VergleichstestAudi A4 Avant 40 TDI vs. VW Passat Variant 2.0 TDI - Unter Brüdern

Joachim Fischer

 · 14.08.2021

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Foto: S. Bau / J. Bürgermeister

Audi A4 Avant 40 TDI Quattro S-Tronic und VW Passat Variant 2.0 TDI 4Motion DSG spielen bei Abmessungen und Leistung in einer Liga. Welcher hat das Zeug zum Meister?

Eine Größe, zwei Konzepte: Der Audi A4 Avant 40 TDI Quattro S-Tronic und der Volkswagen Passat Variant 2.0 TDI 4Motion DSG sind Brüder aus einem Konzern, zelebrieren aber auch gerne ihre Unterschiedlichkeit. Auf der einen Seite haben wir den familienfreundlichen Altmeister VW PassatVariant, ein Kind des MQB (Modularer Querbaukasten) aus Wolfsburg, der für maximale Raumausbeute kräftig gestretcht wurde und dessen Heck raumoptimiert steil abfällt. Der Variant ist seit Jahrzehnten der „Lieblings-Pampersbomber“ der Kombi-Nation Deutschland, Traum aller Familienväter mit Baumarkt-Kundenkarte und vieler Handelsreisender.

Auf der anderen Seite steht der edle Audi A4 Avant aus dem Ingolstädter MLB (Modularer Längsbaukasten). Bei nahezu identischer Außenlänge (4.762 zu 4.773 mm des Variant) bietet der Premium-Kombi zwar einen um vier Zentimeter längeren Radstand (2.820 zu 2.786 mm im Variant), am Ende aber etwas weniger Raum für Passagiere und Gepäck, da der Längseinbau des Motors im Gegensatz zum Quereinbau (MQB) etwas Platz kostet und das Heck zu Gunsten eines sportlich-dynamischeren Aussehens coupéhaft schräg abfällt.

Viel Platz auf der Rückbank

Aber schauen wir doch etwas genauer hin. Die Sitzpositionen vorne sind für große und kleine Menschen gleichermaßen perfekt einstellbar. Im Audi sitzt man gefühlt etwas tiefer, weil die Fensterbrüstung etwas höher angelegt ist. Die Sitze selbst sind hierwie da straff und damit langstreckentauglich gepolstert. Die Beinauflagen lassen sich bei beiden Test-Kandidaten ausziehen und sind ausreichend lang. Die Sitze bieten alltagsgerechten Seitenhalt. Das Cockpit des Passat ist etwas luftiger gestaltet, im Audi fühlt man sich – auch durch die leicht zum Fahrerplatz geneigte Mittelkonsole – etwas stärker eingebettet. Das unterstreicht auch die Innenbreite vorne, die im Passat mit 1.550 Millimetern um vier Zentimeter größer ausfällt als im Avant.

Wechsel in den Fond. Hier fällt der Unterschied deutlicher aus. Die Rücksitze sind im Audi stärker konturiert, die Auflageflächen für die Oberschenkel bei beiden Modellen nahezu identisch und angenehm lang bemessen. Die Sitzhöhe liegt hier im A4 fünf Zentimeter unter dem Niveau des Passat, der auf 1.010 Millimeter kommt. Die Kniefreiheit zum Vordersitz beträgt bei gleicher Grundeinstellung zum Vordermann im VW eine gute Handbreit, beim Audi ist es nur gut ein Finger. Die Kopffreiheit fällt im Variant mit 90 Millimetern ebenfalls eindeutig luftiger aus als im Avant, der 50 mm bietet. In der Innenraumbreite hinten weist der Passat abschließend mit 1.530 Millimetern über sechs Zentimeter mehr Raum auf als der Audi – angenehm, wenn man auf der Rückbank mit drei Personen unterwegs ist.

Bleibt noch das Kofferabteil. Beide Gepäckräume sind glattflächig, haben eine rückenfreundlich niedrige Ladekante und seitlich großzügig bemessene Ablagefächer. Das Umlegen der 60:40 geteilten Rücksitzlehnen gelingt einfach und auch vom Heck aus. Der Variant hat auch hier vor allem bei der Laderaum-Tiefe mit 1.145 zu 1.060 Millimetern die Nase vorne, bietet riesige 650 bis 1.780 Liter Volumen. Da kann der Avant mit 495 bis 1.495 Litern nicht ganz mithalten.

Darüber hinaus gibt es für den Passat Variant mit dem optionalen Gepäck-Management-Paket (380 Euro) noch etwas Besonderes: Neben allerlei Material zur Ladungssicherung für die Kofferraumschienen (auch für den A4 Avant erhältlich) enthält es einen auf eben jenen Schienen verschiebbaren zweiten Ladeboden. So kann etwa eine Sprudelkiste ganz einfach ins Heck gelupft und locker ohne Wirbelakrobatik bis an die Rücklehnen der Fondsitze verschoben werden. Eine geniale Lösung!

Im Kapitel Platz und Nutzwert ist der Passat Variant klarer Sieger. Er gibt den unprätentiösen Praktiker mit verschwenderisch viel Raum. Der Audi A4 Avant spielt dagegen perfekt die Rolle des Luxus- Lasters, der zuallererst auf edles Wohlfühlambiente und schicke Details für zwei bis vier Personen setzt.

Widmen wir uns dem Antrieb. Beide Testkandidaten hatten den frisch überarbeiteten Evo-Zweiliter-TDI Direkteinspritzer-Turbodiesel an Bord. Das Aggregat wurde in vielen Belangen nochmals verfeinert – speziell natürlich in Bezug auf Abgase sowie Effizienz. Um hier das Bestmögliche zu erreichen, wurde neben DPF und Oxi-Kat das besonders wirkungsvolle Twindosing-System appliziert, das mittels zweier SCR-Katalysatoren und der jeweils zugehörigen AdBlue-Einspritzung vor allem die Stickoxide nahezu komplett aus dem Abgas eliminiert. Im A4 Avant leistet das Triebwerk 204 PS, im Passat Variant genau 200 Pferdestärken. Das maximale Drehmoment geben beide Hersteller mit 400 Nm an. Doch da sind trotz gleicher Basis auch gravierende Unterschiede. Während der Passat Variant den Motor klassisch nutzt, hat der A4 Avant 40 TDI noch zusätzlich ein Mild-Hybrid-System mit 12-Volt-Riemen-Starter-Generator integriert. Dieses wird allein für längere Segelphasen beim Gaswegnehmen und frühere Motor-Abschaltung im Start-Stopp-Betrieb genutzt, Leistungs-Boosten findet nicht statt.

Beide Kombis mit Allradantrieb

Angeflanscht ist bei beiden Mittelklasse-Kombis serienmäßig ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit Freilauf, beim Variant DSG und beim Avant S-Tronic getauft. Beide Getriebe agieren im besten Sinn unauffällig – das bedeutet ruckfrei, schnell und spritsparend früh hochschaltend. Hinzu kommt optional der in den Testwagen jeweils verbaute Allradantrieb. Bei Volkswagens 4Motion handelt es sich um ein vollelektronisch geregeltes System nach Haldex- Prinzip, das die Hinterräder bei Bedarf automatisch zuschaltet. Beim Audi ist der ebenfalls automatisch zuschaltende Quattro-Ultra-Antrieb installiert. Beide Systeme verzichten aus Effizienzgründen auf Permanent-Betrieb.

Doch gerade bei den obligatorischen Fahrleistugsmessungen zeigt auch der zuschaltende Allrad hie‘ wie da seine Vorteile. Gripsicher absolvieren die zwei Aspiranten den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h in ebenso souveränen wie identischen 7,2 Sekunden. Erst darüber enteilt der A4 Avant dem Passat Variant etwas, benötigt bis 160 km/h zum Beispiel 17,9, der Variant 19,4 Sekunden. Das dürfte hauptsächlich am besseren cW-Wert des A4 Avant liegen, denn im Gewicht schenken sich die beiden mit 1.675 zu 1.700 Kilo (A4 Avant)nicht viel. Dafür wartet der Audi bei der Höchstgeschwindigkeit mit einer Überraschung auf: Er ist auf 210 km/h abgeregelt. Warum? Er trägt serienmäßig spritsparend rollwiderstandsoptimierte Reifen, die nicht mehr zulassen. Wer die volle Vmax von möglichen 236 km/h ausschöpfen will, sollte also tunlichst das Kreuzchen bei der Sonderausstattung „Abwahl rollwiderstandsoptimierte Reifen, Aufhebung Vmax 210 km/h“ für 150 Euro nicht vergessen. Beim Passat Variant gibt es hier nichts zu verpassen, er rennt immer 230 km/h Spitze.

Ein sehr sparsamer, laufruhiger Diesel

Absolut überzeugend ist indes die Kraftentfaltung und die Laufkultur des neuen Evo-Zweiliter-Diesel. Er spricht wesentlich spontaner und drehfreudiger auf Gasbefehle an als sein 190-PS-Vorgänger, bietet aus dem Drehzahlkeller viel Druck, arbeitet vibrationsfrei und ausgesprochen leise – speziell im noch aufwändiger gedämmten A4 ist die Laufruhe frappierend. Insgesamt ist hier wie dort durch Feinschliff nochmal ein ganzer Schritt nach vorne gelungen.

Und der Verbrauch? Der ist auch beim Diesel in erster Linie abhängig von der Fahrweise – wenn auch nicht ganz so stark wie bei Turbo-Benzinern. Im Testschnitt konsumierte der Variant 2.0 TDI 4Motion DSG genügsame 6,7 Liter Diesel pro 100 Kilometer, bei sehr zurückhaltender Fahrweise im Eco- oder D-Modus der optionalen Fahrprogramme sind auch Verbräuche unter fünf Liter möglich. Auf Vollgas-Etappen können es dagegen auch mal über acht Liter pro 100 Kilometer werden. Der A4 Avant 40 TDI Quattro S-Tronic bewegt sich in einer ähnlichen Bandbreite, konsumierte im Testschnitt 6,4 Liter pro 100 Kilometer, im Minimum 4,7 Liter und maximal 8,1 Liter. Der kleine Vorteil dürfte der Mild-Hybridisierung des Triebwerks zuzuschreiben sein. Wer die durch Segeln konsequent nutzt und den Bleifuß zu Hause lässt, kann sicher noch etwas weniger herausholen.

Doch einmal ganz davon abgesehen beweist dieser Vergleich, dass der Diesel in seiner heutigen, abgassauberen Form noch immer eine Daseinsberechtigung haben sollte und zu Unrecht verteufelt wird. Zwei solch stattliche Fahrzeuge mit Allradantrieb kann man bei den gebotenen Fahrleistungen nur mit einem Diesel so verbrauchsarm bewegen. Gerade Langstrecken- und Vielfahrer wissen das genau.

Diese Zielgruppe schaut in der Regel auch ganz besonders auf zwei andere Testdisziplinen: Fahrdynamik und Komfort. Der S-Line-Avant ist mit seinem Serien-Sportfahrwerk spürbar straffer abgestimmt als der Variant, zudem rollt er bereits ab Werk auf 18-Zoll-Alurädern vor. Der „Elegance“-Passat ist etwas mehr auf Komfort getrimmt, kommt serienmäßig mit 17-Zoll-Rädern. Am Testwagen waren optionale 18-Zoll-„Liverpool“-Felgen montiert. Die Redaktion würde allerdings in beiden Fällen zu den optionalen, verstellbaren Fahrwerken raten. Für den Variant gibt es die adaptive Fahrwerksregelung DCC (1.200 Euro, inkl. Fahrprofilauswahl), für den Avant das Komfortfahrwerk mit Dämpferregelung (690 Euro, Drive Select Serie). Beide Systeme erlauben – im Rahmen der Fahrprofile oder auch individuell einstellbar – eine weite Spreizung zwischen Sport und Komfort. So sind Avant wie auch Variant auf Wunsch sportlich agil oder besonders komfortabel abrollend unterwegs – ganz wonach einem gerade der Sinn steht. Insgesamt betrachtet ist der Avant die etwas dynamischere Wahl, speziell wenn noch die sehr direkte, fein rückmeldende Dynamiklenkung (1.000 Euro) hinzu bestellt wird. Beim Variant heißt das empfehlenswerte Pendant „Progressivlenkung“ und kostet 530 Euro im Rahmen des R-Line-Sportpakets für DCC. So ausgerüstet bieten die beiden Kombis jede Menge Fahrspaß, auch auf Nässe dank ihrer Allradantriebe eine sagenhafte Traktion und sind mit ihrer leicht untersteuernden Abstimmung extrem fahrsicher ausgelegt.

Die Grundpreise der beiden Kombis halten noch eine kleine Überraschung bereit: Der Audi A4 Avant 40 TDI Quattro S-Tronic im S-Line-Trimm kostet mindestens 50.150 Euro, der VW Passat Variant 2.0 TDI 4Motion DSG in der Top-Ausstattung „Elegance“ 52.670 Euro – rund 2.500 Euro mehr als der Audi A4 Avant. Verkehrte Welt!

Die Ausstattung macht‘s

Vertieft man sich in die Serienausstattungsliste, relativiert sich der Mehrpreis für den VW recht schnell. Beheizbare Sport-Comfortsitze vorne, ACC Stop&Go, IQ.Light mit Matrix-LED-Scheinwerfern, dynamischen Blinkern und abgedunkelten LED- Heckleuchten, Dynamic Light Assist, 3-Zonen-Air-Care-Climatronic, Keyless Start – all das und noch viel mehr ist beim Volkswagen bereits serienmäßig an Bord, geht beim A4 Avant aber extra – und das auf Premium- Preisniveau. Dafür ist der A4 Avant wesentlich umfangreicher in Luxus und Finesse individualisierbar.

Extra-Angebote wie Infotainment-Navigation, Online-Dienste, Vernetzung und die vielfältigen Assistenzsysteme befinden sich auf Augenhöhe – sind aber bei Volkswagen günstiger zu haben als im Audi.

Fazit: Die Stärken des Passat Variant sind seine konsequente Nutzwert-Orientierung, die Qualität, die perfekte Technik und sein Komfort. Der Audi bettet dieselben Tugenden in noch feinere Materialien, die wunderbare Verarbeitung sowie noch mehr Komfort – und opfert auf dem Altar des Luxus und des Designs ein Stück Nutzwert. Ansonsten bewegen sich die zwei Konzern- Modelle trotz aller Unterschiede in ihrer Klasse auf einem Niveau – ganz wie es sich für Brüder gehört. Sie haben die Wahl!