Joshua Hildebrand
· 18.03.2022
Wenn Volkswagen von seiner teilelektrifizierten Oberklasse spricht, ist das Luxus-SUV Touareg e-Hybrid gemeint. Wieviel Sinn macht der Hybridantrieb im Flaggschiff? Test.
Sogar die luxuriöse Oberklasse kommt nicht mehr ohne Elektrifizierung davon – zumindest teilweise. Ein elitäres Beispiel für die Doppel- strategie ist der VW Touareg eHybrid, der mit dem gleichen Antriebslayout wie das R-Modell vorfährt. Und zwar mit grandiosem Dreiliter-V6-Turbo- benziner plus Elektromotor im Getriebe. Im Verbund sprechen wir von potenten 381 PS Systemleistung und 600 Newtonmetern Drehmoment, die dank des aktive 4Motion-Allradantriebs über alle vier Räder für Vorwärtsdrang sorgen.
Stromgeber ist im Übrigen die 17,9-kWh-Batterie (netto: 14,1 kWh), die sich unterhalb des 665 Liter großen Kofferraums (bis zu 1.675 Liter) befindet. Dass die PHEV-Technik hier im Vergleich zu den konventionell betriebenen Touaregs gut 130 Liter Stauraum kostet, sei angemerkt. Ebenso, dass bei diesem Dickschiff die Gediegenheit vor Geschwindigkeit geht – was das noch potentere und teurere R-Modell letztlich überflüssig macht.
Brummen und summen
Der Touareg eHyrid startet bei rund 72.400 Euro (R ab 84.660 Euro). Im Übrigen kostet er damit gut 2.000 Euro weniger als der erste Touareg Hybrid aus dem Jahre 2011 (74.500 Euro), der ebenfalls 380 PS leistete. Jedoch kann sich auch beim neuen SUV der Gesamtpreis auf ein deutlich Höheres addieren: Mit Komfortfeatures wie LED-Matrixscheinwerfer, eine für Touareg-Kunden oft bedeutsame Anhängervorrichtung (elektrisch, klappbar) nebst „Trailer Assist“, Luftfederung mit elektronischer Dämpferregelung, Massagesitzen vorn mit Klimatisierung, Head-up-Display und das Fahrassistenzsystem „Plus“ inklusive teilautonomen „Travel Assist“ schnellt der Preis flott auf über 90.000 Euro. Viel Geld für ebenso viel Auto.
Der Touareg eHybrid darf gerne als Schwergewicht auf Samtpfoten verstanden werden. Mit einem Leergewicht von gut 2,5 Tonnen mag er zwar nicht so recht ins heutige Weltbild passen. Er tut es aber trotzdem: Die Art und Weise, wie er uns schmeichelnd kutschiert, ist über jeden Zweifel erhaben. Und die Fahrleistungen sind es auch: Mit einem 0-auf-100-Wert von 6,1 Sekunden zeigt sich der GF Mess-Verantwortliche Martin Santoro sehr zufrieden – weil das Hybrid-SUV die Werksangabe um 0,2 Sekunden reproduzierbar unterbot. Exakt an die Werksvorgabe hielt er sich bei der Vmax: Wie beim Touareg R ist die Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h begrenzt.
Dabei kann sich die Laufkultur des V6-Turbobenziners sehen lassen. Nur bei mittleren Drehzahlen und beim Ausdrehen sind ganz leichte Vibrationen durch den Verbrennungsmotor feststellbar – kaum der Rede wert, insbesondere im Vergleich zu einem Diesel. Sie vermitteln sogar ein Gefühl von Sportlichkeit. Ansonsten arbeitet der Dreiliter kultiviert, die im Getriebe untergebrachte E-Maschine effizient. Wer möchte, kommt rein elektrisch gut 42 Kilometer weit – gut zum Pendeln. Weitere Strecke meistert der Touareg eHybrid aber am besten hybridisch mit vollem Hochvolt-Akku.
Für eine möglichst klimafreundliche Nutzung empfiehlt sich auf jeden Fall das bevorzugt stationäre Laden mit Ökostrom. Eine Ladung an der heimischen Wallbox geht bestenfalls in 2,5 Stunden (0 bis 100 Prozent SoC) über die Bühne. Schneller geht es nicht, da ausschließlich das Strom-Zapfen mit Wechselstrom (AC) und einer maximalen Ladeleistung von 7,2 kW möglich ist.
Ungeduldige Fahrer können sich auch der weniger effizienten Funktion des „Akkustandes vorhalten“ bedienen. Im Fahrzeugmenü lässt sich dann der Ladestand des Akkus über den Verbrennermotor erhöhen. Logisch, dass dann aber auch der Kraftstoff-Verbrauch ansteigt und zweistellige Literzahlen zur Normalität werden. Nutzt der Fahrer beide Antriebe optimal, so kann das große SUV durchaus mit einem Durchschnittsverbrauch von 8,1 Litern Super-Benzin und etwa 14 kWh Strom gefahren werden (146-km- Messrunde mit gleichteiligem Stadt-Land-Autobahn-Mix). Ja, in Summe gesehen geht der Touareg sparsam mit seinen Energiequellen um. Auch bei scheinbar entladenem Akku fährt er immer noch hybridisch, rekuperiert beim Bremsen, segelt mit abgeschaltetem Benziner und profitiert zuletzt von einer cleveren Software. Für einen möglichst effizienten Betrieb integriert die prädiktive Hybridstrategie bei aktiver Navigation nämlich Daten der Topographie, der Strecke und des Zielgebiets in die Routenberechnung. So segelt der Touareg zum Beispiel vorausschauend in Tempo-Limit-Zonen hinein, was Energie spart.
Samtenes Fahrgefühl
Die Acht-Gang-Automatik vollzieht Gangwechsel spontan, zügig und weitgehend ruckfrei, die Schaltgeschwindigkeit und der -komfort sind für einen Wandlerautomaten erstklassig. Die (leider) aufpreispflichtige Luftfederung holt schließlich das letzte Quäntchen Komfort aus dem SUV und ist in jederlei Hinsicht ein Pflichtextra. In „Normal“-Stellung werden lange wie kurze Fahrbahnwellen sowie kleine Unebenheiten gut abgefedert. Wer es eine Spur komfortabler möchte, kann in den Comfort-Modus wechseln. Vor allem die Niveauregulierung bringt gegenüber des herkömmlichen Adaptivfahrwerks Vorteile, weil es unabhängig vom Beladungszustand für gleichbleibende Federwege sorgt und sich das Fahrverhalten auch bei Ausschöpfung des maximal zulässigen Gesamtgewichts von drei Tonnen nicht merklich ändert. Manko: Wegen Bauraum-Einschränkung sind Hinterachslenkung und Wank- stabilisierung für den VW Touareg eHybrid leider nicht erhältlich.
Sein Grundsetup ist zwar stets auf Sicherheit und somit untersteuernd ausgelegt, dennoch bereitet das Kurvenfahren Laune – trotz einer etwas gefühllosen Lenkung und fehlender Aktiv-Wankstabilisierung.
Die Allrad-Verteilung liegt im Basis- Setup bei 40 zu 60 Prozent (v/h), das mechanische Torsen-Differenzial arbeitet variabel bis zu einer Verteilung von 70 zu 30 oder 20 zu 80 Prozent. Damit zeigt sich der eHybrid in allen Belangen traktionsstark. Der stets allradgetriebene Wolfsburger besitzt eine 4Motion-Active-Control mit Fahrprofilauswahl, die über den linken Drehregler auf der Mittelkonsole gesteuert werden können. Über ihn aktiviert der Fahrer vier übergeordnete Modi und verschiedene Popup-Menüs. Dreht er den runden Schalter nach links, gelangt er in die Straßen-Profile. Wird der Schalter nach rechts gedreht, öffnen sich einige Offroad-Programme. Einfach, oder?
Auch als PHEV eine echte Allzweckwaffe
Das teilelektrische Dickschiff der Niedersachsen qualifiziert sich nicht nur für den Großstadtdschungel, sondern auch für leichtes Gelände. Obendrein kann der eHybrid wie seine Geschwistermodelle bis zu 3,5 Tonnen an den Haken nehmen. Das Zusammenspiel von E-Maschine und Dreiliter-Benziner funktioniert auch im Hängerbetrieb vorzüglich.
Auf den ersten Blick mag es etwas widersprüchlich wirken, ein so großes SUV wie den Touareg samt V6-Benziner zu elektrifizieren. Doch das Mehrgewicht wird bei konsequenter Nutzung des Elektroantriebes kompensiert; der Fahrer profitiert von einem geringeren Benzinverbrauch. Dennoch darf man nicht vergessen, dass es sich hier um ein Oberklasse-SUV handelt – das kostet eben. Gut zu wissen: Da der Touareg nach WLTP über 50 Kilometer rein elektrisch zurücklegen kann, bleibt er als PHEV bis Ende des Jahres förderfähig. Somit dürfte er vor allem für Unternehmer, Kurzpendler und SUV-Fans mit entsprechender Solvenz interessant sein.
Test kompakt:
Der Toaureg ist und bleibt ein grandioses Oberklasse-SUV mit überragenden Komforteigenschaften – vor allem mit der optionalen Luftfederung. Die Antriebseinheit aus V6-Benziner und Elektromotor ist mit 381 PS nicht nur außerordentlich potent, sondern auch ziemlich effizient – vorausgesetzt, der Akku wird regelmäßig geladen. Wer den elektrischen Antriebskomfort schätzt und täglich bis zu 42 Kilometer pendeln muss, für den ist der eHybrid eine echt clevere und überaus luxuriöse Wahl.