VW Golf GTEStrom-Schnelle

Joshua Hildebrand

 · 19.02.2021

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Foto: Jan Bürgermeister, VW (1)

Die Frage nach einem sportlichen VW Golf beschränkt sich längst nicht mehr auf GTI und GTD: Der 245 PS starke GTE stellt eine zeitgemäße Alternative dar. Oder ist er gar besser?

Erinnern Sie sich noch an den Golf 7? Okay, Spaß beiseite – der Golf ist gewiss kein Auto, über welches es sich zu scherzen beliebt. Weil jede neue Generation den Vorgänger in den Schatten gestellt hat und weil er in gewisser Weise auch immer ein Visionär war. So zählt die Elektrifizierung der Kompaktklasse mit Modellen wie e-Golf und dem allerersten GTE im Jahr 2014 wohl zu einer der größten Meilensteine der letzten Jahre. Mit insgesamt 204 PS aus1.4-TSI-Benziner und E-Maschine war er nicht nur sau-stark unterwegs, sondern auch seiner Zeit voraus. Jetzt ist die Zeit reif für die zweite Generation des GTE, der dem GTI bedrohlich nah auf die Pelle rückt. Nicht nur deshalb dürfte er für viele Golf-Fans interessanter sein als jemals zuvor. Während der Golf 7 GTE damals (2014) mit 36.900 Euro zu Buche schlug, sind es für den 8er allerdings 42.745 Euro. Doch nicht so voreilig: Seit Februar 2020 erhält der Käufer eines voll- oder teilelektrischen Autos einen höheren „Umweltbonus“ – im Falle des GTE 6.750 Euro, welche den tatsächlichen finanziellen Aufwand auf rund 36.000 Euro reduzieren. Hinzu kommt die günstigere 0,5-Prozent-Versteuerung im Falle einer Nutzung als Firmenwagen. Klingt doch gut, oder?!

Ob er denn schon an sei, fragt unser Fotograf. Ja, tatsächlich! Denn der GTE startet flüsterleise im E-Modus. Nur ein Signalton verrät die Betriebsbereitschaft. Na, dann mal los … Vorher aber noch den Shift-by-Wire-Stummel für das 6-Gang-DSG (DQ400E mit inegrierter E-Maschine) auf „D“ wippen, schon kann‘s los gehen. Nur rund sieben Sekunden braucht der 245 PS starke Fronttriebler dann auf Tempo 100, quittiert den 400 Newtonmeter starken Vortriebswillen mit scharrenden Hufen und rennt bis 225 km/h.

54 Kilometer elektrisch fahren

Extrem präsent zeigt sich der E-Motor, der nicht nur der Hauptantrieb, sondern auch als elektrischer Boost fungieren kann. Ja, der Antrieb macht echt Laune! Lediglich das DSG-Getriebe scheint manchmal etwas überfordert, wenn sich spontane Kickdowns ergeben. Hingegen ist das Umschalten zwischen Verbrenner und E-Maschine für die Insassen kaum spürbar. Vor allem im E-Modus und bei langsamen Geschwindigkeiten kündigt sich der GTE über einen Lautsprecher nach außen hin mit einem synthetischen Geräusch an. Einen sportiven Klang bekommen wir je nach Fahrmodus über einen Soundaktor auch im Innenraum
vorgespielt, unter Volllast kommt der 1.4er-TSI aber jedoch nicht an den Klang des klassischen GTI heran. Zudem bringt der Golf GTE aufgrund der Batterie gut 160 Kilogramm mehr auf die Waage und hält mit 273 bis 1.129 Litern (374/1.230 Liter) weniger Kofferraumvolumen bereit. Apropos Batterie: Auch der neue GTE ist mit einem extern ladbaren Lithium-Ionen-Akku ausgestattet, hat jedoch in zweiter Generation nun einen um 50 Prozent vergrößerten Energiegehalt: 13 kWh. Wer diesen laden möchte, kann das deutlich verbrauchssteigernd über den Verbrenner – im Hybrid-Modus lässt sich der Batterieladestand reservieren oder hochsetzen – oder rein stationär tun. Mit 2,3 kW an der haushaltsüblichen 230-Volt-Steckdose oder mit bis zu 3,6 kW Wechselstrom (AC) pro Stunde. Somit dauert eine volle Ladung zwischen fünf, respektive 3:40 Stunden. Dann sind rein elektrisch und lokal emissionsfrei 54 Kilometer möglich, hybridisch steigt der Aktionsradius auf knapp 700 Kilometer. Ist der Akku leergefahren nimmt sich der TSI im Schnitt sehr vertretbare 6,2 Liter.

Für die möglichst effiziente Nutzung des Strom und Benzinvorrats kommt übrigens eine prädiktive Hybridsteuerung zum Tragen: Die clevere Elektronik bezieht GPS- und Streckendaten in die Regelung des Antriebs mit ein und kann so vorausschauend rekuperieren oder auf die effizienteste Antriebsart umstellen. Ist der Akku entladen, schaltet sich der 150-PS-starke Verbrenner automatisch als Hauptantrieb ein und ist auch alleine für flottes Fahren gut. Was sich bei langsameren Geschwindigkeiten nicht bemerkbar macht, ist bei Tempi um die 200 km/h dafür umso deutlicher spürbar: Ohne die dauerhafte, 115 PS starke E-Unterstützung geht dem GTE oben heraus etwas die Luft aus.

Der Golf GTI lässt grüßen

Alles in allem zeigt sich der GTE sehr anpassungsfähig. Sowohl innerstädtisches Cruisen als auch E-Boost-unterstütztes Kurvenräubern macht jede Menge Spaß, obwohl sich das Mehrgewicht im Vergleich zum GTI hin und wieder in engen Kurven und auf der Bremse bemerkbar macht (bei leichten Bremsvorgängen verzögert die E-Maschine). Eine Vorderachs-Quersperre (VAQ) wie der GTI hat der GTE nicht. Jedoch einen Fahrdynamikmanager, sofern DCC für 1.045 Euro mit an Bord ist. Die Straßenlage ist im Sport-Modus richtig satt. Das Gewicht der Hochvoltbatterie, die vor der Hinterachse unterflur installiert ist, zeigt sich hier wiederum förderlich. So macht sich gemeinsam mit den sportiven Bakersfield-Rädern (7,5 x 18 Zoll) und trotz der Winterreifen in 225/40 fast schon GoKart-Feeling breit. Wer es übertreibt und mit der Haftgrenze der Reifen nicht so genau nimmt, wird vom auf Sicherheit getrimmten ESP wieder eingefangen. Fein regelnd zeigt sich die serienmäßige Differenzialsperre XDS, die über Bremseingriffe am schlupfenden Vorderrad funktioniert. Die elektromechanische, geschwindigkeitsabhängige Lenkung (Progressivlenkung) ist serienmäßig und vermittelt ein gutes Gefühl, ohne um die Mittelstellung talgig zu wirken. Richtungswechsel werden zügig umgesetzt und geben dem Golf GTE letztlich auch eine direkte Note. Während sich Generation sieben optisch gesehen noch etwas hinter seinem fast gleich starken Verbrenner-Kollegen GTI versteckte, sieht heute ganz anders aus.

Vor allem von vorne lässt sich kaum ein Unterschied feststellen. Okay, zugegeben: Wer nicht farbenblind ist, wird das Blau vom Rot und somit den GTE vom GTI unterscheiden können. Aber: Die Frontschürze samt riesigem Wabengitter und markanter Nebelscheinwerfer (optional) darf auch der GTE haben, ebenso das Emblem und das LED-Tagfahrlichtband über die gesamte Fahrzeugbreite. In Zurückhaltung übt sich der GTE schon lange nicht mehr, was erkennen lässt, dass E-Mobilität kein Nischenprodukt mehr ist. Auch seitlich gibt es wenige Unterschiede zum Kultsportler in Rot. Dafür darf nur er die zwei faustdicken, in die Heckschürze integrierten Auspuffendrohre zur Schau tragen – der GTE tut dies schon allein wegen seines Umweltbewusstseins nicht so gern. Er hat zwei Chromapplikationen, die mit etwas Fantasie zwei Endrohre mimen – Schwamm drüber! Dass es sich auch bei ihm um ein potentes Golf-Modell handelt, zeigen der alles überragende Dachkantenspoiler sowie das blaue GTE-Emblem.

Golf-8-Interieur mit Extraportion Sport

Das Interieur des GTE entspricht im Wesentlichen dem des Golf 8. Bedeutet: Innovision Cockpit mit digitalem 10,25-Zoll-Tacho und 10-Zoll-Infotainment-System Discover Pro, ein optionales Head-up-Display (700 Euro) sowie wenige klassische Bedienelemente. Macht aber nichts, denn die Bedienung erfolgt bestenfalls über das Sport-Lederlenkrad mit haptisch tollem Lochleder im Griffbereich oder püber die ausgeklügelte Sprachbedienung. Diese reagiert mit den Zauberworten „Hey, Volkswagen“ auf Wünsche der Insassen und übernimmt die Steuerung diverser Funktionen wie zum Beispiel der Klimatisierung – das gefällt.

Lob verdienen auch die nicht zu weichen, aber durchaus komfortablen Sportsitze à la GTI, die dank Einteiler-Design moderner wirken als beim Vorgänger. Der Seitenhalt passt genauso wie die nicht zu hohe Sitzposition. So gehört sich das ja auch für ein sportliches Fahrzeug, oder?! Und schließlich auch nicht uninteressant: diverse Connected-Car-Features und Assistenzsysteme, die im teilautonomen Travel Assist gipfeln. So gesehen hat der GTE alles, was man braucht: einen starken und zugleich effizienten Plug-in-Hybrid-Antrieb, jede Menge Hightech und noch dazu viele Vergünstigungen dank PHEV-Technologie. Vorbei die Zeiten, in denen der GTE als Nischen-Golf durchging!


Test kompakt

Der hoch technologisierte 8er-GTE hat viel zu bieten, vor allem Fahrspaß! Nichtsdestotrotz bleibt die elektrische Variante des Sport-Golf längs- wie querdynamisch hinter den Eigenschaften des GTI zurück. VW wahrt hier ganz klar den Respektabstand zur Ikone, auch wenn er als Alternative mit der Extra-Portion „Gutes Gewissen“ seine Daseinsberechtigung hat. Ganz günstig ist er nicht, dafür profitiert er mehrfach von der PHEV-Förderung.