Florian Neher
· 13.01.2023
Auch und gerade mit Erdgas macht Golf-Fahren Spaß. Denn der 1.5 TGI DSG ist dank 200 Nm und 131 PS nicht nur flott, sondern auch überaus sauber und sparsam
Ein Golf passt immer – das ist für Sie, liebe GUTE FAHRT-Leser, freilich keine besonders neue Erkenntnis. Dass Everybody’s Darling aber dennoch kein angepasster Langweiler ist, beweist schon seine schiere Antriebsvielfalt: Sie reicht von klassischen Otto- und Dieselmotoren über Mild- und Plug-in-Hybride bis zum Erdgasantrieb. Lediglich die Elektroabteilung überlässt er mittlerweile großzügig dem MEB-Cousin ID.3. Insbesondere der Erdgasantrieb, also das Fahren mit CNG (Compressed Natural Gas), ist ein technischer Leckerbissen mit einer hervorragenden Ökobilanz. Nicht zu verwechseln ist CNG mit LPG (Liquified Petroleum Gas), also Flüssiggas oder Autogas, das sich – wie Campinggas – im Wesentlichen aus
Butan und Propan zusammensetzt. LPG-fähige Autos bieten nur noch wenige Hersteller an. Halbwegs populär war einst die Nachrüstung älterer Benziner mit hohem Verbrauch – mit Autogas ließen sich die Kraftstoffkosten in etwa halbieren. Doch nicht nur hinsichtlich der Emissionen, auch in Sachen Energieinhalt hat LPG gegenüber CNG klar das Nachsehen, weshalb der VW-Konzern diese Technologie nicht mehr anbietet. CNG ist zudem äußerst klopffest (120 bis 140 Oktan) und kann daher mit sehr hoher Verdichtung verbrannt werden, was die Effizienz weiter steigert. Und: Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht und meist automatisch bei der Förderung von Erdöl anfällt (es gibt auch reine Erdgasfelder), kann auch ökologisch oder regenerativ erzeugt werden. Im ersten Fall entsteht aus der Vergärung von Gülle und anderen organischen Abfall- und Reststoffen CO2-neutrales Biomethan, in letzterem wird etwa mithilfe überschüssigen Windstroms per Elektrolyse und Methanisierung mit Kohlendioxid synthetisches Methan (e-Gas) erzeugt.
Doch egal, ob fossil, aus Biomasse oder synthetisch hergestellt: An der Erdgastanke bekommt man ohnehin einen Mix mit mehr oder weniger Biomethan-Anteil, der CO 2-Ausstoß ist stets um mindestens 25 Prozent geringer als bei einem entsprechenden Benziner. Darüber hinaus fallen bei der Verbrennung so gut wie keine Rußpartikel an, die Feinstaubemissionen liegen um 95 Prozent und der Stickoxidausstoß um 75 Prozent unter dem eines vergleichbaren EU6-Benziners. Noch sauberer könnte nur ein Elektroauto fahren – vorausgesetzt freilich, dass der Strom dafür bestenfalls nur aus erneuerbaren Quellen käme, was beim derzeitigen Strommix hierzulande nur etwa zur Hälfte der Fall ist. Und der produktionsbedingt schwere CO 2-Rucksack, mit dem ein Elektroauto in sein Leben auf der Straße startet, trübt anfangs die Bilanz des Stromers.
Der langen Rede kurzer Sinn ist folgender: In der Gesamtökobilanz ist der CNG-Antrieb aktuell erstklassig. Und günstig obendrein: Wegen des Ukraine-Konflikts war der CNG-Preis in den letzten Monaten zwar recht volatil, bei Redaktionsschluss kostete – dank Gaspreisbremse – das Kilo allerdings weniger als einen Euro, das Füllen der drei Gastanks des Golf 1.5 TGI mit insgesamt 17,3 kg (respektive 115 Liter) Erdgas schlug dementsprechend mit nur rund 17 Euro zu Buche. Der Tankvorgang selbst gelingt auch Anfängern auf Anhieb und dauert kaum länger als bei einem konventionellen Benziner oder Diesel. Und nach dem Tanken prangt eine Reichweite von 400 Kilometern im Fahrerdisplay – und zwar bezogen auf den reinen Gasbetrieb des „quasionovalenten“ Antriebs, der erst automatisch auf die Benzinreserve von neun Litern umschaltet, wenn die Gastanks leer sind. Macht unterm Strich, je nach Fahrweise, realistische 500 bis 550 Kilometer Praxisreichweite.
Klar, wer nicht die „eiserne“ Benzinreserve antasten und dann doppelt tanken möchte, steuert schon eine CNG-Tanke an, bevor der Gasvorrat zur Neige geht. Womit wir uns dem einzigen echten Wermutstropfen des Erdgas-Antriebs nähern: Exakt 936 CNG-Stationen gibt es im November 2022 hierzulande – grundsätzlich gleichmäßig über Deutschland verteilt, leider aber mit Lücken in ländlichen Gegenden und Ballungen in größeren Städten. Wer also das Landleben liebt und eigentlich auch ökologisch Auto fahren möchte, wird wohl dennoch mit dem Erdgasantrieb hadern, wenn er zum Betanken lange Umwege in Kauf nehmen muss, was die Kosten- und Umweltbilanz verhageln würde. Genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn warum sollten Tankstellenbetreiber auf dem Land ihr Angebot auf CNG ausweiten, wenn dort niemand ein Erdgasauto fährt, weil das CNG-Netz so dünn ist? Und weil die Zukunft doch ohnehin dem Elektroauto gehört – zumindest nach Ansicht unserer Regierung. Und das, obwohl das Laden für die meisten Menschen, die in Wohnungen und Hochhäusern leben, immer noch praktisch unmöglich ist.
Wer also eine CNG-Tanke in der Nähe hat, dem sei gesagt, dass er mit dem 1.5 TGI einen voll alltagstauglichen Golf mit allem Zipp und Zapp und ohne faule Kompromisse bekommt. Die Zugeständnisse an den Erdgasbetrieb sind schnell erzählt: Die Reserveradmulde und der doppelte Boden des Kofferraums entfallen zugunsten der Gasspeicher – zwei Behälter sind unter dem Gepäckraum, ein dritter vor der Hinterachse installiert. Der Neun-Liter-Benzintank sitzt übrigens dazwischen, über der Verbundlenker-Hinterachse, die VW allen frontgetriebenen Golf unterhalb von 150 PS montiert. Das Ladevolumen sinkt so von 380 bis 1237 auf 291 bis 1147 Liter – verschmerzbar. Das Platzangebot für die Passagiere indes bleibt vorn wie hinten unverändert großzügig.
Wie gewohnt, wird man im Innenraum von hochwertigen Materialien empfangen, die lupenrein verarbeitet sind. Man nimmt Platz auf den Konzern-typisch perfekt geformten Sitzen, die überragenden Komfort auf der Langstrecke mit gutem Seiten-halt verweben. Die Hände fallen von selbst auf das relativ kleine, wunderbar griffige Lenkrad, über das die höchst präzise und sehr direkt übersetzte Lenkung bedient wird – beim Testwagens war die Progressivlenkung (215 Euro Aufpreis) an Bord, die dem Golf zu besonderer Handlichkeit verhilft.
Zur Leichtfüßigkeit trägt auch das recht stramm abgestimmte Fahrwerk bei, das in Verbindung mit den aufpreispflichtigen 18-Zöllern des Testwagens für ein überraschend dynamisches Fahrverhalten sorgt. Bei langsamer Fahrt auf holprigen Strecken könnte der Federungskomfort allerdings deutlich softer ausfallen, erst mit steigendem Tempo wird die Fahrwerksabstimmung schlüssig. Abhilfe in Form der Adaptivdämpfung DCC ist für den TGI leider nicht bestellbar. Zugunsten des Komforts würden wir uns daher auf 16- oder 17-Zoll-Räder beschränken. Und da wir schon beim Jammern sind: Die Bedienung der Klimatisierung und des verschachtelten Infotainmentsystems über berührungssensible Oberflächen bleibt oft ein Mysterium und lenkt unnötig ab.
Doch kommen wir endlich zum Herzstück, dem Motor des Golf 1.5 TGI, den es ausschließlich in der Ausstattung Life und mit dem hocheffizienten, blitzschnell schaltenden Doppelkupplungsgetriebe gibt. Der EA211 evo, so die interne Bezeich-nung des 1,5-Liter-Benziners, bündelt den aktuellen Stand der Motorentechnik zu höchster Effizienz: Neben der für den Fahrer nicht zu spürenden Zylinderabschaltung im Teillastbereich ist vor allem der Miller-Brennzyklus erwähnenswert. Hierbei werden noch während des Ansaugtakts die Einlassventile vorzeitig geschlossen, was den Wirkungsgrad, insbesondere in Verbindung mit Turboaufladung, erhöht. Da durch den Miller-Zyklus die Abgastemperaturen sinken, kann ein Lader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) zum Einsatz kommen – bei Ottomotoren wegen der normalerweise sehr hohen Abgastemperaturen eine absolute Ausnahme, die sich sonst nur Porsche leistet. Weiterer Effekt der niedrigen Verbrennungstemperaturen durch das Miller-Prinzip: Die Verdichtung kann auf 12,5:1 angehoben werden, was die Effizienz weiter verbessert. Was von so viel grauer Theorie auf der Straße ankommt? Ein flott ansprechender Turbomotor, der stets ein solides Drehmomentkissen unter dem Gaspedal hat. Und der sich mit gemessenen 9,5 Sekunden für den Spurt auf Hundert sowie 211 km/h Spitze durchaus auch auf die linke Autobahnspur wagen kann.
Allenfalls beim vollen Ausdrehen – was jenseits der Nenndrehzahl von 5.000 Touren ohnehin keinen Sinn macht – plärrt der TGI etwas angestrengt, surft man jedoch die Welle des maximalen Drehmoments (1.400- 4.000 U/min), geht der TGI unauffällig und kraftvoll seiner Arbeit nach. Die Basislinie Life enthält bereits die wichtigsten Sicherheits-Goodies wie die Nahfeldkommunikation Car2X, Frontradar mit Notbremsassistent und Fußgänger-/Radfahrererkennung (Front Assist), Spurhalteassistent, Müdigkeitserkennung, Einparkhilfe vorn und hinten sowie LED-Licht. Klimaanlage, Tempomat und DAB-Radio sind ebenso Serie. Draufpacken lässt sich da freilich noch so einiges: Wie wäre es mit dem Adaptivtempomaten ACC für 320 Euro extra, dem Parklenkassistenten für automatisiertes Einparken (215 Euro) oder der Rückfahrkamera 325 Euro? Oder doch lieber pur genießen?
Die individuelle Ausstattung ändert jedenfalls nichts daran, dass Gasgeben bei diesem besonders sauberen und sparsamen Golf extraviel Spaß macht.
Test kompakt
Klar gibt es auch GTI und R – doch Gasgeben macht im Golf 1.5 TGI besonders viel Spaß, da er eine hervorragende Umweltbilanz vorweisen kann und zudem, ganz direkt, den Geldbeutel schont. Allerdings macht der Erdgasantrieb nur Sinn, wenn man tatsächlich eine CNG-Tankstelle in der Nähe hat. Die übrigen Nachteile wie das geringere Kofferraumvolumen sind vernachlässigbar.