Test VW ID. Buzz ProOh happy day!

Arne Olerth

 · 15.01.2023

Test VW ID. Buzz Pro: Oh happy day!

Ob Aretha Franklin am ID. Buzz Gefallen gefunden hätte, bleibt spekulativ. Uns bereitete der E-Bulli aber mindestens genauso gute Laune wie der Klassiker der Soul-Queen – trotz kleiner Wermutstropfen

Das Gesicht in der Menge. Das freundliche Antlitz des ID. Buzz erinnert diffus an die „gute alte Zeit“, ohne dabei altbacken zu wirken
Foto: Jan Bürgermeister

Licht, Sport oder Vitamin D – was machen Sie gegen den Winter-Blues? Wir haben hier etwas ganz Neues für Sie! Der VW ID. Buzz nämlich bereitet gute Laune, überall und jederzeit. Für Piloten und Mitfahrer genauso wie für die Mitmenschen. Sein Design appelliert an den Bauch, erinnert diffus an die „gute alte Zeit“ – ohne dabei altbacken zu wirken. Seit Jahrzehnten nämlich prägt der VW Bus unser Straßenbild, löst Transportprobleme aller Art wie ein rollendes Schweizer Taschenmesser. Er schulterte den Wiederaufbau genauso wie er das Wirtschaftswunder vorantrieb. Später brachte er Sinnsuchende nach Goa und Studienräte im Strick-Pullover nach Brokdorf. Nach der Jahrtausendwende avancierte er als Van-Referenz zum Traumauto für Familienväter und Freizeitsportler – kurz: der Bulli gehört zum deutschen Kulturgut. Und jetzt? Verbindet der VW Bus seine Vergangenheit mit der Zukunft, nimmt stilistisch Anleihen am Urbulli der Fünfziger Jahre, gekrönt von einem vollelektrischen Antrieb. Der Nomenklatur der E-Flotte von Volkswagen folgend, trägt er stolz das „ID.“-Kürzel im Namen, vollendet mit dem Wort „Buzz“. Englisch ausgesprochen gleicht das lautmalerisch verblüffend dem Wort „Bus“ und steht für „Summen“ – ein Wortspiel um die Themen Bulli und E-Antrieb.

Foto: Jan Bürgermeister

Gute Laune ist garantiert

Der ID. Buzz wird jedoch seine Vorgänger mit Verbrennungsmotor nicht in Rente schicken. Vielmehr spannt Volkswagen für das Phänomen „Bulli“ einen Dreiklang auf – mit dem T7 als Van, dem T6.1 als Transporter, Van und Camper (California) und dem ID. Buzz als Vorboten der elektrischen Zukunft. Denn eines ist schon heute klar: Volkswagen Nutzfahrzeuge wird den ID. Buzz zu einer Familie ausbauen. Schon 2023 wird es eine weitere Version mit langem Radstand geben, sogar ein ID. California ist angekündigt. Aktuell aber gibt es neben der Transporter-Version „Cargo“ nur eine Variante: den ID. Buzz Pro. Der kommt mit Heckmotor, 150 kW/204 PS und einer Batterie mit 77 kWh nutzbarer Kapazität. Und just dieser Bulli steht hier zum Test bereit. Technische Daten, Fahrverhalten und ähnliches verblassen zur Makulatur angesichts des ikonenhaften Designs. Wo immer der ID. Buzz auftaucht, werden Köpfe gedreht und Daumen gehoben. Kaum ein Ladestopp vergeht, ohne dass Passanten den E-Bulli begutachten wollen – das Interesse ist riesengroß. V-förmige Schnauze mit großem Markenemblem und eine klare Teilung der Flanken durch eine kultige Zweifarblackierung (Aufpreis) – der ID. Buzz bedient sich ganz unverhohlen an klassischen Design-Merkmalen der ersten Bulli-Generation.

Foto: Jan Bürgermeister

Generation zwei und drei kamen mit stämmiger D-Säule, die sich auch beim ID. Buzz wiederfindet. Dunkle Dekorstreifen imitieren heute die damaligen Kühllufteinlässe für den luftgekühlten Boxermotor im Heck. Doch der ID. Buzz ist kein bloßer Abklatsch seiner Vorfahren. Vielmehr nutzt er wenige Elemente, entwickelt daraus das Design mit neuen Ansätzen weiter. Die Scheinwerfer etwa sind flach und nach innen gepfeilt, sorgen für eine Familienähnlichkeit mit den ID.-Brüdern. Sie laufen außen bis weit in die Kotflügel aus, sind mittig über eine Leiste verbunden. Diese ist beleuchtet, wenn der Kunde anstelle der Serien-LED-Scheinwerfer das empfehlenswerte Matrixlicht (IQ.Light) im Design-Paket ordert. Damit illuminiert der E-Bulli sein Vorfeld bestmöglich – etwa durch ein maskiertes Dauerfernlicht. Mit den Leuchteinheiten in Augenform blinzelt der VW dem Schlüsselträger beim Nähertreten gar keck zu.

Sympathischer, neuer Bulli-Look

Mit 4,71 Metern Länge baut der ID. Buzz rund 20 Zentimeter kürzer als ein T6.1 bei fast gleicher Höhe (1,93 Meter) und gleichem Radstand (2,99 Meter). Kurze Überhänge, vergleichsweise große Radhäuser und Räder sorgen für in der Seitsicht für einen neuen Look, der ausgesprochen sympathisch wirkt. 19-Zoll-Leichtmetallfelgen sind Serienstandard. Unser Testwagen aber fährt, der Jahreszeit entsprechend, auf Winterrädern mit 18-Zoll-Felgen. Seitliche Schiebetüren erlauben einen leichten Zugang zum Fond. Achtern gibt es eine große Klappe. Ein Leuchtband verbindet hier die flachen Heckleuchten, lässt den ID. Buzz noch breiter erscheinen. Dabei übertrifft er den T6.1 mit 1,99 Metern schon um acht Zentimeter. Innen empfängt der E-Bulli mit der gleichen farbenfrohen Heiterkeit – vorausgesetzt, man ordert eines der Interieur Style-Pakete, die es ab 1.291 Euro gibt.

Foto: Jan Bürgermeister

So richtig schön wird’s mit der Plus-Version, die zusätzlich Komfortsitze mit vielfältigen Einstellmöglichkeiten und Memory an Bord bringt. Hier stellt sich direkt das bekannte Bulli-Sitzgefühl ein, Volkswagen hat hier natürlich auch an die kultigen Armlehnen gedacht. Der Arbeitsplatz des Fahrers ist gleichermaßen luftig wie hell gestaltet, die Verarbeitung der tastfreundlichen Materialien penibel umgesetzt. Wie von anderen ID.-Modellen gewohnt, liefert ein kleines Display auf der Lenksäule rudimentäre Informationen. Unterstützt wird es – etwa bei Navianweisungen – vom Lichtband (ID. Light) vor der Windschutzscheibe. Als Informations- und Steuerzentrale fungiert ein Touchscreen mit vorgelagerten Schnellwahltasten und ein Slider für Lautstärke und Temperatur. Dieser ist nicht beleuchtet, bei Dunkelheit daher nicht nutzbar – eine Unart, die der ID. Buzz von den Geschwistern übernommen hat.

Viel Platz im Fond

Der Fond bietet komfortabel Platz für drei Passagiere auf einer bequemen Sitzbank. Das Möbel kann längs verschoben, die Lehnen umgelegt werden – im Verbund mit dem optionalen Multiflexboard ist so ein ebener Laderaumboden von 2,23 Metern realisierbar. 1.121 Liter fasst der Kofferraum mindestens. In Sachen Variabilität reicht der ID. Buzz aber nicht an die Multivan-Brüder mit Schienensystemen heran, selbst der Caddy bietet eine Möglichkeit zum Herausnehmen der 2+1-Bank – und übertrumpft damit das maximale Laderaumvolumen des E-Bulli von 2.205 Liter um 350 Liter. Auch die Ein-Tonnen-Anhängelast ist nur ein Bruchteil dessen, was Bulli-Fans gewohnt sind.

Foto: Jan Bürgermeister

Knöpfchen drücken, die Schiebetüren und das Heckportal surren zu (Aufpreis) – wir stromern los. Die Gute Laune verfliegt nicht, ganz im Gegenteil: Noch nie gab es einen so tollen Bulli-Fahrkomfort wie im ID. Buzz. Damit ist nicht nur der flüsterleise Antrieb gemeint, der die Fuhre souverän-druckvoll anschiebt, sondern auch das samtige Abrollverhalten, das ganz ohne adaptive Dämpfer auskommt – superb! Die 18-Zöller legen im Vergleich zur davor gefahrenen 20-Zoll-Version noch einmal ein Samtdeckchen obenauf. Gemütliche Schunkelei? Sicher nicht: Mit seinem präzisen Fahrverhalten, der prima Handlich-keit und der mitteilsam-direkten Lenkung spielt der ID. Buzz zu einem Fahrvergnügen auf, wie es die Bulli-Welt bisher noch nicht kannte. Einem Sportwagen kann er zwar nicht folgen, doch Größe und Gewicht prima kaschieren. Wesentlichen Anteil daran hat der tiefe Schwerpunkt durch die Platzierung des 500-Kilo-Akkus zwischen den Achsen. Auf ganz engen Kursen freilich kann der E-Bulli seine zweieinhalb Tonnen nicht verleugnen. 9,8 Sekunden notiert das Messgerät für den Standardsprint auf Tempo 100 – wahrlich flott und 0,4 Sekunden schneller als die Werksangabe. Volkswagen zieht die Zügel schon bei 145 Stundenkilometer stramm – der Reichweite wegen. Und die kann im Test mit knapp 400 Kilometer überzeugen. Vorausschauend gefahren in der Stadt und über Land nippt der ID. Buzz mit rund 20 kWh an seinem Batterievorrat, auf der normierten GF-Verbrauchsrunde waren es immer noch sehr gute 22,6 kWh – flotte Autobahnetappen aber liegen deutlich darüber.

Dank DC-Technologie mit 170 kW Ladeleistung ist der Akku schnell gefüllt, 5–80 % SOC gelingt in nur 30 Minuten. Der Multistopp-Routenplaner lotst auf langen Strecken zu den besten Ladepunkten, um unterm Strich in kürzester Zeit anzukommen – eine prima Technik, die wir schon beim ID.5 kennenlernen durften. Überhaupt demonstriert der E-Bulli den Vorteil der Baukastenstrategie, bietet er doch dieselbe Hochtechnologie wie seine ID.-Brüder – sei es der Travel Assist mit Schwarmintelligenz, der Park-Assistent mit Memory oder bidirektionales Laden.

In der abwechslungsreichen Bulli-Geschichte schlägt der ID. Buzz nach mehr als sieben Jahrzehnten jetzt ein ganz neues Kapitel auf. Er weckt nicht nur bei VW-Bus-Fans Begehrlichkeiten – auch ohne Winter-Blues.


Foto: Jan Bürgermeister

Test kompakt

Gute Laune? Gibt’s im ID. Buzz reichlich: Neben dem Happy-Face- Design außen lockt er mit einem farbenfrohen (Aufpreis), raumopulenten und toll verarbeiteten Interieur. Dazu passt das Pkw-ähnliche Fahrverhalten, das gleichermaßen Komfort und Fahrspaß bereithält. Knapp 400 Kilometer Reichweite passen auch – auf schnellen Autobahnetappen wird’s aber deutlich weniger. Und: An die Varianz der bekannten T-Multivans reicht er nicht heran.

Wir bedanken uns herzlich beim Weingut Kopp in 76547 Sinzheim für die Unterstützung