Martin Santoro
· 22.01.2021
Der VW Touareg tritt in jener SUV-Klasse an, in der sich Platz, Kraft und Alleskönnertum zu First-Class-Luxus verdichten. Überzeugte das Flaggschiff von Volkswagen auch im harten Dauertest-Alltag von 70.000 Kilometern?
UV sind heute sogar in der Kompakt- oder Kleinwagenklasse zu finden, die ursprünglichen Vertreter dieser Gattung sind jedoch stattlich und lassen mehr als nur eine erhöhte Sitzposition erkennen. So auch der Touareg, das Flaggschiff von Volkswagen. Das Spitzenmodell der Marke versteht sich als luxuriöser Reisebegleiter, der alles mitbekommt, was die Marke an modernster Technologie zu bieten hat. Von den Fähigkeiten und Qualitäten des Big-Size-SUV der dritten Generation hat sich GUTE FAHRT bereits bei mehreren Tests vergewissert. Darauf gab es eine Langzeiterprobung, wofür wir den Touareg in der allseits geschätzten Ausführung mit bärenstarkem Sechszylinder-TDI zum Dauertest über 70.000 Kilometer eingeladen haben.
Vom Start weg ein guter Freund
Umgehend entwickelte sich der Touareg 3.0 TDI 4Motion Tiptronic mit 286 PS Leistung zum Liebling aller Redaktionsmitglieder, die auf längere Dienstfahrten gehen mussten. Stellvertretend für die Langstreckenfahrer hielt unser damaliger Chefredakteur und heutiger GUTE FAHRT-Herausgeber Joachim Fischer gleich im ersten Eintrag des begleitenden Testprotokolls fest: „Ungeheuer souverän und komfortabel. Luxus pur mit perfekter Verarbeitung. Die Luftfederung ist super, das äußerst sanfte Abrollen beeindruckt. Der Motor ist stark und bullig mit leichter Anfahrschwäche. Super Drehmoment und perfekte Traktion. Die Lenkung ist sehr präzise und direkt, die Bremsen gut dosierbar. Geräuschisolierung ist klasse – alles wie in Watte gepackt – perfekt für die Langstrecke auch bei hohen Tempi. Der Bildschirm ist riesig, die Bedienung verständlich“. Unser neuer Chefredakteur Arne Olerth ergänzte: „Das ganze Können des Phaeton wurde auf den Touareg übertragen. Die Qualität ist schon beim satten Geräusch des Türschließens vernehmbar – wie eine Panzertür! Der formidable Antrieb ist auch bei schnellen Fahrten sparsam – ein wahres Reichweiten-Genie!“
Erreicht hat uns der Touareg Modelljahr 2019 in der Basisversion (Grundpreis 62.305 Euro), allerdings aufgewertet mit einem umfangreichen R-Line Exterieurpaket zu 3.300 Euro. Heute gibt es die edlen Optik-Zutaten erst ab der Linie „Atmosphere“. Auch auf die Luftfederung mochten wir nicht verzichten, obwohl dafür alles in allem 5.900 Euro extra anfallen, weil diese Position nur in Zwangskombination mit der aktiven Wankstabilisierung und der automatischen Niveauregulierung zu haben ist. Die inzwischen im Paket enthaltene Allradlenkung war seinerzeit noch nicht verfügbar. Auch Volllederausstattung in Verbindung mit ErgoComfort-Sitzen ließen sich zum Bestellzeitzeitraum Ende 2018 noch zu 5.000 Euro als R-Line-Paket ordern – aber diese kostspieligen Zutaten sind beim hohen Anspruch eines Touareg gerechtfertigt. Das Innovision Cockpit zu 3.500 Euro sollte heutzutage schon sein, wie man auch IQ Light Matrix-LED-Scheinwerfer, Fahrerassistenz-Paket Plus sowie das Komfort-Paket „Keyless Access“ nur empfehlen kann. So summiert sich ein derart gut ausgestatteter Touareg auf mindestens 90.000 Euro. Unser Dauertester mit weiteren – teils nicht wirklich zwingend nötigen, aber umso schöneren Extras (siehe Datenbank auf Seite 76) – kam 2019 auf 107.516 Euro. Ist er das wert?
Ist der stolze Preis gerechtfertigt?
Was die Zuverlässigkeit angeht, gibt es jedenfalls keine Abstriche zu machen. Das Testprotokoll auf Seite 78 weist nur eine Infotainment-Störung beim Endspurt (Kilometerstand 62.055) aus, welche die Alltagstauglichkeit des Touareg indes nicht beeinträchtigt hat. Premiumstandard also, der sich auch in Materialanmutung und -qualität widerspiegelt. Der Passagierraum zeigt sich auch nach mehr als einjährigem, intensivem Gebrauch makellos, ebenso der Teppichbelag des Kofferabteils. Lediglich die dort nachträglich verbaute Schutzwanne hat kleine Kratzer abbekommen – was bei häufigem Be- und Entladen unvermeidbar ist. Der sehr nobel ausgekleidete Kofferraum hat sich für die Schutzauflage bedankt.
Thema Noblesse: Der Touareg vertritt ein luxuriöses Automobilkonzept, an dem alle guten Eigenschaften der Oberklasse ablesbar sind. Dazu gehört ein ausgesprochen fürstliches Raumangebot auf allen Plätzen, die durch die erhöhte Einstiegsposition zudem besonders bequem zu erreichen sind. Ein Burggefühl kommt auf, das schon vor dem ersten Meter Fahrt vermittelt, in einem großen Fahrzeug zu sitzen.
Die gesamte Redaktion war von den ErgoComfort-Sitzen in der ersten Reihe beeindruckt. Jeder Fahrer konnte die umfänglich elektrischen Verstellmöglichkeiten der Sitze samt der horizontal verstellbaren Kopfstützen zu seiner bevorzugten Arbeitsposition einstellen. Äußerst praktisch ist auch das Memory Paket „Premium“, über das sich bis zu drei Grundeinstellungen inklusive der Lenkradposition (elektrisch verstellbar) speichern lassen. Gefallen haben darüber hinaus die acht verschiedenen Massagefunktionen, die auf Wunsch sanft bis kraftvoll den Rücken kneten – auf Langstrecken eine gern genutzte Wohltat. Regen Zuspruch fand auch die dreistufig zuschaltbare Sitzlüftung. Genial, wie das System im Hochsommer einem verschwitzten Rücken vorbeugt, dabei geräuschlos die Luft absaugt, ohne einen unangenehmen Zug zu erzeugen. Die grundsätzlich leicht zu reinigenden Polster des exquisiten Lederpakets „Savona“ erwiesen sich durch das feinporig gelochte Leder der Sitzflächen jedoch als etwas schmutzanfällig. Ein Tipp: zum Lösen feiner Krümel einen Zahnstocher benutzen! Etwas empfindlich sind auch die schwarzen Klavierlackoberflächen an der Mittelkonsole. In der Praxis wird in diesem Bereich viel hantiert, wodurch leicht kleine Kratzer entstehen können. Also ist Vorsicht geboten. Wir raten auch dazu, nur dafür passende Microfasertücher zum Reinigen zu benutzen.
Ein Hauch von Nostalgie
Durchweg positiv bewerteten wiederum alle Fahrer die Bedienung des Lautstärkereglers unterhalb des Wahlhebels. Ohne Ablenkung vom Verkehrsgeschehen finden die Finger auf Anhieb das schicke, geriffelte Aluminium-Drehrad. Verlassen wir aber die praktischen Relikte aus dem Analogzeitalter und wenden uns stattdessen der schönen neuen Digitalwelt zu.
Ein Highlight im Touareg ist ganz klar das Innovision Cockpit, in dem das Display der digitalen Instrumente und der dem Fahrer zugeneigten Riesen-Touchscreen in der Mittelkonsole zu einer digitalen Einheit verschmelzen. Diese Monitorlandschaft bietet sich auf mehr als einem halben Meter Breite als Zentrale zur Steuerung der Assistenz-, Fahrdynamik- und Komfortsysteme an, dem Entertainment und der Navigation. Dass dies alles den Vorstellungen des Fahrers und seiner Gäste angepasst werden kann, dürfte klar sein. Wie tief man dabei in die digitalen Möglichkeiten eintaucht und wie sehr man sich der vielfältigen Gestaltung seiner Bildschirmwelt hingibt, hängt am Ende von den eigenen Wünschen und Vorlieben ab. Eine riesige Vielfalt jedenfalls ist gegeben, bedarf aber auch einer gewissen Einarbeitung sowie eine Affinität für die vielschichtigen Menü-Angebote. Aber es werden auch jene nichts vermissen, die sich mit der von Volkswagen vorgegebenen Belegung bescheiden sollten. Diese ist klar gegliedert und logisch strukturiert. Darüber hinaus überzeugten die Funktionen und die Ablesbarkeit des Navigationssystems Discover Premium (Bestandteil des Innovision Cockpit) ebenso wie die Darstellung und Bedienung von fahrzeugspezifischen Einstellungen, wie die Medienwiedergabe von Radio oder externen Datenträgern per Bluetooth, SD-Karte oder USB-Stick. An dieser Stelle soll auch die Musikqualität des Soundsystems Dynaudio Consequence (1.610 Euro) mit 730 Watt Gesamtleistung gelobt werden, das ein fantastisches Klangerlebnis liefert. Gleiches gilt für das Connectivity-Paket (690 Euro) mit kabelloser Telefonschnittstelle samt induktiver Ladefunktion in der Mittelkonsole. Es bietet Telefonie in bester Qualität und hat die unterschiedlichsten Smartphones tadellos gekoppelt und geladen.
Da geht was rein!
Beeindrucken konnte die ausgewiesene Transportkompetenz im Heckbereich, wo der riesige Kofferraum während des gesamten Dauerlaufs gepunktet hat. Das rechteckige, unverwinkelte Abteil fasst mit mindestens 810 Liter genügend Platz selbst für sperriges Equipment. Bei umgelegter Rückenlehne stellt der Ladebereich mit 1.800 Liter gar das Volumen des Passat Variant in den Schatten. Zur umfangreichen Variabilität zählt die geteilt um 16 Zentimeter längs verstellbare Rücksitzbank, deren Lehnen individuell in der Neigung verstellt werden können. So fand jeder Fondpassagier die optimale Sitzposition.
Über seine Staumöglichkeiten hinaus ist der Touareg im Gespannbetrieb ein ausgesprochen starker Partner. Redakteur Joshua Hildebrand, der für einen Videobeitrag auch schon mal seinen Vespa-Roller auf dem Hänger hinter sich herzog, freute sich etwa über die Rückfahrkamera: „Der Anhängerkugelkopf ist über den zentralen Bildschirm klasse zu sehen, wodurch das Andocken eines Anhängers beinahe zum Kinderspiel wird“. Arne Olerth lernte ebenfalls die enorme Zugkraft zu schätzen, als er einen Oldtimer auf einem Autotransport-Anhänger am Haken hatte. „Der Touareg ist mit 3,5 Tonnen Anhängelast ein ideales Zugfahrzeug, auch für Camper und Pferdebesitzer, die keinerlei Einschränkungen bei Gespann-Fahrten befürchten müssen“, lautet das Resümee vom GF-Chef. Die vollelektrische aus- und einschwenkende Anhängervorrichtung kommt mit perfekt zugänglicher integrierter Steckdose für die elektrische Anlage von Hänger oder Fahrradträger. Ebenso praktisch erreichbar sind die Taster für die Schwenkkupplung rechts im Laderaum. Und wenn die Fuhre rückwärts rangiert werden muss, dann übernimmt der Trailer Assist Ungeübten den Großteil der komplizierten Arbeit ab, wenn gleichzeitig der Parklenkassistent hinzu gebucht wird.
Mit überlegenem Komfort überzeugte das luftgefederte Fahrwerk. Eindrucksvoll erlebbar in der Stufe „Comfort“, der sanftesten von fünf manuell vorwählbaren Einstellungen – im übrigen ohne dass sich das Fahrverhalten in Kurven oder die Richtungsstabilität nachteilig verändern würden. Nicht mal die optionalen 20-Zoll-Räder konnten hier den positiven Eindruck schmälern. Dass der Touareg so sicher und agil ist, verdankt er auch der elektromechanischen, aktiven Wankstabilisierung eAWS (detailliert vorgestellt in einem Technik-Beitrag in GUTE FAHRT 9/2020), die neben der Kurven-Dynamik gerade auch den Federungskomfort weiter verbessert. So empfiehlt sich der Touareg auf der Straße, da sein Package und seine Technik – inklusive des permanenten Allradantriebs – ein wahrlich beeindruckendes Fahrerlebnis garantieren. Doch dank seiner ausdrücklichen Geländetauglichkeit kann er natürlich mehr als jede Luxuslimousine – nachzulesen im Fahrerlebnisbericht in GUTE FAHRT 2/2019. Dort, im marokkanischen Atlas-Gebirge, erwies sich ein vergleichbarer Testwagen als Geländegänger von echtem Schrot und Korn. Genau so soll´s sein.
Auch in der Eile kein Übermut
Ebenso selbstverständlich harmoniert der Dreiliter-TDI mit diesem Konzept, der mit seinen überzeugenden Fahrleistungen äußert gelassen wirkt. Der Sechszylinder läuft seidenweich und leise, wirkt aufgrund seines gewaltigen Drehmoments von 600 Newtonmetern in wahrlich allen Lagen ausgesprochen souverän. Testberichte in GUTE FAHRT 9/2018 und 7/2020 gehen auf die Qualitäten des Dreiliter-Selbstzünders noch spezieller ein. Für den Dauertest-Touareg 3.0 TDI V6 4Motion gibt Volkswagen einen WLTP-Normverbrauch von 8,3 Litern Diesel an. Von diesem Wert entfernte sich das SUV im Dauertest-Zyklus nur wenig, überraschte mit einem gemäßigten Verbrauch von durchschnittlich nur 8,9 Litern. Mit dem 90-Liter-Optionstank (105 Euro) sicherte das Reichweiten von über 1.000 Kilometern. Wer das Zwei-Tonnen-SUV ständig in 6,1 Sekunden von null auf Landstraßentempo beschleunigt und am Ende unbedingt über 230 km/h schnell sein will, kann den Verbrauch natürlich in den zweistelligen Bereich treiben. Wer forsch fährt, muss zudem mit einem schnellen Verschleiß der Bremsen rechnen. Selbst unsere gemischte Fahrweise hat bereits bei Kilometerstand 54.131 einen Werkstattaufenthalt nötig werden lassen (siehe Testprotokoll Seite 78), bei dem sämtliche Beläge sowie die hinteren Bremsscheiben zu tauschen waren. Doch animiert der Touareg mit seinem souveränen Antrieb, dem hohen Akustik- und Federungskomfort und dem mondänen Raumangebot eher zum entspannten Cruisen denn zur Hatz nach neuen Bestzeiten.
Apropos Können: Werfen wir noch einen Blick auf die Assistenten. Mit ihnen kann der Touareg die Spur halten und den Lenkvorgang für eine gewisse Zeit selbst übernehmen, das Tempo und den Abstand zum Vordermann auch im Stau halten, selbstständig bremsen oder die Geschwindigkeit entsprechend der über die Frontkamera erkannten Verkehrszeichen anpassen. Die wichtigste Eigenschaft ist aber, dass die Helferlein im Touareg in einer permanenten Habachtstellung sind. Dabei agierte die Distanzkontrolle ACC sehr feinfühlig und der Front-Assist befand sich immer auf der sicheren Seite. Auch der Nachtsichtassistent arbeitete vom Hintergrund aus klasse. Mit Hilfe einer Wärmebildkamera markierte die Lichtanlage im Dunkeln Fußgänger und Wildtiere gezielt, blitzte bei vorausfahrenden Radlern auf, oder bei zu nahe am Fahrbahnrand laufenden Personen. Unterstützt wird das System vom optionalen IQ.Light, eine empfehlenswerte Investition. Was die intelligente Ausleuchtung der Matrix-LED-Scheinwerfern des Touareg kann, beeindruckt nachhaltig. Einen zusammenfassenden Beitrag haben wir in GUTE FAHRT 1/2020 veröffentlicht. Die Highend-Lichttechnologie hat ebenso über den langen Testzeitraum ihre Feinfühligkeit beibehalten wie uns unser Touareg überhaupt ohne Abnutzungserscheinungen in makellosem Zustand verlassen hat. Ein Volkswagen, wie man sich ein Auto der Marke wünscht: hochwertig, vielseitig, topmodern und zuverlässig hinsichtlich seiner Langzeitqualitäten. Ein echtes Oberklasse-SUV.
Test kompakt:
Mit einem Einstandspreis von 65.000 Euro bleibt der Touareg ein Volkswagen. Mit den begehrenswerten Sonderausstattungen für insgesamt 42.000 Euro wird er zum Premium-SUV, das sich im Dauertest keinerlei Schwächen leistet. Wer dazu den souveränen und sparsamen 286-PS-TDI wählt, ist für die Langstrecke perfekt gerüstet.