Arne Olerth
· 30.03.2023
Raum ist das größte Komfortfeature auf langen Reisen – und davon hat der Skoda Kodiaq unverschämt viel zu bieten. Mit dem 200-PS-Topdiesel gesellen sich überragende Fahrleistungen dazu
Keine Frage, der Skoda Kodiaq ist ein echter Erfolgstyp: Bis zum Jahreswechsel 2023 wurden hierzulande rund 117.000 des großen tschechischen SUV angemeldet – in gerade einmal sechs Jahren. Neben seinem ungemein gelungenen Äußeren, den moderneren Aggregaten und Assistenzsystemen beruht das auf einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis und einer perfekt austarierten Größe. Mit 4,70 Metern Länge und 1,88 Metern Breite fällt die Grundfläche schlank genug für City und Parkplatzsuche aus. Dennoch bietet des SUV ein schier unglaubliches Raumangebot, seine Ladekapazität muss hier den Vergleich mit den Luxus-SUV nicht scheuen. Ganz im Gegenteil: Er zieht am
4,88-Meter-Touareg von Volkswagen vorbei, bietet ein Raumvolumen auf Augenhöhe mit dem nochmals größeren Audi Q7. Das ganze in beiden Disziplinen – mit und ohne umgelegter Rückbanklehne. Dabei baut der Ingolstädter satte 36 Zentimeter länger. Ein Schlüssel zur unschlagbaren Raumökonomie liegt im Unterbau des Kodiaq – hier kommt der modulare Querbaukasten MQB des Volkswagen-Konzerns zum Zuge, der enorme Packaging-Vorteile bietet. Im Gegensatz zu den zitierten SUV der Luxusklasse ist hier etwa der Motor quer eingebaut, reduziert damit die Motorraumlänge. Wenngleich der Kodiaq vergleichsweise cityverträglich bemaßt wurde, so ist sein bevorzugtes Habitat gleichwohl die Langstrecke. Lange Reisen mit der ganzen Familie und noch mehr Gepäck – hier ist der große Tscheche in seinem Element.
Für ein Auto dieser Größe und einem zulässigen Gesamtgewicht jenseits der 2,4 Tonnen empfiehlt sich der Griff zum Diesel, der mit seinem bulligen Drehmoment das Reisen entspannt. Den gibt es in zwei Leistungsstufen, etwa vernunftbetont mit 150 PS. Heute aber soll es um die Vollfett-Stufe mit 200 PS gehen, die den Kodiaq auch längsdynamisch nahe ran rückt an Touareg und Q7 – zumindest mit ihren TDI- Basismotoren. Skoda kombiniert den 400-Nm-Diesel sinnigerweise mit dem 4x4-Allradantrieb. Auch ein DSG ist gesetzt, bietet der tschechische Autobauer in dieser Baureihe doch gar kein Handschaltgetriebe mehr an. Beste Voraussetzungen also für genussvolles Reisen? Probieren wir es aus. Vor dem Rundgang um das SUV gilt es eine Aktualität zu melden: Die Ausstattungslinie „Laurin& Klement“ des Test-Kodiaq wurde gestrichen. Da es sich dabei aber im wesentlichen um ein besonders opulent geschnürtes Paket handelt, betrachten wir das SUV als „Style“, bei dem die unteren Teile der Schürzen und die Schwelleraufsätze weniger dynamisch und in Schwarz
gehalten sind. Diese Karosseriebauteile sind aber nach wie vor in der Sportline-Ausstattung verfügbar. Im Interieur glänzt der Style mit graumelierten Dekoren. Schon auf den ersten Blick strahlt der Kodiaq eine kraftvolle Präsenz aus, ohne jedweden Anflug von Protzerei. Seit seinem Facelift 2021 steht der chromverzierte Grill aufrechter im Wind, die Scheinwerfer fallen flacher aus als davor. Behutsame Retuschen zwar, doch verleihen sie dem SUV ein spürbar moderneres Antlitz. Skoda spendiert Matrix-LED-Scheinwerfer in Serie, die nicht nur etwa mit maskiertem Dauerfernlicht für eine top Ausleuchtung sorgen, sondern auch feine Tagfahrlicht-Signaturen in „L“-Form mit sich bringen. Darunter sind die Leuchteinheiten des Schlechtwetterlichts platziert. Eine neue Schürze mit schwarzem Kühllufteinlass zieht die Front optisch in die Breite. Die Seitenansicht offenbart sportliche Elemente: So fällt die Dachlinie ab der B-Säule dynamisch ab, läuft in einem markanten Dachkanten-Spoiler aus. Das flache Glashaus wird elegant von einem Rahmen in Chrom eingefasst, das sich auch an der Reling wiederfindet. 15-Speichen-Felgen in 18 Zoll („Trinity“) wirken viel eleganter als die Serien-Rundlinge („Elbrus“) mit zehn Speichen im gleichen Format.
Trittbretter (890 Euro) sorgen nicht nur für eine individuelle Note, sie erleichtern das Beladen einer etwaigen Dachbox. Am Heck ziehen LED-Leuchten in Kristallglasoptik mit Wischblinkern die Blicke auf sich. Je besser der Sitz, desto entspannter reist man – die optionalen Ergo- Komfortsitze sind daher eine klare Empfehlung für die Langstrecke. Top konturiert und angenehm straff gepolstert verwöhnen sie mit vielfältigen Einstellmöglichkeiten und Memory. Sogar eine Sitzbelüftung und Massage sind dabei.
Fondpassagiere genießen fast schon kathedralenartige Weiten des Kodiaq. Selbst Sitzgrößen finden hier super komfortabel Platz, können lässig die Beine übereinander schlagen. Kopf- und Beinfreiheit suchen ihresgleichen. Die mittige Lehne mit Armlauflagen und Becherhalter lässt sich einklappen. Die Rückbank ist 1/3 zu 2/3 geteilt, längs verschiebbar und sogar in der Lehnenneigung getrennt einstellbar. Und kann etwa vom Kofferraum aus fernentriegelt werden, sollten dessen 835 Liter Volumen einmal nicht ausreichen. Mit umgelegter Lehne werden daraus schier unglaubliche 2.065 Liter – da staunt der Q7 und der Touareg wundert sich. Taschenhaken und Ablagen verhindern, dass die Einkäufe in den Weiten herumrollen. Der variable Laderaumboden strukturiert die Tiefe, kostet aber leider extra (190 Euro). Wer will, kann hier zwei zusätzliche Sitze (1.290 Euro) montieren lassen, die dem Kodiaq endgültig das Prädikat „großfamilientauglich“ verleihen.
Der ist stets online, bietet modernes MIB3-Infotainment. Serie ist hier das prima Bolero-System mit 8-Zoll-Touchscreen, DAB+, Sprachbedienung, Handykoppelung, Phonebox und vielem mehr. Es lässt sich zum Navigationssystem Amundsen ausbauen, oder man wählt gleich das große System Columbus (9,2 Zoll). Ein digitales Kombiinstrument mit brillantem 10,25-Zoll-Display ist genauso Serie wie ein Zweispeichen-Multilenkrad mit Schaltpaddles und Lederbezug. Gerade die Walzen sorgen für eine intuitive und leichte Bedienung. Gleiches gilt auch für die Climatronic mit Drehreglern und Tasten. Schlanke 280 Euro Aufpreis erweitern ihren
Arbeitsbereich um eine auf drei Zonen. Haptische Tasten auf der Mittelkonsole sorgen für eine intuitive, rudimentäre Bedienung, tiefgreifende Einstellungen werden via Touchscreen vorgenommen. Wer meint, der neue 200-PS-TDI wäre lediglich ein weiterer Aufguss des bewährten 190-PS-Vorgängers, der irrt gewaltig: Der Youngster gehört zur neuen Evo-Generation, die dank zweifachem SCR-System nicht nur super sauber agiert, sondern zudem mustergültige Manieren an den Tag legt. Schon beim Start fällt der vibrationsarme Lauf auf, der von einem sehr zurückhaltenden Ton untermalt wird. Daran ändert sich auch unter Lastabruf kaum etwas, bei dem der TDI leichtfüßig hochdreht. Glauben Sie uns, der Zugewinn von 10 PS verblasst dabei fast schon zur Nebensache. Auf der Messstrecke aber weist der neue Antriebsstrang den Vorgänger deutlich in seine Schranken, nimmt ihm im Sprint auf Tempo 100 mit 7,9 Sekunden satte 0,6 Sekunden ab (GF 4/19). Da der Testwagen in der Vollfettstufe mit annähernd Vollausstattung antritt, verfehlt er den Werkswert zudem um 0,2 Sekunden. Damit ist der neue 200-PS-TDI gar für denjenigen Kodiaq-Fan eine Alternative, der dem Bi-TDI (240 PS; 7,0 s; GF 11/19) aus dem RS hinterhertrauert. Dieser wurde im Rahmen der Modellpflege durch einen verbrauchsintensiveren Otto ersetzt. Das Siebenstufen-DSG feuert blitzschnell ohne jedwede Spur von Schaltrucken die Gangstufen ein, das SUV erreicht flott höhere Temporegionen. Spitze? 218 km/h!
Regulär schaltet das DSG spritsparend früh hoch, im Sportprogramm hält es die Gänge länger, unterstützt die dynamische Gangart. Auf kurvenreichen Landstraßen etwa erweist sich das große SUV als erstaunlich handlich, folgt präzise den Befehlen am Volant. Traktion ist dank des geregelten Allradantriebs nie ein Thema, die Wankbewegungen halten sich in Grenzen. Trotz einer eher komfortorientierten Abstimmung zeigt sich das Fahrwerk keinesfalls sänftenartig. Die 18-Zoll- Serienräder harmonieren prima mit dem Standardfahrwerk, gleichwohl würden wir zum Adaptivfahrwerk DCC raten – erst recht bei größeren Felgen. Es hebt nicht nur den Fahrkomfort, sondern sorgt auch für ein spürbares Plus an Präzision, wirkt Aufbaubewegungen entgegen. Zudem lässt es sich via Knopfdruck von sportlicher Straffheit auf langstreckentaugliches Flauschen trimmen, großartig. Überhaupt ist das stressfreie Überbrücken langer Distanzen die herausragende Domäne des Kodiaq, steht größeren sportlichen Ambitionen irgendwann dann doch das Gewicht und der hohe Schwerpunkt im Wege, was sich etwa bei übermütiger Kurvenfahrt in einem sanften Schieben über die Vorderhand äußert. Sanft gefedert, Aussicht-genießend, von der Raumopulenz verwöhnt und akustisch abgeschirmt – Kodiaq-Fahren ist Reisen auf Luxus-Niveau.
Das Vergnügen nimmt an der Tankstelle kein Ende: Mit 7,5 Liter Testverbrauch unterbietet der 200-PS- TDI den Vorgänger trotz Vollausstattung um 0,3 Liter. Schnellfahrer erzielen neun, Genusspiloten weniger als sechs Liter – das schont die Kasse. Womit wir beim Kostenkapitel angelangt wären. Der große
TDI ist erst ab der Style-Linie verfügbar – für 50.470 Euro. Doch der Preis relativiert sich, sind hier doch Matrix-Scheinwerfer, LED-Rückleuchten, Digital Cockpit, Kessy, Parkpiepser, vollelektrische Spiegel, elektrisch einstellbare Sitze mit Heizung, eine 2Z-Climatronic und das Bolero-Multimediasystem an Bord. Wir würden neben dem DCC-Fahrwerk und der Gepäckraumabdeckung das Businesspaket Amundsen mit dem Assistenzsystem Traveller für zusammen 1.940 Euro wählen, ziehen hier doch neben dem Navi und den Onlinediensten auch der Radartempomat ACC, die Verkehrszeichenerkennung, der Spurhalteassistent, getönte Scheiben hinten, eine 230-V-Steckdose und vieles mehr mit ein. Auch die Ergo-Komfortsitze wären ganz oben auf unserer Wunschliste. Zusammen mit einigen weiteren Extras bekommt man so für nicht ganz 60.000 Euro einen wahrlich universellen Begleiter, der gleichermaßen praktisch in der Stadt wie verwöhnend auf der Langstrecke ist, top Fahrleistungen mit einem klasse Verbrauch verbindet. Und dazu auch noch verdammt gut aussieht. Kein Wunder, dass die Zulassungszahlen hierzulande in Summe bereits sechsstellig sind.
Test kompakt:
Der neue 200-PS-TDI hebt den Skoda Kodiaq jetzt auch fahrdynamisch auf das Niveau manch eines Luxus-SUV – in Sachen Raumangebot muss er hier sowieso einen Vergleich nicht scheuen. Er ist deutlich spritziger als sein 190-PS-Vorgänger, dazu erstaunlich verbrauchsarm. Mit 4x4-Antrieb und DSG, beides Serie, ist dies der überzeugendste Antrieb für das raumopulente SUV.