Joachim Fischer
· 01.11.2022
Die Überarbeitung hat dem Seat Ibiza optisch wie technisch gut getan. Als 1.0 TSI FR Pro Black Edition ist er ein cooler, kleiner Flitzer, dem seine 110 PS vollkommen ausreichen
Ja klar, wir wissen es. Café-Racer sind eigentlich sportlich getunte historische Motorräder – oder auf alt getrimmte moderne Bikes. Der Seat Ibiza ist das nicht. Im Gegenteil, er hat im letzten Jahr ein Facelift bekommen, das ihn frischer, erwachsener aussehen lässt. Doch in der sportlichen FR-Ausstattung, genauer der neuen „FR Pro Black Edition“ macht der Kleine so richtig etwas her, dreht die Köpfe und gibt den Rocker unter den Softies.
Dabei ist das Facelift für den Ibiza zumindest rein äußerlich eher dezent ausgefallen. Neue Front- und Heckschürzen mit Diffusor, neue Scheinwerfer und Rückleuchten, frische Felgendesigns, die schwungvolle, chromüberzogene Modellbezeichnung in Schreibschrift am Heckdeckel. Das war’ s im Wesentlichen. Beim FR Pro Black Edition kommen allerdings noch ein paar Details hinzu, die den Unterschied machen: filigrane 18-Zoll-Alus in Schwarz mit 215/40er Reifen sowie allerlei weitere schwarze Akzente bis hin zu den Außenspiegeln und dem Dachspoiler, die ebenfalls tiefdunkel glänzen.
Drinnen hat sich sogar ganz viel getan: Eine geschäumte, hochwertigere Armaturentafel und – je nach Modell – Ambientelicht, farbige Applikation und Beleuchtung für die Lüftungsdüsen, neue Lenkräder und natürlich ein neuer, weiter oben im Blickfeld des Fahrers platzierter Touchscreen von mindestens 8,25 Zoll Größe. Im Fall des Black Edition ist es sogar das Topmodell mit 9,2 Zoll inklusive Navigation. Alle Systeme basiere nun auf dem aktuellen MIB3 des Volkswagen-Konzerns.
Dazu kommen auch im Interieur viele schicke, tiefschwarze Details – etwa am neuen Multifunktions-Lenkrad oder den Türen.
Munterer Dreizylinder mit Handschaltung
Der Ibiza FR Pro Black Edition ist also ein Hingucker. Aber wie sieht es mit seinem Leistungsvermögen aus?
Er ist in vier Motorisierungen zu haben: Mit dreizylindrigen TSI-Benzinern und 95 (5-Gang) oder 110 PS (6-Gang). Letzterer ist optional auch mit 7-Gang-DSG bestellbar. Darüber rangiert als Topmotorisierung der vierzylindrige 1.5 TSI mit 7-Gang-DSG und 150 PS. Unser Testwagen kam mit dem 110 PS und 200 Nm starken Dreizylinder-Turbo-Direkteinspritzer mit Sechsgang-Handschaltung. Zu wenig für den sportiven optischen Auftritt?
Nun, Leistung kann man bekanntlich nie genug haben, doch betrachten wir die Power des Dreizylinders differenzierter. Dazu geht es zunächst auf die GF-Messstrecke. Der fröhlich grummelnde, vibrationsarme Dreiender geht spritzig aus den Startblöcken und dreht munter hoch. Die Anschlüsse der knackig und präzise zu schaltenden Sechsgang-Box passen. Es geht fröhlich vorwärts. Aus dem Stand wird nach 10,1 Sekunden die 100er-Marke passiert, nach 19 Sekunden steht Autobahntempo 140 an. Schluss ist erst bei 195 km/h, für die man allerdings etwas Anlauf braucht. Der Überholsprint von 80 auf 120 km/h benötigt 6,7 Sekunden.
Und die Elastizität? Moment, was war das gleich nochmal? Im Zeitalter der Doppelkupplungsautomaten weiß das vielleicht nicht mehr jeder. Richtig, die Beschleunigung aus dem Drehhzahlkeller ohne Schaltvorgang in höheren Fahrstufen, hier also im 4., 5. und 6. Gang. Nehmen wir die Königsdisziplin von 60 auf 120 km/h: 11,6, 14,5 und 21 Sekunden für Nummer 6. Der Einliter-Dreizylinder erledigt die Aufgabe zwar nicht rasant, dafür aber ruckelfrei und klaglos, profitiert von seinem vergleichsweise hohen Drehmoment von 200 Nm schon zwischen 2.000 und 3.000/min. Freilich, der rund 3.500 Euro teurere 1,5 Liter-Vierzylinder mit 150 PS und DSG ist ein anderes Kaliber, speziell auf der Autobahn und bei höheren Tempi. Doch das vermisst niemand, dem einfach nur die starke Optik gefällt.
Es stecken aber durchaus sportliche Gene im 110-PS-TSI, der gegenüber dem Vorgängermodell wohl zur Erfüllung der inzwischen strengeren Abgas-Gesetzgebung fünf PS eingebüßt hat. In der Stadt und deren Umland geht er hellwach zu Werke, an der Ampel kann man locker mithalten – meistens. Das hohe Drehmoment erlaubt schaltfaules Fahren, wer eifrig in der Box rührt, kann aber auch zackig spurten. Der Dreizylinder untermalt die Drehzahlen mit seinem heiser knurrenden Sound, je hochtouriger, desto deutlicher. Störend wird er dabei aber nie.
Knackiges Fahrwerk mit Dämpferverstellung
Fahrwerksseitig bietet der FR Pro eine straffe Abstimmung dank FR-Sportfahrwerk, die Serien-18-Zöller des Black Edition tragen ihren Teil dazu bei. Etwas mehr Varianz bringt hier das FR-Designpaket für 660 Euro ins Spiel, das 15 Millimeter Tieferlegung, rote Bremssättel und als wichtigsten Bestandteil die in ihrer Härte verstellbaren Dämpfer mit sich bringt. Sie sind mit den Serien-Fahrprofilen Eco, Standard und Sport verknüpft, lassen sich auf „Individual“ sogar nach persönlichem Geschmack kombinieren. Zur Wahl steht eine komfortable und eine knackige Abstimmung.
So ausgerüstet kann der Ibiza zackig wie ein Hase durch den Verkehr wuseln. Der Fronttriebler gibt sich sehr neutral, erst im Grenzbereich reagiert er leicht untersteuernd. Die elektromechanische Servolenkung ist straff ausgelegt, zielgenau und ordentlich rückmeldend. Die Traktion ist auch dank XDS ausgezeichnet, der Dreizylinder überfordert den Frontantrieb nicht. Über kurvige Landstraßen rennt der Ibiza besonders gerne, beschleunigt sauber aus dem Scheitelpunkt heraus und wirft sich mit Elan gleich in die nächste Kehre. Auf der Autobahn läuft er sauber geradeaus, lässt sich im Normal-Programm der Dämpfer auch durch kurz aufeinanderfolgende Wellen nicht aus der Ruhe bringen. Für einen sportlich orientierten Kleinwagen serviert er einen sehr ordentlichen Abrollkomfort. Die Bremsen – über 100 PS Leistung sind beim Ibiza vorne wie hinten Scheiben verbaut – sind fein dosierbar und packen auf Wunsch kraftvoll zu. Auch bei den GF-Messungen, einem steten Wechsel zwischen vollem Beschleunigen und hartem Abbremsen – konnten wir ihnen kein Fading entlocken.
Und der Verbrauch? Der hängt ganz entscheidend vom Umgang des Fahrers mit dem Gaspedal ab. Eine Binsenweisheit, zugegeben. Im Testschnitt genehmigte sich unser Ibiza FR Pro flott gefahren 6,4 Liter Super pro 100 Kilometer. Im Minimum verlangte der 1-Liter-TSI 4,6 Liter, im Maximum aber auch mal 8,1 Liter pro 100 Kilometer. Das bedeutet: Wer es fliegen lässt und den kleinen Turbo ständig fordert, kann den Verbrauch auch fast verdoppeln. Digitale Fahrer-Naturen sollten deshalb vielleicht doch lieber über den potenteren 150- PS-Vierzylinder nachdenken, der weniger Mühe mit hohen Leistungsanforderungen hat und deshalb tendenziell bei gleichen Tempi im Alltag etwas sparsamer zu Werke gehen dürfte.
Die Qualitäten des neu arrangierten Innenraums kommen dagegen allen Ibiza zugute. Man fühlt sich auf Anhieb wohl, ist angenehm überrascht vom rundum wertigen Ambiente und den liebevoll platzierten Details. Das griffige Multifunktions-Sportlenkrad mit praktischen Bedienwalzen liegt gut in der Hand. Die neue, luftige Armaturentafel wirkt modern und klar gegliedert. Das Virtual Cockpit mit verschiedenen Ansichten ist beim FR Pro Black Edition Serie. Daneben sitzt gut einseh- und bedienbar der große 9,2-Zoll-Touchscreen für Infotainment und Fahrzeugeinstellungen. Darunter ist die Bedieneinheit für die Serien-Climatronic angeordnet, die noch mit klassischen Drehreglern bedient wird. Taster für wichtige Funktionen sind um den Schalthebel herum gruppiert. Die höhenverstellbaren Serien-Sportsitsitze, deren Sitzflächen-Design gegenüber dem Testwagen inzwischen etwas geändert wurde, bieten guten Seitenhalt und sind straff gepolstert.
Das Platzangebot für Fahrer und Beifahrer ist vollkommen zufriedenstellend, auf der Rückbank geht es Fahrzeugklassen-typisch etwas beengter zu. Knie- und Kopffreiheit passen, nehmen drei Personen auf der Rückbank Platz, wird es naturgemäß vor allem an den Schultern eng. Der Kofferraum gibt sich mit 355 respektive 1.165 Litern Stauraum bei umgelegten Rücksitzlehnen (2/3 zu 1/3) alltagspraktisch. Einen variablen Kofferraumboden nebst Mittelarmlehne für Fond-Passagiere gibt es für 350 Euro, die Privacy-Verglasung hinten kostet 240 Euro extra.
In Sachen Infotainment lässt sich der FR Pro Black Edition wahrlich nicht lumpen. Das große Navisystem – natürlich stets online und vorbereitet für das Seat Connect Online Infotainment –, die Sprachbedienung und die Einbindung des Smartphones via Apple Car Play oder Android Auto sind serienmäßig verbaut. Nur den kabellosen Qi-Lader fürs Handy muss man für 240 Euro extra ordern – oder die serienmäßigen USB-C-Ladebuchsen nutzen. Sechs Lautsprecher, DAB+ oder die eigene Musik-Mediathek sorgen für beste Unterhaltung.
Ein fairer Preis
In Sachen Assistenz beschränkt sich der Ibiza ab Werk auf das heute Gängige: Der Lane Assist und das Umfeldbeobachtungssystem „Front Assist“ mit City-Notbremsfunktion und Personenerkennung sind Serie. Gegen Aufpreis gibt es eine Rückfahrkamera mit Parkpiepsern vorne und hinten (600 Euro), das schlüssellose Schließ- und Start-System „Kessy“ (250 Euro) oder auch das Fahrer-Assistenz-Paket XL für 450 Euro, das die automatische Distanzregelung ACC, den Fernlichtassistent, den Travel Assist mit Spurhalteassistent und Stauassistent sowie die Verkehrszeichenerkennung beinhaltet. Das war’s schon.
26.240 Euro kostet der Seat Ibiza FR Pro Black Edition laut aktueller Preisliste. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Ausgabe, Mitte September 2022, gewährte Seat im Rahmen einer zeitlich nicht definierten Aktion noch 1.801 Euro Nachlass auf dieses Modell, das somit ab 24.439 Euro zu haben ist.
Das ist angesichts des gelungenen Optik-Pakets, der prima Ausstattung und den allgemeinen Qualitäten des neuen Seat Ibiza wirklich ein faires Angebot. Da bleibt noch genügend Kleingeld, um gleich mal bei der heimischen Eisdiele vorzufahren ...
Test kompakt
Der modellgepflegte Seat Ibiza ist speziell in der FR Pro Black Edition- Ausstattung, ein cooler, frecher Flitzer. Dazu braucht es auch nicht den Vierzylinder mit 150 PS. Der launig brummelnde, bullig antretende Dreizylinder mit 110 PS reicht vollkommen aus, sofern man nicht vorwiegend auf der Autobahn unterwegs ist. Die Ausstattung ist großzügig, die Verarbeitung prima und der Preis passt.