Joshua Hildebrand
· 29.01.2023
Der Enyaq Coupé RS iV ist nicht nur das erste rein elektrische RS-Modell von Skoda, sondern auch das leistungsstärkste aller Zeiten. Mit 299 PS, Allrad und einer ordentlichen Reichweite möchte er die E-Auto-Herzen erobern. Ist er fahrtechnisch so giftig, wie seine Farbe vermuten lässt?
Mamba. Nein, nein – in diesem Fall keine Bezeichnung für ein Kaubonbon. Gemeint ist tatsächlich die Schlange, die ausschließlich in Afrika vorkommt und deren Biss schlimmstenfalls tödlich enden kann – wieder was gelernt. Nun mag unser Skoda Enyaq Coupé RS iV nicht nur in Afrika vorkommen und gewiss nicht lebensgefährlich sein, doch hat er in diesem Fall mindestens eines mit der Natter gemein: die Farbe. Mamba-Grün (410 Euro) nennt sich der auffällige Lack, der exklusiv dem RS-Modell vorbehalten ist. Vielleicht, weil er genauso giftig ist? Im übertragenen Sinne natürlich …
Genug Biologie-Unterricht für heute. Bevor wir uns seinem Design und harten Fakten widmen, möchten wir erst einmal ’ne Runde drehen – zu sehr kribbelt unser Strom-Fuß. Zum einen, weil das Kürzel „RS“ seit mehreren Jahrzehnten für Motorsporterfolge und sportive Serienmodelle der Tschechen steht. Zum anderen, weil der Enyaq Coupé RS das erste vollelektrische RS-Modell aus Mladá Boleslav und dann auch noch der stärkste Skoda ever ist.
Ein Evergreen, der es allen recht machen möchte
Der Weg dorthin war nicht allzu weit, da auch der Enyaq auf Volkswagens MEB-Baukasten basiert. Seine technische Verwandtschaft und identische Leistungsdaten zu den Konzern-Brüdern VW ID.4 GTX, ID.5 GTX und Audi Q4 50 E-Tron lassen sich demnach nicht absprechen: also 299 PS und 460 Newtonmeter Drehmoment, die von insgesamt zwei Elektromotoren generiert werden: einer permanenterregten Synchronmaschine am Heck und einer Asynchronmaschine an der Vorderachse. Letztere besitzt keine Permanentmagnete und lässt sich stromlos schalten – für effizienteres Segeln mit weniger Schleppverlusten. Somit verfügt der fesche
Stromer über einen Teilzeit-Allradantrieb, der blitzartig zur Stelle ist, wenn man ihn braucht. Bevor es losgeht, ein kurzer Check: Außentemperatur? 14 Grad. Ladestand? 95 Prozent. Gut. Gar nicht so unwichtig, müssen doch einige Faktoren stimmen, um das volle RS-Feeling genießen zu können. Skoda sagt nämlich, dass die zur Verfügung stehende Leistung abhängig von variablen Faktoren wie Außentemperatur sowie Temperatur, Lade- und Konditionierungszustand oder physikalische Alterung des Akkus ist. Die Verfügbarkeit der Maximalleistung erfordert insbesondere eine Temperatur der Hochvoltbatterie zwischen 23 und 50 °C und einen Batterieladezustand von über 88 Prozent. Zudem kann die Maximalleistung nur 30 Sekunden am Stück abgerufen werden.
Hier und jetzt passt jedenfalls alles, so dass wir nun Stoff geben können. Das volle Drehmoment steht Elektroauto-typisch sofort zur Verfügung – nix Turboloch oder dergleichen. Dank Vierradantrieb ist die Traktion nicht nur auf trockenem Asphalt frei von Kritik, die unterbrechungsfreie Beschleunigung dank 1-Gang-Getriebe faszinierend: Aus dem Stand klettert die digitale Tachoanzeige binnen 6,4 Seh kunden auf 100 km/h. Dabei fühlt es sich sogar noch wuchtiger an, als es tatsächlich ist. Immerhin wiegt der Enyaq Coupé RS mehr als 2,3 Tonnen (mit Fahrer).
Leider nimmt die Beschleunigung jenseits der 100 kontinuierlich ab. Ab da gestaltet sich der Durchzug bis zur Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h (20 km/h mehr als bei den heckgetriebenen Enyaqs) etwas zäh. Dennoch lässt sich bei der Längsdynamik von einer gewissen Sportlichkeit reden, auch wenn der RS mit akustischer Zurückhaltung gefallen möchte. Einen sportlichen Sound? Nö, gibt es nicht. Nur beim Langsamfahren hört man außerhalb des Fahrzeuges ein Ufo-artiges Fahrgeräusch – zum Schutz der Passanten. Ansonsten schirmt der Skoda dank Akustikverglasung die meisten Störgeräusche ab.
Beruhigend ist zumeist auch der Blick auf das digitale Instrument vor dem Fahrer. Der RS fährt nämlich mit der großen 77-kWh-Batterie im Unterboden vor. Auch er profitiert von der Anfang des Jahres eingeführten Software namens ME3, welches vor allem das Temperaturmanagement der Batterie verbessert. Der RS gefällt mit einer guten Effizienz, was auch an seiner günstigen Aerodynamik liegt. Im Test verbrauchten wir nur 21,4 kWh pro 100 Kilometer – ein guter Wert. Rein theoretisch ließe sich auch ein geringerer Wert von etwa 20 kWh realisieren, dann aber sind wärmere Temperaturen und Zurückhaltung beim Beschleunigen gefragt. So oder so empfiehlt sich für eine effizientere Nutzung der Energie in kalten Tagen die Option der Wärmepumpe für 1.010 Euro.
Wir erzielten 412 Kilometer Reichweite auf der GF-Verbrauchsrunde. Je nach Fahrprofil mag der auffalende Gleiter zwar noch mehr Reichweite erzielen, die Werksangabe von 507 Kilometern erscheint abseits der Stadt jedoch utopisch. Dort verbraucht der Enyaq besonders wenig, holt sich durch Rekuperation ein Teil der beim Beschleunigen verbratenen Energie zurück. Merke: Wer bremst, gewinnt! Nimmt man den Fuß vom Fahrpedal, so segelt der Enyaq. Erkennt er ein Tempolimit, vorausfahrende Fahrzeuge, oder bremst der Fahrer einfach nur, wird die Rekuperation eingeleitet. Anders als bei Volkswagens Stromern lässt sich diese übrigens via Wippen am Lenkrad dreistufig verstellen. Im Folgenden wird die Bewegungsenergie über die E-Motoren in elektrische Energie umgewandelt und zurück in den Akku im Unterboden gespeist. Bei vielen Alltagsbremsungen leisten die E-Maschinen die Verzögerung alleine, ab 0,25 g aktiviert der elektrische Bremskraftverstärker die Radbremsen. Dieser Übergang ist nicht spürbar und gut umgesetzt, aber leider ist das Bremspedal-Gefühl oft ein wenig undefiniert und etwas zu wenig den genauen Druckpunkt vermittelnd.
Komfortbetontes Fahrwerk
Umso mehr lassen dafür die mächtigen 21-Zoll-Optionsräder mit 235er- und 255er-Reifen (v/h) samt 45er- und 40er-Querschnitt etwas spüren. Sie dynamisieren das Fahren auf der einen Seite, reduzieren aber auch den Abrollkomfort beim Anfedern auf der anderen Seite. So kommt immerhin ein bisschen Sportlichkeit beim RS-Modell auf, das ansonsten in allen Belangen den Komfort fokussiert. Anstelle des Sportfahrwerks war unser Testwagen mit dem optionalen Adaptivfahrwerk (DCC) ausgestattet. Dieses dämpft wirksam und federt sanft, jedoch lässt sich kein Unterschied zum DCC der „normalen“ Enyaq feststellen. Wankbewegungen werden zwar im Zaum gehalten, eine gewisse Karosserieneigung lässt sich aber vor allem in engen Kurven nicht leugnen. Hier hätten wir uns ein bisschen mehr Knackigkeit gewünscht.
Die Lenkung hinterlässt einen präzisen Eindruck, das Fahrverhalten ist sicher ausgelegt: ein kurzes, aber kräftiges Anbremsen, es folgt die Lenkbewegung, dann ein kurzer Moment untersteuern, 2,3 Tonnen drücken (gefühlt) von hinten. Und sobald es richtig lustig wird, bremst auch schon das energische ESC ein. Ein kleines bisschen länger wird die elektronische Leine im ESC-Sport-Modus. Das Enyaq Coupé RS lässt sich kaum aus der Ruhe bringen und möchte es allen recht machen. Entgegen seinem Äußeren setzt es auf eine sanfte Gangart, weshalb man sich nicht allzu sehr von seinen RS-Insignien blenden lassen darf. Wer Skoda kennt, wird wissen: keine große Überraschung.
Viel Ausstattung für viel Geld
Nach dieser Action muss das E-SUV-Coupé ab an die Ladesäule. Dank des zuverlässig arbeitenden Online-Routenplaners im Navi haben wir schnell einen Highspeed-Lader mit 300 kW gefunden. Langt locker, denn der Enyaq lädt mit bis zu 135 kW Gleichstrom (DC). Erstaunlich: Im Test lagen wir mit 150 kW sogar kurzzeitig darüber, was vermutlich auch auf das erwähnte ME-Update zurückzuführen ist. Toll: Dank der neuen Funktion „Plug and Charge“ mussten wir uns nicht mehr extra für jeden Bezahlvorgang autorisieren. Dank hinterlegter Zahlinformationen im Auto hat es ausgereicht, an die Säule zu fahren und den Stecker reinzustecken. Von zehn auf 80 Prozent SoC vergingen in unserem Fall knapp 40 Minuten, da die maximale Ladeleistung bereits bei rund 25 Prozent auf unter 100 kW absank. Im Übrigen dauerte eine Vollladung ab 10 Prozent SoC an unserer Redaktions-Wallbox (11 kW Wechselstrom) rund sieben Stunden.
Erfreulich ist die nahezu Full-House-Serienausstattung, die den heftigen Grundpreis von 61.550 Euro etwas angenehmer erscheinen lässt. Viel mehr als Sonderlackierungen, größere Räder, eine Wärmepumpe oder das 2.340 Euro teure Komfortpaket „Maxx“ mit Annehmlichkeiten wie DCC-Fahrwerk, 360°-Umgebungskamera, Head-up-Display, automatisiertes Einparken, Massagesitze und ein paar Kleinigkeiten mehr gibt es nicht. Von Haus aus brilliert der Tscheche mit vollumfänglicher Konnektivität und Assistenz, die keine Wünsche offen lässt.
Trotz Coupé-Dach kaum Einbußen beim Platz
Der RS übernimmt die Bedienung vom normalen Enyaq, die zwar touchlastig ist, aber von einigen haptischen Lenkradtasten und ein paar Direktwahltasten unterhalb des 13 Zoll großen Zentraldisplays unterstützt wird. Das macht die Sache in Summe angenehmer als bei den VW-ID.-Modellen. Geschickt versucht Skoda günstiges Plastik zu kaschieren, vor allem im unteren Bereich des Armaturenträgers sowie an den Türverkleidungen. Ansonsten sieht das RS-Cockpit mit seinem optionalen Designpaket „Suite“ samt Leder und grauer Ziernähte schick und hochwertig aus. Wer es peppiger mag, bleibt ganz einfach bei der hübschen Serienausstattung mit Mikrofaser im Alcantara-Style samt grüner Nähte. Trotz schöner Coupé-Dachlinie müssen im Inneren kaum Platzeinbußen hingenommen werden. Vorne und vor allem hinten passt es dank MEB auch für überdurchschnittlich große Menschen mit über 1,80 Meter Körpergröße. Dafür geht es im Gepäckraum etwas enger zur Sache als beim SUV: Je nach Stellung der Rücksitzbank gehen im Coupé zwischen 15 und 100 Liter flöten. Das werden aber nur diejenigen merken, die beim Gepäck in die Höhe bauen wollen. Zugegeben: Es gibt Schlimmeres.
Jedenfalls haben wir draußen noch nie so viel positive Resonanz auf einen Skoda bekommen wie auf diesen hier. Und das ist völlig verständlich: Dieses 4,70 Meter lange Designerstück rollt mit betörender Karosserieform und stylisch beleuchtetem Kühlergrill zum Kunden. Vorsicht, bissig? Nun ja. Nicht so sehr, was das sportliche Fahren angeht. Doch übt der Mamba-grüne Enyaq RS eine unbeschreibliche Faszination aus, so dass durchaus die Gefahr besteht, dass er sich in deinen Wunschgedanken festbeißt. Und das könnte hinsichtlich des Einstiegspreises dann doch schmerzhaft werden …
Test kompakt
Ein flotter Hingucker im wahrsten Sinne des Wortes! Noch dazu mit einer ordentlichen Reichweite und einer exzellenten Fast-Voll-Ausstattung. Zu viel Sport sollte man vom RS-Badge jedoch nicht erwarten, Komfort steht auch beim Powermodell Skoda-typisch an oberster Stelle. Außerdem verfügen Fahrer nicht immer über die Maximalleistung; Darüber sollte man genauso Bescheid wissen wie über den Preis, der mit ein paar Extras schnell in Richtung der 65.000 Euro stolziert.