Joshua Hildebrand
· 03.09.2022
Mit dem ersten E-SUV Coupé ID.5 baut Volkswagen sein elektrisches Modellportfolio weiter aus. Die neue ID.-Softwaregeneration soll dabei Maßstäbe bei Bedienung, Komfort und Laden setzen. Ob’s stimmt, zeigt unser Test des Pro-Performance-Modells mit 204 PS
Egal bei welcher Marke man in die Zulassungsstatistik schaut – SUV tummeln sich immer ganz vorn. Und nun kommen auch noch SUV-Coupés hinzu – aktuell der letzte Schrei. Stylischer und bei Raumangebot, Komfort und Praktikabilität mindestens genauso gut. Nur logisch, dass ein Weltkonzern wie Volkswagen mit von der Partie ist. So haben die Wolfsburger erst kürzlich den ID.5 gelauncht, der Niedersachsen erstes E-SUV-Coupé und das dritte VW-Elektroauto auf Basis des Modularen E-Antriebsbaukastens MEB – nach ID.3 und ID.4. Richtig: vollelektrisch! Nach einem ersten Fahreindruck im österreichischen Tirol können wir nun einen ausgiebigeren Blick auf und in den interessanten Stromer werfen.
Dem GF-Test stellen muss sich das Pro-Modell mit Performance-Upgrade auf 204 PS, somit die derzeit „goldene Mitte“ zwischen dem Pro mit 174 PS und dem sportlichen Allrad-Modell GTX samt 299 PS.
Top Aerodynamik für satte Reichweite
Das neueste Produkt aus Zwickau, dort wird er nämlich produziert, besticht mit reduzierten Kühlluft-Öffnungen, großen lackierten Flächen und kurzen Überhängen. Insgesamt wirkt die Linie des ID.5 ebenso fließend-weich wie beim ID.4; von vorne betrachtet ließe sich sogar kaum ein Unterschied feststellen. Dafür umso mehr am Heck, das sich durch eine Coupé-Dachlinie und einen markanten Heckspoiler auszeichnet – ein absolutes Alleinstellungsmerkmal des ID.5, der übrigens nicht nur der Optik dient. Sondern auch der verbesserten Aerodynamik, die sich im cW-Wert von 0,26 wider- spiegelt. Dazu kommen 3D-LED- Rückleuchten (optional) und ein LED-Leuchtenband wie beim SUV ID.4. 21 Zoll große Leichtmetallräder dramatisieren den Look, sehen keineswegs zu mächtig aus. Der ID.5 ist nämlich ziemlich groß: 4,60 Meter lang, 1,85 Meter breit und 1,61 Meter hoch, wiegt dazu 2,1 Tonnen. Das Platzangebot im Innenraum fällt dank MEB-Architektur äußerst großzügig aus. Trotz dynamischer Dachlinie bleibt der ID.5 variabel, für größere Menschen geht es im Kopfbereich aber knapper zu; hier ist 12 Millimeter weniger Luft als im ID.4. Haare nach oben zu stylen empfehlen wir da eher nicht. Der üppig ausgestattete Testwagen präsentiert sich trotz großem Hartplastik-Anteil gut verarbeitet, die Sitze dürfen sich durchaus als langstreckentauglich bezeichnen lassen; gleiches gilt für jene im Fond. Je nach Stellung der Rücksitzlehnen fasst der Gepäckraum 549 bis 1.561 Liter. Eine elektrisch angetriebene Heckklappe und eine elektrisch ausklappbare Anhängerkupplung sind optional erhältlich, so kann das SUV-Coupé 1.000 kg an den Haken nehmen – perfekt für Radträger. Die Bedienlandschaft des ID.5 ist wie beim ID.4 aufgebaut und konzentriert sich auf zwei Displays – ein kompaktes hinter dem Lenkrad und ein großes, mittig angeordnetes mit 12-Zoll-Diagonale (Serie). Dazu verfügt er über die inzwischen bekannten Hightech-Goodies wie ID.Light, ein Lichtband unter der Windschutzscheibe, sowie ein AR-Head-up-Display (optional), das seine Anzeigen mit der Realität kombiniert. Fast schon selbstredend, dass der ID.5 ebenfalls über eine umfängliche Konnektivität verfügt. Die Nahfeld-Kommunikation „Car2X“, diverse Online-Funktionen dank integrierter SIM-Karte sowie eine umfangreiche Smartphone-Integration lassen keine Wünsche offen. Eine sehr wichtige Neuerung ist die neue ID.Software – Version 3.1 – die unser Testwagen bereits installiert hatte. Für Bestands-ID soll das Over-the-air-Update bald folgen. Dieses macht nicht nur die Sprachbedienung schneller, sondern auch praxistauglicher. Tatsächlich hat das große Auswirkungen auf das Bedienerlebnis.
Gut 400 Kilometer Reichweite
Der 77-kWh-Akku ist die derzeit einzige bestellbare Batteriegröße. Eine gute Zwischenlösung aus Sportlichkeit und Effizienz stellt sicherlich das von uns getestete Pro-Performance-Modell dar. Freudig begrüßt er uns mit einem „Augenzwinkern“, einer Bewegung der pupillen-ähnlichen Lichtkörper des IQ.Lights – ein nettes Gimmick. Ein Ton signalisiert die Betriebsbereitschaft, schon stromern wir geräuschlos vom Hof.
Geschmeidig geht es weiter: Die 204 PS und 310 Newtonmeter der permanent erregten Synchronmaschine im Heck zeigen sich hellwach. Ein Druck aufs Fahrpedal wird mit sofortigem Vortrieb quittiert. Zwar wird der ID.5 Pro Performance auch dadurch kein Beschleunigungswunder, aber Landstraßentempo erreicht der Wolfsburger trotz des hohen Gewichts ziemlich mühelos binnen 8,4 Sekunden. Darüber wird’s ein bisschen zäher, doch auch die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ist flott erreicht. Dank 1-Gang- Getriebes gibt’s eben keine Schaltverluste. Begeistert sind wir vom Fahrkomfort, der Elektroauto-typisch sehr entspannt ausfällt. Das Geräuschniveau während der Fahrt ist sehr niedrig – das E-SUV-Coupé entfaltet seine Kraft beinahe lautlos. Hinzu kommen die ausgewogene Lenkung, die jedoch hier und da ein bisschen an Rückmeldung vermissen lässt, und vor allem das komfortable DCC-Adaptivfahrwerk, das eine großzügige und durchaus spürbare Verstellung der Fahrzeugcharakteristik erlaubt. VW beweist auch hier wieder einmal seine Expertise im Bereich Fahrwerkstechnik. So erlaubt es eine angenehm differenzierte Spreizung zwischen Komfort und Sport, packt seine Insassen aber meistens in Watte. Kurvenfahrten mit der Brechstange werden vom ESC vehement eingebremst, so dass der Hecktriebler sicher und spurstabil bleibt.
Unterstützung erhalten wir während der Fahrt von umfangreicher Assistenz. Gefallen gefunden haben wir definitiv am Travel Assist – ein teilautonomes Fahrsystem nach Level 2, das seit geraumer Zeit in vielen Volkswagen zum Einsatz kommt. Mithilfe der neuen Softwaregeneration kann der ID.5 nun aber auch assistierte Spurwechsel vornehmen: Mit zwei Radaren im Heck und per Ultraschall kann der „Travel Assist mit Schwarmdaten“ den umliegenden Verkehr im Blick behalten und auf der Autobahn ab 90 km/h auf Wunsch auch aktiv beim Spurwechsel unterstützen. Im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig, dann aber nur faszinierend. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Beruhigend: Wir können jederzeit eingreifen und das Manöver übernehmen. Damit nicht genug: Stehen anonymisierte Schwarmdaten von anderen Volkswagen zur Verfügung, kann der „Travel Assist“ nun auch auf Straßen mit nur einer Spurmarkierung unterstützen. So orientiert sich das Fahrzeug lediglich an einer erkannten Fahrbahnbegrenzung, um die Spur zu halten. Dies funktioniert in Summe zufriedenstellend, zwei Mal mussten wir jedoch die Lenkung manuell korrigieren. Dafür überraschte uns der „Park Assist Plus mit Memory Funktion“ umso positiver: Zusätzlich zur kompletten Führung kann der neue Helfer zusätzlich auch individuelle, einmal gelernte Parkmanöver selbstständig reproduzieren. Wir müssen also rein gar nichts mehr machen – nicht einmal bremsen oder lenken. Die Memory-Funktion merkt sich dabei Parkvorgänge unterhalb von 40 km/h mit einem Fahrtweg von bis zu 50 Metern. Ein komisches Gefühl, wenn der Computer einparkt? Korrekt. Funktioniert aber klasse!
Laden mit bis zu 135 kW
Grundsätzlich fährt der ID.5 sehr effizient. Vor allem im B-Modus verzögert der Stromer recht stark, so dass man ihn auch nur mit einem Pedal fahren kann. Im D-Modus lässt es sich auch segeln. Die Stärke der Rekuperation lässt sich wie bei Audi Q4 und Skoda Enyaq nicht verstellen. Nachteile birgt dies aber nicht. VW gibt konfigurationsspezifisch einen kombinierten Verbrauch nach WLTP von 18,1 kWh auf 100 Kilometer an. Im Test brachten wir es im Drittelmix (Stadt, Land, Autobahn) auf 20,9 kWh. Die Test-Reichweite betrug maximal 396 Kilometer, wichtig ist die Wahl der optionalen Wärmepumpe.
Wer lange Strecken fährt, tut gut daran, die Fahrzeug-interne Navigation zu bemühen. Die enthält nämlich nun eine clevere Multistopp-Routenplanung. Dabei bezieht sie Verkehrs- und Streckendaten ebenso wie den gewünschten SOC (Ladestand) am Ziel und die Restreichweite ein. Die Bewertung der Ladestopps erfolgt dynamisch und richtet sich nach der Leistung der Säulen. Im Ergebnis kann die Routenplanung zwei kurze Ladevorgänge mit hoher Leistung statt eines einzigen langen mit niedriger Leistung vorschlagen.
Laden, das kann der ID.5 mit bis zu 11 kW Wechselstrom (AC), im Optimalfall mit 135 kW Gleichstrom (DC). Beim Ladevorgang fällt auf: Das Lademenü, das auf dem 12-Zoll-Touch-Display erscheint, zeigt sich mit der neuesten ID.Software 3.1 aufgeräumter – gut so!
Das E-SUV-Coupé unterstützt jetzt auch die komfortable Ladefunktion Plug & Charge. Dabei kann sich der ID.5 automatisch an dafür kompatiblen Ladesäulen authentifizieren und beginnt selbstständig das Laden. So zumindest die Theorie, denn kompatible Ladesäulen sind derzeit eher noch rar. Und noch etwas: Volkswagen hat durchblicken lassen, dass ihr schneidiges E-Coupé bald auch bidirektionales Laden unterstützen und somit auch als Stromspeicher dienen kann.
Abschließend noch etwas zum Preis: Der ID.5 Pro mit 174 PS startet nach Preisanpassung nun bei 47.935 Euro. Das stärkere Pro-Performance- Modell kostet nur gut 1.000 Euro mehr. Da die Leistungssteigerung allerdings kaum Auswirkungen auf die Reichweite hat, wäre dies auch unsere erste Wahl. Und der GTX? Spielt sowieso in einer anderen Liga – nicht nur preislich.