VW Polo GTIJetzt wird’s eng!

Joshua Hildebrand

 · 08.08.2022

VW Polo GTI: Jetzt wird’s eng!Foto: Jan Bürgermeister

Kleine, freche Alltagssportler sind vom Aussterben bedroht – erst recht, wenn sich ein großer Motor unter der Haube befindet. Im Falle des VW Polo GTI bedeutet das: zwei Liter, 207 PS, zweifellos viel Spaß. Braucht es den Golf da überhaupt noch?

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Foto: Jan Bürgermeister

Das Ende der Kleinst- und Kleinwagen rückt näher – erst recht für performante Flitzer. Lassen Sie es uns kurz erklären: Für die Hersteller werden die renditeschwache Modelle immer unattraktiver. Auch, weil die Verschärfung der Abgasnorm (bald Euro7) zusätzliche abgasreinigende Technik voraussetzt, um den CO2-Flottenwert der Hersteller zu reduzieren. Sonst drohen empfindliche Strafen. Zudem werden dadurch auch jene Modelle teurer, was der preissensiblen Käuferschicht sicher nicht gefällt. Paradoxerweise setzt außerdem der politische Druck zur CO2-Reduzierung den eigentlich ressourcen-schonenden Kleinwagen zu. Darüber hinaus lässt sich heutzutage manches spaßbetonte Modell seitens der Hersteller nur noch schwierig rechtfertigen. Bleibt der Fun-Faktor nun bald ganz auf der Strecke?

Ein kleiner Kurvenstar

Hoffentlich nicht. Aus Protest gehen wir deshalb auf die Straße. Macht man ja heute so, oder? Also: Zündung! Mit der Gewissheit, dass es den Polo GTI in dieser Fassung wohl nicht mehr allzu lange geben wird. Gemeint ist hauptsächlich der prestigeträchtige 2.0 TSI mit 207 knackigen Pferdchen, die dem Fahrer ordentlich Feuer unterm Hintern machen.

Im Vergleich zum Vorgänger-GTI (Polo VI, Typ AW, 2017 – 2020) hat sich kaum etwas geändert. 7 PS Mehrleistung sind wohl nicht der Rede wert. Und das Drehmoment? Bleibt mit 320 Newtonmetern sogar identisch und liegt bereits bei 1.500 Umdrehungen an. Einziger Knackpunkt: Handarbeit ist ab sofort tabu, geschaltet wird ausschließlich via 7-Gang-DSG (DQ381).Gewiss wäre der einstige 6-Gang-Handschalter das aufregendere, spaßigere Tool für diese Knallbüchse gewesen. Der recht lang übersetzte Automat ist aber komfortabler, was einen Gewinn im Alltag bringt – erst recht beim Im-Stau-Stehen, was ja inzwischen häufiger vorkommt. Zum Glück genießen wir heute freie Fahrt, drücken das Gaspedal in Richtung Bodenblech und erleben die grandiosen Stürmerqualitäten des Sport-Polos. Dann drückt uns der klein Wolfi gehörig in die Karositze, meistert binnen 6,5 Sekunden den Spurt auf Tempo 100 und fährt erst bei 240 km/h in den Begrenzer. Wow!

Das lässt in uns erneut die Frage keimen: Kannn der Golf GTI nun einpacken? Nun: Lassen Sie es uns mal so sagen: Der Top-Polo kommt der Ur-Fassung des Golf GTI am nächsten – schon allein wegen seiner Proportionen und der etwas einfacheren Technik. Dazu gefällt sein schmissigeres Handling, dass auf der kürzeren Wagenlänge und des kleineren Radstands basiert. Da ist es auch völlig egal, dass der Polo auf einen Fahrdynamikmanager, wie ihn der Golf 8 GTI an Bord hat, verzichten muss. Er braucht ihn nämlich gar nicht. Für ein launiges Fahrverhalten reichen im Serienzustand ein einfaches 15-Millimeter-Sportfahrwerk, XDS und 17-Zöller. Etwas mehr Sportcharakter bringen die größeren 18-Zoll-Felgen sowie das „Sport Select“-
Fahrwerk (565 Euro), das in zwei Stufen – normal und Sport – verstellbar ist. Um ehrlich zu sein, fällt der Unterschied zwischen beiden Dämpfungskennlinien aber eher gering aus.

So oder so fordert der willige Polo förmlich dazu auf, sein volles Spaßpotenzial auszuloten, sofern man die Gangwahl via Schaltwippen selbst beeinflusst. Ansonsten tendiert das DSG Kurvenausgangs gerne mal zu einer zu hohen Gangwahl, welche der Doppelkuppler dann erst sortieren muss. Dabei entzückt das Topmodell mit Kart-
ähnlichem Einlenkverhalten und einer geringen Seiten-
neigung, da die Stabilisatoren stärker ausfallen als bei den konventionellen Polos. Leider bremst ihn das auf Sicherheit getrimmte und nicht komplett abschaltbare ESP hin und wieder ein – vor allem, wenn der Fahrbahnbelag feucht ist. Bei artgerechter Haltung untermalt der fetzige Wolfsburger sein Talente mit einem knurrigen Soundtrack, der im Innern aber intensiver klingt als von außen. Ja, noch nie kam der kleine GTI dem großen so nah – sportlich betrachtet.

Süßer, kleiner Polo – das war einmal …

Der Wolfsburger zeigt sich im Detail verfeinert und gereift. Der MQB bringt seit dem Vorgänger einige Vorteile mit: Optisch offenbaren sich knackige Proportionen, „unter dem Blech“ stecken Neuerungen für eine gesteigerte Karosseriesteifigkeit und gute Crash-Eigenschaften.

Letztlich handelt es sich bei diesem Newcomer nicht um ein ganz neues Modell, sondern eher um ein ausgeprägtes Facelift. Er hat nun so viel PS wie ein Golf 6 GTI, dazu ist er fast so groß wie ein Golf 4. Obwohl das Erfolgsmodell schon 24 Jahre alt ist, scheint er noch immer zu wachsen. Der vielleicht letzte Polo GTI hat minimal in der Länge zugelegt, misst nun 4.074 mal 1.751 mal 1.431 Millimeter. Verglichen mit dem Vorgänger bleibt das Gewicht der DSG-Version mit rund 1.360 Kilo gleich.

Dennoch wirkt der Kleine wie ein komplett neues Auto. Erstaunlich, welchen Effekt die Kombination aus vielen kleinen Änderungen bewirken. Der „gezackerte“ TFL-Liedstrich der LED-Scheinwerfer hat sicherlich polarisiert, ist nun aber leider – oder vielleicht deswegen – nicht mehr vorhanden. Anstelle jener sind nun modernere IQ.Light-LED-Matrixscheinwerfer mit neuer Optik und eine illuminierte Querspange als charakteristische Tagfahrlicht- ergänzung gezogen. Dies soll die Brücke zur neueren VW-Fahrzeuggeneration schlagen. Selbstverständlich bleibt der rote Streifen im Kühlergrill erhalten, der sich wieder in die Scheinwerfer zieht. Dazu gesellt sich eine neue Frontschürze mit ausgeprägterem Wabenmuster – typisch GTI eben. Außerdem hat der Polo nun wie der große Golf-Bruder wabenförmige Nebelleuchten im Stoßfänger, jeweils zwei pro Seite. Auffälligste Änderung am Heck des neuen Polo GTI sind die zweiteiligen LED-Rückleuchten mit animiertem Bremslicht und integriertem dynamischen Blinklicht.

Dazu thronen die drei „heiligen“ Buchstaben GTI ab sofort getreu der Corporate Identity unterhalb des VW-Emblems. Nicht fehlen dürfen natürlich rote Bremssättel, der typische Doppelrohrauspuff sowie schicke 18-Zöller, hier vom Typ „Faro“ (450 Euro).

Stimmungsvolles Interieur

Echte GTI-Fans legen Wert auf die kleinen, fetzigen Details, die Embleme, all die roten Insignien. Man soll ja auch sehen, dass es sich hierbei um das Topmodell der Polo-Familie handelt. Davon hat Volkswagen der neuen Generation wieder eine ordentliche Portion spendiert: Schon von weitem blitzen uns die vom Sonnenlicht angestrahlten Knallrot-Dekoreinlagen des Interieurs an – das macht Lust auf mehr. Der Blick in in den Fond des Viertürers fällt hingegen recht trist aus. Je nach Körperbau und -größe sowie Anzahl der Gepäckstücke könnte der Polo sogar als Reiseauto für vier Personen taugen – komfortabel genug sitzt es sich hierfür in Reihe zwei. Und falls das Kofferraumvolumen von 305 bis 1.079 Liter nicht ausreichen sollte, gäbe es ja auch noch Dachboxen.

Doch vorne spielt die eigentliche Musik: Kultige Karositze mit beachtlichen Allroundfähigkeiten, dazu ein guter Qualitätseindruck. Das virtuelle Display ist nun serienmäßig an Bord, gefällt einerseits mit einem roten Anstrich, enttäuscht aber andererseits mit minimalistischen, etwas lieblosen Anzeige. Wabenmuster? Nein. GTI-Emblem? Nö. Schaltblitze? I wo! Scheint alles dem Golf vorbehalten. Dafür hat auch der Polo einen Laptimer und Sportanzeigen im Infotainment, das auf der jüngsten MIB-Generation (3.1) aufbaut. Jenes fällt mit bestenfalls 9,2 Zoll (Discover Pro, 1.670 Euro) schön groß aus, auch die Einbauposition ist perfekt. Zum erweiterten Funktionsspektrum des MIB3.1gehören dank einer Online-Connectivity-Unit (OCU) mit integrierter eSIM die Online-Dienste von „We Connect“ und „We Connect Plus“, zudem stehen neue Funktionen wie der Zugriff auf Streaming-Dienste zur Verfügung. Serienmäßiges „App-Connect Wireless“ ermöglicht die kabellose Einbindung von Apps für Apple CarPlay und Android Auto, induktives Laden lässt sich Volkswagen mit 120 Euro extra bezahlen. Drumherum reiht sich eine Schar von Assistenzen, die mit der neuen Polo-Generation einen neuen Höhepunkt erreicht. So gibt es für ihn kaum etwas nicht, Highlight ist jedenfalls der teilautonome Travel Assist – auch hier holt der Polo auf.

Am Ende des Tages ist der Eintritt in den GTI-Club natürlich auch eine Preisfrage. Hier hat der Polo einen dicken Stein im Brett. Ihn gibt es mit guter Ausstattung ab 31.095 Euro, wohingegen der Golf – angepriesen als „sportliches Original“ – mit 38.250 Euro ein deutlich größeres Loch in die Haushaltskasse reißt. Lesen Sie sich doch einfach nochmal die Überschrift durch und entscheiden Sie selbst. Gute Fahrt!


Test kompakt

Der Polo GTI ist und bleibt ein außerordentlich flotter Flitzer mit prestigeträchtigem Zwoliter-TSI des Golf. Dank kompakterer Abmessungen fährt er sich quirliger als der große Bruder, die einfachere Technik – beim Fahrwerk etwa – birgt kaum Nachteile, auch nicht im Alltag. Dafür profitiert auch das Topmodell von neuen Assistenzen, erweiterter Konnektivität und einer eingängigen Bedienung. Sogar der Verbrauch bleibt im Rahmen. Prädikat: Empfehlenswert!