Joshua Hildebrand
· 08.03.2023
Für alle, denen ein Cupra Leon VZ von Haus aus zu langweilig ist, bietet Traditions-Tuner Abt Sportsline eine Tuning-Kur samt Performance-Spritze auf 360 PS an. Wird der Kompaktsportler damit besser?
Vorbei die Zeiten, als Tuning cool und angesehen war? Zugegeben: Die Elektromobilität mag für die Individualisierungsbranche nicht unbedingt förderlich sein, dennoch ist das Pimpen von Autos garantiert nicht out. Wenn überhaupt, mag das Angebot an Tunern in den vergangenen Jahren ein wenig dünner geworden sein, doch vor allem renommierte Qualitäts-Tuner halten eisern die Stellung – auch wenn die Akzeptanz in der Gesellschaft ein Allzeit-Tief erreicht haben dürfte. Da wäre zum Beispiel Abt Sportsline aus Kempten. Die Jungs und Mädels aus dem Allgäu beschäftigen sich bereits seit 1967 mit dem Veredeln von Fahrzeugen aus dem Volkswagen-Konzern. 1978 folgte der allererste Golf, zwei Jahre später das erste Chiptuning. Mit den Marken Volkswagen, Audi, Seat, Cupra, Skoda und Lamborghini ist das Portfolio heute größer denn je.
Brrr … Ganz schön kalt hier draußen. Gerade mal vier Grad zeigt unser Cockpit an. Warum wir ausgerechnet zu dieser Jahreszeit ein Tuner-Car testen müssen? Na, weil das Unternehmen Abt seine ersten Gehversuche ebenfalls im Winter tätigte. Genauer gesagt 1860, als Johann Abt eine Kutsche erfand, die in den harten schneereichen Wintern auch als Schlitten benutzt werden konnte – damals eine Innovation.
Der Leon ringt um Traktion
Der Januar passt doch also ganz gut, dachten wir uns. Aufi goat’s – mit Rückenwind ins neue Jahr! Den kauft man beim Abt Cupra Leon VZ sowieso automatisch dazu, weil die Leistunggssteigerung „Abt Power“ dem ohnehin sportlichen Kompaktkracher zusätzliche 60 PS und 50 Nm verleiht – in Summe also 360 PS und 450 Newtonmeter. Na, wenn das mal keine Ansage ist. Sichtbar wird diese Modifikation nur anhand einer kleinen schwarzen Zusatzbox namens Abt Engine Control (AEC), die im Motorraum untergebracht ist. In dieser befindet sich die modifizierte Software. Vorteil hiervon ist, dass das Seriensteuergerät unangetastet und das Fahrzeug vollständig diagnosefähig bleibt. Wer Angst um seine Neuwagengarantie hat, kann aufatmen, da Abt eine Zwei-Jahres-Garantie im Umfang der Werksgarantie nach Erstauslieferung anbietet. Danach bestünde sogar die Möglichkeit einer Anschluss- und Gebrauchtwagengarantie.
So können wir mit gutem Gefühl in unseren modernen Schlitten einsteigen und der schieren Power des 2.0 TSI fröhnen. So viel Leistung aus einem Zweiliter-Vierzylinder? Was früher undenkbar schien, ist inzwischen Normalität geworden – Downsizing sei Dank. Und ja, was sollen wir sagen, die Leistungssteigerung ist im Vergleich zum Serien-Cupra durchaus spür-, aber nicht messbar. Wie das Serienpendant braucht der Abt 5,7 Sekunden, mit Sportreifen verspricht der Tuner 5,4 Sekunden. Doch wenn der Cupra erst einmal rollt, dann läuft’s nicht nur, dann rennt’s! Das Problem: Das von uns getestete Exemplar erreichte die Redaktion auf Pirelli-Winterrädern Sottozero 3 und der Leon hat bei diesen Verhältnissen seine Mühe, das ganze Drehmoment problemlos auf die Straße zu bringen. Nicht etwa, dass die Pirellis schlecht seien – andere Winterreifen hätten sicherlich auch zu kämpfen. Doch, zeigt sich der Frontantrieb trotz Launch Control aus dem Stand etwas überfordert. Die Folge sind Stempeln und das Ringen um Grip. Mit Sommerrädern sähe die Sache garantiert anders aus – hatten wir doch bereits ähnliche Abt-Derivate mit sportlichen Sommerreifen im Test. Und bei all jenen war die Traktion trotz nur einer Antriebsachse richtig gut.
Wer Geduld hat und besonders gefühlvoll mit dem Gaspedal umgehen kann, wird auch mit M+S-Reifen den versprochenen, drei Zehntel besseren Sprintwert hinbekommen. Bevor Sie fragen: Ja, das ESC lässt sich ganz deaktivieren, das bringt aber eher Nachteile. Es ist und bleibt eben ein Fronttriebler, der sich bereits im Serienzustand überragend fahren lässt. Im Übrigen bietet er die gleiche Technik wie ein Golf GTI Clubsport, kostet allerdings 2.000 Euro weniger. Dieses Geld lässt sich dann in diverse Tuningartikel stecken – wie etwa die genannte Leistungssteigerung, die mit 2.450 Euro (ohne Montage und TÜV) zu Buche schlägt. Dann ist der Leon mit Sommerreifen sogar schneller auf Tempo 100 als der VW, zieht aber irgendwann von dannen.
Sportlicher, aber weniger komfortabel
Oder man investiert das Geld wie hier in Abt-Sportfedern mit 30 Millimetern Tieferlegung. Auf den ersten Blick eine gute Wahl, weil es der Optik zugute kommt und die Adaptivfähigkeiten des serienmäßigen DCC-Fahrwerks erhalten bleiben. Auf dem ersten Kurvenritt wirkt sich das Setup trotz kleinerer 19-Zöller aber als ziemlich unkomfortabel heraus. Der Leon liegt wie ein Brett auf der Straße, hoppelt aber selbst im Comfort-Modus wie ein Häschen über die Straßen der Republik. Besser wird es bei hohen Tempi jenseits der 150 km/h, dann vermittelt das stramme Fahrwerkssetup sogar ein zusätzliches Sicherheitsgefühl wie auf Schienen. 20-Zöller von Cupra oder Abt dürften diesen Effekt noch weiter verstärken. Der Leon lässt sich kaum aus der Ruhe bringen, was man auch an der äußerst straffen Progressivlenkung feststellen kann. Die hohen erforderlichen Lenkkräfte in Kombination mit der Tieferlegung passen zwar zu dieser Krawallbüchse, erfordern auf kurvenreichem Terrain allerdings ein bisschen Arbeit. Ganz ehrlich: Wer solch ein Auto zum Tuner schickt, ist schmerzfreier als so manch anderer und weiß in aller Regel, worauf er sich einlässt. So muss man sich auch darauf einstellen, dass steile Auf- oder Abfahrten (etwa in Parkhäusern) aufgrund von Bodenkontakt hin und wieder für Stirnrunzeln sorgen können.
Wäre der Cupra nicht foliert, sähe er ziemlich normal aus. Dass hier 360 PS unter der Haube stecken, sorgt so oder so für staunende Gesichter
Trotzdem zeugt die Abt-Arbeit von einer erhöhten Kurvenperformance, die den Grenzbereich ein bisschen erweitert. Sportliches Kurven-Zersägen bereitet im gepimpten Spanier noch mehr Freude als im Serienpendant, die elektronische Differenzialsperre XDS verhindert weitgehend das Durchdrehen der Räder und lässt stets
so viel Traktion zu, wie nur möglich. So kann man kurvenausgangs voll auf dem Pin stehen bleiben, den Rest erledigt die Elektronik – einfach, aber effektiv. Dass das maximale Drehmoment bei 2.500 Touren etwas später anliegt, als bei der Serie (2.000/min), merkt man nicht. Einzig das 7-Gang-DSG zeigt sich bei spontanen Kickdowns manchmal überfordert und ringt mit dem richtigen Gang. Wer über die Schaltpaddels am Lenkrad schaltet, kann diesem Umstand aber gut entgegenwirken. Und auch der Blick auf die Tankanzeige birgt keine bösen Überraschungen, der Verbrauch fällt mit 10,1 Litern unbedeutend höher aus als bei der Serie. Klangtechnisch bleibt der Cupra unangetastet, was nicht weiter schlimm ist.
Im normalen Fahrbetrieb entweicht der Vierrohr-Abgasanlage ein leichtes Brummen, unter Volllast drängt sich das Turbo-Schlürfen in den Vordergrund und der Sound kommt dem eines startenden Düsenjets gleich. Wer das Gaspedal im Cupra-Modus lupft, der darf sich an plobbenden Fehlzündungen erfreuen. Passanten freut’s eher weniger, wenn sie zunächst neugierig der auffälligen Folierung hinterherschauen, sich dann aber erschrecken – Sorry! Ja, der Abt Leon fällt vor allem aufgrund seines bunten Äußeren auf, das ansonsten auf weitere Anbauteile verzichtet. Mehr braucht es auch gar nicht, denn das Abt-Tuning ist „on point“, effektiv und macht den Leon keineswegs schlechter. Nur eben etwas kompromissloser.