VW T6.1 Multivan Family 2.0 TDI (110 PS) – Der Volks-Bulli

Arne Olerth

 · 18.12.2020

VW T6.1 Multivan Family 2.0 TDI (110 PS) – Der Volks-BulliFoto: Jan Bürgermeister

Volkswagen Nutzfahrzeuge bereitet seinen Fans eine ganz besondere Bescherung: den T6.1 Multivan Family für sensationelle 37.000 Euro. Preiswertes Universaltalent oder Mogelpackung – GUTE FAHRT macht den Test

er Bulli – ein Problemlöser, eine Weltanschauung, ein Idol: Kaum ein Familienvater, der den raumgewaltigen Universal-Transporter nicht schon einmal auf seiner Wunschliste hatte – und das seit sieben Jahrzehnten schon. Heute hört das Schweizer Taschenmesser unter den Großraum-Autos auf den Namen T6.1 Multivan. Fünf bis sieben Passagieren nebst Gepäck finden komfortabel Platz, der Bulli kann blitzschnell an sämtliche Transportbedürfnisse angepasst werden. Und da mobile Freizeit quasi zur Marken-DNA von VW Nutzfahrzeuge gehört, gibt es Tisch und Bett en top. Wahrhaft multi also, die Einsatzmöglichkeiten des VW-Vans.

Auch in der GUTE FAHRT-Redaktion ist der Multivan ein gern gesehener Gast. Die letzten Testwagen waren mit starken Motoren, Automatikgetriebe, LED-Licht, Adaptiv-Fahrwerk, Leder, Zweifarb-Lackierung und High- End-Navi wahrhaft verlockend ausgestattet. Doch die Preisliste ist unerbittlich, stempelt solche Highend-Bulli oft zum unerreichbaren Traum. Selbst beim Verzicht auf Luxus-Optionen startet der universelle Multivan Comfort­line immer noch knapp unter 50.000 Euro, der Basis- Multivan Trendline bei etwa 42.500 Euro – zu viel für viele. Doch Freunde, es tut sich etwas: VW Nutzfahrzeuge hat spitz kalkuliert und bietet mit dem Multivan Familiy einen neuen, preisaggressiven Einstieg an. Mit nicht einmal 37.000 Euro Grundpreis, präzise 36.975 Euro, rangiert dieser Bulli nur wenig oberhalb des klassischen Familien-Kombi Passat Variant. Der Traum vom eigenen Multivan rückt damit in greifbare Nähe. Doch wie viel Federn musste er durch den Rotstift lassen, werden seine universellen Talente gar beschnitten?

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Foto: Jan Bürgermeister

Schmuck sieht er aus, der Einstiegs-Multivan – erst recht in der Lackierung Kirschrot. Die kostet keinen Cent Aufpreis und erstreckt sich auch über die Stoßfänger vorne und hinten – von Tristesse also keine Spur. Griffe und Spiegel kommen unlackiert in Schwarz, bilden damit einen reizvollen Kontrast zum rot lackierten Korpus. Felgen? Hat er. Spaß beiseite: Stahl statt Aluminium und mit 16 Zoll brav dimensioniert. Leichtmetall und größeren Durchmesser gibt es optional, doch hey: Wir wollen den volksnahen Preis nicht durch Eitelkeit trüben. Und kleine Felgen heben ganz nebenbei den Federungskomfort.

Nicht nur optisch ansprechend

H7-Scheinwerfer sind Serien-Standard, LED-Technologie ist auch optional nicht verfügbar – weder vorne noch hinten. Ein Alleinstellungsmerkmal des Family. Doch kommt man auch mit H7-Licht gut durch die Nacht. Öffnen wir die leichtgängige Schiebetür. Der erste Blick vertreibt etwaige Befürchtungen: Auch der Günstig-Multivan kommt mit dem genialen Schienensystem für die Sitzmöbel und der universellen Sitzbank für drei. Diese lässt sich mittels Schlaufenzug blitzschnell verschieben – für einen extra großen Kofferraum oder einen loungeähnlichen Fond – oder alles dazwischen. Genauso schnell kann die Bank zur Liegewiese aufgefaltet werden. Das optionale Multiflex-Board (510 Euro) verlängert sie nach hinten, zwei Drehsitze (á 571 Euro) nach vorne. Damit können bis zu sieben Passagiere gleichzeitig auf Reisen gehen. Die Sessel sind genauso üppig dimensioniert wie die Bank-Plätze, verwöhnen gar mit Armlehnen. In der Schiebetür ist ein Klapptisch versteckt, der das Rasten verschönert und outdoor verwendet werden kann. Anstelle eines Teppichs ist der Family-Fond mit robustem Kunststoff-Belag ausgeschlagen. Der kann blitzschnell ausgewischt werden, sollten die kleinen Racker mit schlammigen Schneestiefeln darüber spaziert sein. Jeder Sitzplatz wird über einen eigenen Luftausströmer im Dachhimmel temperiert. Auch im Innern muss man Spar-Restriktionen suchen: So fehlt die Verkleidung des Heckfensters. Doch dafür gibt es einen Gaslift für die Motorhaube. Vorne thronen die Bulli-Reisenden auf den gleichen Komfort-Sesseln wie Volkswagen sie auch im Luxus-Bulli „Exclusive“ installiert. Super, tragen sie doch mit klasse Konturierung, Armlehnen und Lordosestütze ganz wesentlich zum Wohlfühlen an Bord bei. Freilich muss der Family auf Leder-Bezüge verzich­ten, doch der gemusterte Stoff wirkt ausgesprochen robust. Auch das Lenkrad kommt ohne Leder und ohne Bedientasten, die Tachoeinheit mit vier analogen Uhren. Und ja: Das funktioniert sogar ausgesprochen gut. Gerade die Ablesbarkeit wird von keinem noch so teuren Digital-Cockpit erreicht – das im Übrigen für den Family gar nicht angeboten wird.

Familienfreundliche Verbrauchskosten

Ganz gleich ob Funk-Zentralverriegelung, elektrisch einstellbare und beheizte Spiegel, Klimaanlage oder DAB+-Radio mit Freisprechfunktion – VW stattet den Family wahrlich alltagspraktisch aus. Wir würden trotz Rücksicht auf die Familienkasse in Parkpiepser, Climatronic, Sitzheizung (493 Euro) und in die AHK-Vorbereitung mit Gespann-Stabilisierung (244 Euro) investieren. Denn: Die Transportbedürfnisse ändern sich im Laufe eines Familienlebens – garantiert. Und der Family darf mindestens 2,2 Tonnen ziehen. Kurzer Rechnungscheck: 39.655 Euro. Wenn jetzt noch Luft ist, dann wären abgedunkelte Scheiben hinten und Sonnenrollos erste Wahl. Zusammen mit dem Front-Assist (319 Euro), der ärgerliche Auffahrunfälle in der City vermeiden hilft. Den gibt es aber nur zusammen mit der Multifunktionsanzeige Plus mit Müdigkeitserkennung.

110 PS und 250 Newtonmeter leistet der Basismotor, geschaltet wird von Hand in fünf Stufen. Zwar gibt es auch den 150-PS-Allround-TDI, wahlweise sogar mit DSG-Automatik, doch reißt man damit schon ohne Sonderausstattung die 40.000-Euro-Marke. Und der 110-PS -TDI schlägt sich wirklich wacker: Laufruhig geht er recht druckvoll zur Sache, bietet einen hohe Elastizität. So kann man schon innerstädtisch oft den langen Gang einlegen, in dem der Bulli ab Ortsausgang kraftvoll hochzieht. Natürlich gewinnt man mit diesem Antrieb keine Rennen, doch ist das ganz sicher nicht sein Anspruch. Die Familie entspannt von A nach B transportieren, das kann er gleichwohl perfekt.

Den Standardsprint erledigt der Family routiniert in 15,8 Sekunden, lässt nach viel Anlauf die Tachonadel die 180 km/h überschreiten – „echte“ 164 km/h sind drin. Doch pendelt sich die Geschwindigkeit auf der Fernreise eher im Bereich der BAB-Richtgeschwindigkeit ein. Der Komfort des Standard-Fahrwerks geht völlig in Ordnung, wenngleich es nicht die schmeichelnde Qualität des DCC-Adaptivfahrwerks erreicht. Das gibt es optional aber erst ab der Trendline-Ausstattung. Aufpreisfrei hingegen: die superbe Lenkung, die seit dem Wechsel zu Generation T6.1 für spürbar mehr Prä­zision, Rückmeldung und Fahrspaß sorgt. Freude auch an der Tanke: Glatte acht Liter rannen im Schnitt auf der GF-Verbrauchsrunde durch die Einspritzdüsen. Voraus­schauend bewegt sind leicht auch Sechs-Liter-Schnitte möglich.

Damit steht fest: Der Multivan Family ist ganz sicher keine Mogelpackung, sondern eine echte Bereicherung für das aktive Familien-Leben. Befreit von Luxus-Attitüden und konzentriert auf das Wesentliche wird er den Freundeskreis der Bulli-Fans ganz sicher vergrößern.


Test kompakt:

Der Bulli für alle! Mit einem Basispreis von unter 37.000 Euro rückt der Multivan Family für viele Familien-Kassen finanziell in den Bereich des Möglichen. Toll: VW Nutzfahrzeuge hat dafür ein wahrlich überzeugendes Ausstattungs-Paket geschnürt, in dem nichts Essentielles zur Bewältigung familiärer Transportbedürfnisse fehlt. Der 110-PS-TDI harmoniert perfekt, gibt sich als gleichermaßen treuer wie sparsamer Begleiter.