Joachim Fischer
· 23.02.2023
Den Skoda Enyaq RS iV gibt es ab Januar 2023 nicht nur als Coupé, sondern auch als klassisches SUV. Wie fährt sich der 299 PS und 460 Nm starke Sport-Stromer mit situativem Allradantrieb?
Überall Aufmerksamkeit erregen – das kann der Skoda Enyaq RS iV hervorragend. Dazu benötigt er nicht mal bollernden V8-Sound. Er schleicht sich als reines E-Auto dagegen auf ganz leisen Sohlen an und setzt auf den Moment, wenn ihn das Auge wahrnimmt. Klar, der allein den RS-Enyaqs vorbehaltene giftiggrüne „Mamba“-Lack (410 Euro) hilft ihm dabei in Zeiten, die scheinbar nur noch 50 Schattierungen von Grau, Weiß und Schwarz kennen. Doch einmal fixiert, bleibt der Betrachter auch am Design hängen. Das ist nicht nur beim bildschönen RS-Coupé (Test in GF 1/23) höchst gelungen, auch das Enyaq RS iV SUV ist ein echter Hingucker. Besonders gefallen die sportlicheren Stoßfänger an Front und Heck, die dynamisch gezeichnete Fronthaube, die nach hinten ansteigenden Linien über den ausgestellten Radhäusern, die mindestens 20 Zoll große Alus mit Aero-Blenden beherbergen, sowie der kecke Knick in der Fenstergrafik zur C-Säule hin. Hinzu kommen die optisch perfekt gesetzten, bei helleren Farben sportlich kontrastierenden Details in Hochglanz-Schwarz.
Crystal Face mit 132 LEDs
Reichlich „Bling-Bling“ bringt das bei den RS serienmäßige „Crystal Face“ mit 132 LEDs ins Spiel, das im ebenfalls Hochglanz-Schwarz lackierten Kühlergrill beim Öffnen des Wagens eine wahre Lightshow abzieht. Eingefasst wird es von den serienmäßigen, schwarz getönten LED-Matrix-Scheinwerfern. Am Heck gefallen die LED-Heckleuchten mit dynamischen Blinkern und das RS-typisch durchgehende Reflektorband. Über allem thront das elegante, nur leicht nach hinten abfallende und in einen großen, glanzschwarz eingefassten Heckspoiler mündende Dach. Nicht zuletzt das ermöglicht dem Enyaq RS iV eine Gepäck-Zuladung von 585 bis 1.710 Liter bei umgelegten Rücksitzlehnen. Das sind bei dachhoher Beladung 15 respektive 100 Liter mehr als beim RS-Coupé – letztlich aber kein wirklich stichhaltiges Argument für das klassische SUV, da die zu erwartende Klientel wohl weniger im Speditionsgewerbe zu suchen sein wird. Im Fond birgt das SUV-Konzept einen kleinen Vorteil: Auf der Rückbank wird der Kopfraum noch etwas luftiger als im Coupé, die Kniefreiheit ist dank des Radstands von 2.768 Millimetern ohnehin großzügig bemessen. Der dank E-Antrieb fehlende Kardantunnel erhöht zudem den Spielraum für die Füße. Vorne ist zwischen SUV und Coupé kein Unterschied spürbar: massig Platz, superbequeme, beheizbare Sportsitze mit gutem Seitenhalt – auf der Fahrerseite zudem vollelektrisch verstellbar und mit Memory-Funktion versehen. All das ist Serien-Standard. Man mag es kaum glauben!
Maximal 299 PS und 460 Nm
Jetzt zur Technik. Die gleicht dem Enyaq iV RS-Coupé bis ins Detail. Zwei Elektromotoren treiben auch das Enyaq RS-SUV an. Hinten arbeitet eine permanenterregte Synchronmaschine mit 150 kW (204 PS) und 310 Nm, vorne eine Asynchronmaschine mit 80 kW (109 PS) und 162 Nm. Der Grund für die unterschiedliche Bauart: Der Asynchron-Motor vorne läuft bei Nichtnutzung widerstandsfrei mit, was der Effizienz zugutekommt.
Permanenter Allradantrieb besteht nur im Serien-Fahrprofil „Traction“ bis zu einem Tempo von 20 km/h. Zusammengeschaltet erreichen die E-Maschinen maximal 299 PS und 460 Nm. Allerdings stehen diese nur für maximal 30 Sekunden zur Verfügung, zudem muss der Akku zu über 88 Prozent geladen sein und die Batterietemperatur sollte in deren Wohlfühlbereich zwischen 23 und 50 Grad liegen, sonst müssen einige Pferdchen im Stall bleiben. Gefüttert werden die E-Maschinen aus dem konzernweit eingesetzten, wassergekühlten Lithium-Ionen-Akku mit einer nutzbaren Kapazität von 77 kWh, der wie bei allen MEB-Fahrzeugen crashsicher im Unterboden verstaut ist. Soweit die Theorie. Bei unserer ersten Testfahrt im Süden Spaniens herrschten beste Bedingungen, die Temperaturen passten ebenso wie der Ladestand der Akkus. Man kann die Mamba also zum Tanz bitten.
Beeindruckende Längsdynamik
Begleitet von nichts als einem leisen Surren geht’s zunächst ab auf die Autobahn. Der Enyaq RS iV schiebt schon aus dem Stand gewaltig an, lässt keinen Zweifel an der Vollversammlung seiner Kräfte aufkommen. Aus den Serien-Fahrprofilen haben wir auf dem riesigen 13-Zoll-Touchscreen „Sport“ gewählt. Die Längsdynamik ist beeindruckend. Geschmeidig wie eine Raubkatze sprintet der RS, beschleunigt dank seines Eingang-Getriebes linear. Erst jenseits der 110 km/h lässt der Druck nach, maximal sind abgere- gelte 180 km/h drin – 20 km/h mehr als bei „normalen“ Enyaq. In Sachen Querdynamik tut sich der RS iV dagegen etwas schwerer. Seine gut 2,3 Tonnen Gewicht – auf den Akku allein entfallen knapp 500 Kilo – machen sich hier bemerkbar. Die Progressivlenkung, ein Sportfahrwerk und 20-Zoll-Räder mit 235/50er Reifen vorne und 255/45ern hinten sind Serie. Die Testwagen waren durchweg mit dem verstellbaren, adaptiven Fahrwerk DCC (Maxx-Paket, 1.950 Euro) sowie 21-Zöllern (740 Euro) mit 235/45er Pneus vorne sowie 255/40er Reifen hinten ausstaffiert.
Aber auch mit diesen Features kann der Enyaq RS leichte Karosseriebewegungen beim Anbremsen und in Kurven nicht ganz ausgleichen, ist für ein Sportmodell eher komfortabel ausgelegt. Die großen 21-Zöller federn auf Querfugen etwas hölzern an, vielleicht sind hier die Serien-20-Zöller sogar die bessere Wahl. Dennoch, der Enyaq RS geht flott um alle Ecken, die Regelsysteme wachen dabei aufmerksam im Hintergrund. Geht man es etwas zu flott an, schiebt er gutmütig über die Vorderräder, den Rest erledigen die elektronischen Helferlein. Der Grip beim Herausbeschleunigen aus Kurven ist allererste Sahne. Der elektronisch geregelte Allradantrieb zeigt sich blitzschnell zur Stelle, schiebt das große SUV mit Macht und spurtreu voran. Die Progressivlenkung erweist sich als straff ausgelegt, sie arbeitet bei ordentlicher Rückmeldung präzise. Der Abrollkomfort ist ansonsten ausgezeichnet, was den Enyaq RS iV in Verbindung mit der e-typisch himmlischen Ruhe an Bord zu einem echten Reise-Komfort-Mobil adelt.
Während unserer eher geruhsamen Testfahrten mit kurzen sportlichen Einlagen genehmigte sich der Enyaq RS iV laut Bordcomputer 20,7 kWh pro 100 Kilometer. Das lässt auf einen Aktionsradius von rund 400 Kilometern bis zum nächsten Ladestopp schließen, der mit maximal 135 kWh erfolgen kann. Wer fleißig rekuperiert – zur aktiven Nutzung stehen hier das Getriebeprogramm B oder drei Stufen, betätigt über die Schaltpaddels am MF-Lenkrad, zur Verfügung – kann sicher auch noch ein Stück weiter kommen.
Absolut Top: die Ausstattung
Ein echter Großmeister ist der Enyaq RS iV dagegen auf den Gebieten Ausstattung, Verarbeitung und Innenraum-Design. Neben den bereits genannten Serien-Features gibt es ab Werk zudem das faszinierende AR-Headup-Display, volle Vernetzung, Navigation, fast alle verfügbaren Assistenzsysteme, die elektrische Heckklappe mit Sensorsteuerung sowie vieles mehr. Zur Ergänzung stehen etwa das Paket Maxx (1.950 Euro) oder auch eine Anhängerkupplung (710 Euro; bis 1.200 Kilo Last) zur Verfügung. Die Verarbeitung sowie die Materialien mit farbigen Ziernähten sind erstklassig, ebenso das Innenraum-Design mit vielen praktischen Ablagen sowie verbliebenen Tastern zur Direktanwahl wichtiger Funktionen auf dem brillant darstellenden 13-Zoll-Touchscreen. Fazit: Der Skoda Enyaq RS iV ist ein superbequemes Reise-SUV mit exzellenter Ausstattung. Ein echtes RS-Sportmodell ist er trotz guter Fahrleistungen eher nicht.
Welcher Enyaq iV RS ist nun die bessere Wahl – SUV oder Coupé? Die SUV-spezifischen Vorteile spielen wohl eher eine untergeordnete Rolle und auch beim Preis – der stand bei Redaktionsschluss leider noch nicht fest – soll es laut Skoda keine großen Unterschiede zwischen Coupé (ab 61.500 Euro) und SUV geben. So kann man sich ganz darauf konzentrieren, welcher Enyaq RS iV einem besser gefällt. Denn das Auge fährt immer mit .