee in gerade einmal drei Monaten um.
Inzwischen ist im Seat-Stammwerk in Martorell auch die Planungszentrale für kleine und vor allem bezahlbare Elektroautos der Marken VW, Cupra und Škoda angesiedelt. Die neue „Electric Urban Car Family“ auf der MEB-Small-Plattform umfasst nach derzeitigem Plan insgesamt vier unterschiedliche Modelle: den Cupra Raval, den VW ID2all, ein kleines VW SUV und einen Škoda. Gebaut werden die Autos in Spanien und Portugal.