TestGolf GTI 2.0 TSI DSG – Achter-Bahn

Martin Santoro

 · 18.12.2020

Test: Golf GTI 2.0 TSI DSG – Achter-BahnFoto: Jan Bürgermeister

Die angeschärfte Neuauflage der Sport-Ikone wird digitaler und tritt mit umfassenden Neuerungen an Fahrwerk und Motor an. Springt der Funke auch beim neuen Golf GTI über?

An dieser Stelle soll auf Kult-Gedudel, Legendenbildung oder ähnlichen Beweihräucherungen verzichtet werden. Auch nach 44 Jahren erfährt die Aspahlt-Ikone weiß Gott genug an salbendem Zuspruch aus sämtlichen Lagern. Der GTI taucht nun mal eben überall auf. Vorm Döner-Imbiss, am Uni-Parkplatz, im Villenviertel, schleifend beim Tuning-Treffen oder mit Überrollkäfig und Semislicks auf der Nordschleife. Er ist der Kompakt-Sportler schlechthin, der mehr als jeder andere für die breite Masse passen muss. Dass dies nicht mit Extremen zu erzielen ist, sollte jedem einleuchten. Trotzdem ist gerade der ambitionierte Fahrer abzuholen. Ein enormer Spagat also, den zuletzt die GTI-Generation Nummer sieben mit einem breit aufgestellten Angebot an Derivaten begegnete. Während die 230 PS-Basis stark in Richtung Alltagstauglichkeit tendierte, sorgten die stärkeren Typen Performance, Clubsport und TCR nachhaltiger für adäquate Gänsehaut. Bei Generation acht liefert Volkswagen ab dem Grundmodell uneingeschränkt wieder alle temperamentvollen GTI-Tugenden und lässt sie mit der schönen neuen Digitalwelt verschmelzen. Um das alles auch alltagstauglich unter einen Hut zu bringen, haben die Wolfsburger Designer und Ingenieure ganze Arbeit geleistet.

Auf knapp 4,30 Metern Länge präsentiert der achte GTI stolz seinen neuen Turnanzug. Den hat federführend Volkswagens Chef-Designer Klaus Zyciora (geborener Bischoff) in vielen Punkten deutlich markanter als bisher gestaltet. Dazu trägt vor allem die neue Front einen großen Teil bei. Sie wirkt nun betont breiter, schaut frisch aus, hat schärfer gezeichnete Scheinwerfer, einen wuchtigen Wabengrill, der außen optional je fünf LED-Rechtecke zu einem Nebelleuchten-Quintett zusammensetzt. Ein Hingucker ist auch die mittig platzierte markante Lichtleiste, die mit den Tagfahrlichtern eine Linie bildet. Die roten Akzente im Grill ziehen sich schon seit der ersten GTI-Generation durch. Unlackierte, schwarze Stoßfängerabschlüsse und Seitenschweller spielen ebenso mit nostalgischen Anklängen, ohne antiquiert zu wirken. Den gelungenen Abschluss bilden ein Heckspoiler sowie ein schwarzer Diffusor, der zwei echte, glänzende Endrohre aufnimmt.

Wer in Reihe eins einsteigt, betritt die neue Volkswagen-Welt mit riesiger Digital-Wand, sprich, kaum mehr echten Tasten, dafür einen mindestens 8,25 Zoll großen Touchbildschirm inklusive Slider-Bedienung für Klimaanlage und Lautstärke, dem Sprachassistenten und digitalen Instrumenten. Diese grenzen den GTI emotional klar von der Golf-Basis ab. Endlich haben sich die Entwickler austoben dürfen: eine spezielle GTI-Grafik mit mittigem XXL-Drehzahlmesser. Das wirkt schon ziemlich cool und gehört zu einem Kaliber wie der Golf GTI. Danke VW!

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Foto: Jan Bürgermeister

Viel GTI-Ornat außen wie innen

Auch das abgeflachte Lenkrad sieht toll aus und liegt griffig in den Händen. Nicht fehlen dürfen freilich auch im Cockpit die roten Akzente, der schwarze Dachhimmel und natürlich nimmt man auf klassischem Karomuster Platz. Das gut ausgeformte Sportgestühl bietet

prima Seitenhalt, auf der straffen Polsterung lässt es sich angenehm auch auf längeren Strecken reisen. Das gilt gleichermaßen für die hintere Sitzreihe, wo der Komfort zu zweit absolut passt. Insgesamt machen die Materialien einen gediegenen Eindruck, viel mehr geht in dieser Klasse nicht.

Ein alter Bekannter steckt unter der Haube: Volkswagen vertraut beim neuen GTI auf den zwei Liter großen Vierzylinder-Turbobenziner ( EA888), der schon dem Vorgänger Beine gemacht hat. Allerdings kommt er in einer neuen Evolutionsstufe mit neuem Turbolader (Garrett statt Borg Warner) sowie besseren Abgaswerten. Hierfür wurden etwa neue Kraftstoff-Injektoren installiert und der Einspritzdruck von 200 auf 350 bar erhöht. Die Abgasreinigung erfolgt mit den unausweichlichen Partikelfiltern und einem größeren Kat. Die Leistung bleibt hingegen gleich, genauer gesagt, wie beim bisherigen Performance-Modell. 245 PS stehen von 5.000 bis 6.500/min bereit. Druckvolle 370 Newtonmeter Drehmoment stemmt der 2.0 TSI schon ab 1.600/min und hält den Dampf bis 4.300/min aufrecht. Seine Power lässt den knapp unter 1,5 Tonnen schweren Kompakten in kurzweiligen 6,3 Sekunden auf Tempo 100 schnellen, sagt unser Messinstrument. Damit

ist der Newcomer genauso schnell wie sein direkter Vorfahre und wird auch weiterhin bei Tempo 250 abgeregelt. Ansonsten macht der Turbo-Benziner, was ihn schon immer ausgezeichnet hat: Gleichmäßig druckvoll beschleunigen und agil bis 6.500 Touren ausdrehen, als wäre er ein kräftiger Sauger. Ein Turboloch kennt dieser GTI nicht. Befehle zum Erhöhen der Drehzahl setzt er unmittelbar um, die Kraftentfaltung ist souverän und zieht den Golf eindrucksvoll nach vorn. Bei flotter Fahrt lohnt sich das Zuschalten des Motorsounds via Fahrprofilauswahl. Der Soundaktuator liefert eine kernige, sonore Tonlage, ist aber nicht über Gebühr präsent und passt prima zum Temperament des klassenlosen Sportgeräts.

Messerscharf und höchste Präzision

Stets lebendig gibt sich auch der frisch überarbeitete Siebengang-DSG-Automat, der ruckfreies Anfahren ebenso selbstverständlich beherrscht wie nun schnelleres Schalten im Sportmodus. In dieser Stufe hält er die Gänge zudem auch länger als bisher. Insgesamt macht der Doppelkuppler das Erlebnis GTI komfortabler, bietet obendrein – manuell bedient – eine neue Funktion. Zieht man länger am linken Schaltpaddel, wählt das DSG sofort den niedrigst möglichen Gang. Das ist sehr praktisch beim Überholen oder dem sportlichen Anfahren einer engen Kurve.

Schnelles Abbiegen unterstützt auch die serienmäßige Progressivlenkung, die noch direkter und verbindlicher als bisher abgestimmt ist. Sie liefert besonders im sportlichsten Fahrprogramm klasse Feedback bis in die höchsten Geschwindigkeitsbereiche, ohne dass die Fahrstabilität darunter leidet. In jedem Fall lenkt der Achter zackig, aber nicht nervös, taucht in schneller gefahrenen Kurven kaum ein und bleibt an der Vorderachse enorm fahrstabil. Das fühlt sich athletisch, griffig und fokussiert an.

Eine gewichtige Rolle spielt dabei der neue Fahrdynamik-Manager. Er fungiert als übergeordneter Regler, der alle elektromechanischen Fahrwerkskomponenten miteinander vernetzt. Die mit Bremseingriffen arbeitende elektronische Differenzialsperre XDS-Plus und das optionale Adaptivfahrwerk DCC kommunizieren jetzt mehr und schneller mit Lenkung, ESP und Co. Die Dämpfer passen sich etwa 200-mal pro Sekunde auf Fahrerbefehle und Fahrbahneinflüsse radselektiv an, was letztlich die Stabilität in schnell gefahrenen Kurven verbessert. An der Vorderachse gibt es steifere Querlenkerlager, straffere Federraten von plus fünf Prozent sowie den Alu-Hilfsrahmen aus dem großartigen GTI Clubsport S des 7er-GTI. Der wiegt drei Kilo weniger und erzeugt eine steifere Anbindung, wodurch der GTI an Einlenkagilität gewinnt. Neue Radträger und Dämpferlager sowie 15 Prozent steifere Federraten machen den Sportler ebenfalls regsamer.

Kurven sind sein Zuhause

Auch das Stabilitätsprogramm ESC ist neu justiert und nun voll abschaltbar, wodurch sich der GTI fahrdynamisch noch etwas mehr ausreizen lässt. Im Notfall, etwa bei einer Kollisionswarnung, wird das System vom Front- und Ausweichassistenten reaktiviert.

Beeindruckend ist die nahezu unverwüstliche Traktion auch aus ganz engen Ecken heraus, so dass Untersteuern quasi überhaupt nicht vorkommt. Hier zeigt sich, was das effektive Zusammenspiel der erwähnten Systeme bewirkt, zu denen ebenso die serienmäßige Vorderachse-Quersperre (VAQ) beiträgt. Sie verteilt das Motormoment direkt zwischen den Antriebsrädern und verhilft dem GTI zu noch deutlich mehr Traktion und rennwagenähnlichem Antritt auch aus engsten Kehren heraus. So ausgerüstet kann man es auf kurvigen Strecken richtig fliegen lassen. Damit die Fuhre auch immer schön unter Kontrolle bleibt, hat VW die bewährten großen Bremsen des letzten Performance-GTI eingebaut.

Trotz aller Zutaten ist der GTI kein brutaler Sportler. Obwohl er sich nicht als veritable Sänfte empfiehlt, beherrscht der Wolfsburger auch den automobilen Gesellschaftstanz des komfortablen Reisens hervorragend. Auf langer Strecke erweist er sich als angenehmer Wegbereiter, was neben dem insgesamt geringen Geräuschniveau den adaptiven Dämpfern im Comfort-Modus zuzuschreiben ist. In dieser softesten Stufe bügeln sie trotz aller Grundstraffheit des Setups vor allem kleinere Wellen gekonnt glatt.

Weniger zu einem Sportwagen dieses Formats passt sein Konsumverhalten. Mit einem Testverbrauch von 8,8 Litern zeigt sich der GTI verantwortungsbewusst im Umgang mit hochoktanigem Super Plus und wird bei gezügelter Fahrweise mit einer sechs vor dem Komma gar zum Streber.

Und was kostet der Allround-Sportler? Mit DSG ruft VW für den GTI mindestens 37.607 Euro auf. Bei der gebotenen Leistung und Ausstattung ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis. Das unterbietet nur sein puristischer Bruder mit Sechsgang-Handschaltung um rund 2.000 Euro. Aber gleich zu welchem man eher neigt, am Ende macht das Wechselspiel von Komfort und Sportlichkeit, den neuen Golf GTI zum besten Volkssportler aller Zeiten.


Test kompakt:

Volkswagen versteht es perfekt, die Ikone Golf GTI kontinuierlich weiterzuentwickeln. Jetzt hat er 245 PS und 370 Nm samt den entsprechenden Fahrleistungen. Das DCC-Fahrwerk garantiert Fahrspaß und Komfort, vermittelt eine ungeheure Stabilität und Gelassenheit, auch bei sehr flottem Tempo. Die Verarbeitung ist top, dazu kommt eine Ausstattung mit sehr viel Sinn für Details, aber auch für aktuelle Ansprüche.