Porsche Taycan GTS Sport Turismo - Eine elektrisierende Mischung

Joshua Hildebrand

 · 23.02.2023

Porsche Taycan GTS Sport Turismo - Eine elektrisierende Mischung
Foto: Jan Bürgermeister

Wer mindestens 135.000 Euro in ein Elektroauto investiert, der möchte logischerweise auch etwas geboten bekommen – erst recht, wenn es sich dabei um einen Porsche Taycan GTS Sport Turismo handelt. Stimmen Fahreigenschaften, Qualität und Praktikabilität? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen …

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Foto: J. Bürgermeister

Angenommen, ein Flaschengeist würde Ihnen mindestens 135.000 Euro schenken, damit Sie sich einen Wunsch erfüllen könnten … Was wäre dies? Ein politisch korrekter Sportwagen in Form eines Porsche Taycan GTS Sport Turismo? Völlig bei den Haaren herbeigezogen, meinen Sie? Zugegeben, der Flaschengeist war nun wirklich etwas unrealistisch. Der Preis des drittstärksten Elektro-Porsche ist es hingegen nicht. Wofür es früher noch eine schmucke Eigentumswohnung mit Aussicht auf Altersvorsorge gab, steht nun dieser rassige Stromer vor uns. Ziemlich viel Sportwagen, jede Menge Coupé und sogar ein bisschen Kombi stecken in ihm – und als GTS soll er be- sonders lecker sein. Bisher konnten die Porsche GTS-Modelle ja immer mit einem besonders sportlichen Klang punkten, dieses Prädikat fällt nun leider weg. Dafür ist die Option des futuristisch anmutenden „Porsche Electric Sounds“ für 500 Euro serienmäßig an Bord.

Stilvoller Fünf-Meter-Oschi

Wie übrigens einige weitere der ansonsten aufpreispflichtigen Extras, die das 45.000 Euro günstigere Basismodell nicht hat. Irgendwoher muss der Preisunterschied ja auch kommen. Zum GTS-Umfang zählen etwa das Sport Chrono Paket, ein adaptives Luftfahrwerk, eine Smart Lift Funktion zum Anheben des Fahrzeuges, sportive 20-Zoll-Räder und rote Bremssättel. Ein dicker Auspuff? Entfällt natürlich. Der Look des GTS wird geprägt von der sportlicheren Bugverkleidung und den ausgeprägteren Seitenschwellern mit Einlegern (beides Sport Design) in hoch glänzendem Schwarz, zudem lackierten Außenspiegel-Unterschalen sowie einem Heckdiffusor in Lamellendesign.

Hinzu kommen die schwarze Modellbezeichnung auf der Heckklappe sowie das schwarze statt silberne Porsche-Logo im Leuchtenband. Und auch wenn es so aussieht, ist der Sport Turismo nicht länger als die normale Sportlimousine. Mit 4,96 Metern Länge und 1,97 Meter Breite ist er identisch groß, lediglich bei der Höhe fällt das Kombi-Coupé (cW-Wert ca. 0,25) einen Zentimeter höher aus. Aus den Abmessungen ergibt sich kein Nachteil in der Stadt, allenfalls durch die etwas bescheidenere Sicht nach hinten. Aber dafür gibt es ja auch Rückfahrkameras …

Drei zum Preis von einem: Der Taycan GTS Sport Turismo vereint Sportwagen, Reiselimousine und Familienkombi – gepaart mit perfekter Verarbeitungsgüte

Gute Ausstattung, teure Extras

Da gibt es innen mit bloßem Auge schon mehr zu sehen. Kaum ist die Tür offen, springt uns die edel anmutende Türeinstiegsblende in schwarz gebürstetem Alu an – schick! Dieser Eindruck führt sich fort: Leder und Race Tex – eine Art Alcantara –, wohin das Auge nur schaut. Die feine Mikrofaser findet sich am elektrisch verstellbaren GT-Sportlenkrad, am Dachhimmel, den adaptiven Sportsitzen (18-Wege, elektrisch), an der Mittelkonsole und dem Armaturenträger. Dazu gibt es farblich abgesetzte Nähte und noch mehr Alu. Man wird Sportwagen-ähnlich eingepackt, ohne sich eingeengt zu fühlen – das Sitzgefühl ist hervorragend.

Auch in zweiter Reihe (4+1-Sitzanlage, 476 Euro) sitzt es sich als überdurchschnittlich großer Mensch durchaus angenehm. Die Kopffreiheit im Fond geht in Ordnung und fällt dank höherer und nicht so früh abfallender Dachlinie etwas großzügiger aus als bei der Limousine. Gleiches gilt für das Gepäckraumvolumen, das mit Frunk (Fach unter Fronthaube, 84 Liter) und Kofferraum insgesamt 530 Liter bietet (Limousine: 500 Liter). Wer die Rücksitzbank umklappt, kann das Gepäckteil sogar auf über 1.200 Liter vergrößern.

Nach Verzicht sieht das hier im Interieur ganz gewiss nicht aus. Vor allem, wenn man die Bildschirme zählt. Unser Testwagen hält mit dem optionalen Beifahrerdisplay (1.023 Euro) insgesamt vier Tablet-große Screens inne – neben dem Curved-Display für den Fahrer, für die Klimabedienung sowie dem des zentralen Infotainments. Natürlich erfolgt die Bedienung weitgehend knopflos – hätten Sie sich aber vermutlich schon denken können. Ein großes Lob gilt der serienmäßigen Konnektivität. Denn Online-Anbindung, Freisprecheinrichtung, Navigation, das kabellose Einbinden und induktive Laden für Smartphones ist bereits all-inclusive. Auch Car2X, ein Spurhalteassistent samt Verkehrszeichenerkennung oder ein Notbremsassistent.

Wie bei Porsche üblich, lassen sich trotzdem viele weitere Euros investieren. Zum Beispiel in einen teilautonomen Fahrassistenten (InnoDrive, 3.070 Euro). oder in die Individualisierung, ein Spezialgebiet der Zuffenhausener: Frei wählbare Farben, Lacke, Nähte und Materialien: Es gibt kaum etwas, was es nicht gibt. Darf es ein individueller Lack sein? Macht 8.806 Euro. Oder eine Sport-Chrono-Stoppuhr von Porsche Design? Gerne. Macht nochmal 1.006 Euro. Der Taycan GTS Sport Turismo ist bei Ausstattung, Extras und Aufpreispolitik ein echter Porsche. Natürlich auch in Sachen Verarbeitung und Qualitätsanmutung. Da stellt sich uns die Frage: Fährt er sich denn auch so gut?

Sein Gewicht von 2,4 Tonnen merkt man dem Taycan GTS kaum an – auch wegen Hightech-Features wie adaptiver Luftfederung, Wankstabilisierung, Allradlenkung und Torque Vectoring Plus

Hervorragende Performance

Gestartet wird natürlich links – darauf kann man sich bei Porsche verlassen. Zwei permanent erregte Synchronmaschinen, eine an der Voder- und eine an der Hinterachse, erwachen mit einem einschlägigen Signalton zum Leben. Damit auch bis zu 598 PS und 850 Newtonmeter im Overboost. Der Strom für diese Power kommt aus einer großen 93,4 kWh-Batterie (83,7 kWh netto) im Unterboden, die auch für das hohe Gewicht von 2,4 Tonnen maßgeblich verantwortlich ist. Davon merken wir allerdings recht wenig, als wir den Kavalierstart vollziehen. Mit Leichtigkeit und unglaublii cher Vehemenz werden wir in das Gestühl gedrückt, untermalt vom künstlichen E-Sound, der dem eines Ufos ähnelt. Ein tiefer Atemzug, schon steht die 100 im Display. Bääm! Unsere Messanlage offenbart: Gerade 3,8 Sekunden sind vergangen – Respekt! Nicht weniger flott schiebt der Taycan GTS Sport Turismo weiter voran – im Zweifelsfall mit fünf Personen und vollgepackt bis unters Dach. Emotionsgeladen? Check! Auch, wenn man sich dabei an das fehlende Motorengeräusch gewöhnen muss. Ein leichtes Rucken durchfährt die Karosserie. Aha!

Der zweite Gang des Hinterachsgetriebes ist eingelegt, so dass auch die 200-km/h-Marke schnell geknackt ist – in nur 12 Sekunden. Und selbst dann ist noch nicht Schluss: Mit 250 km/h Spitzengeschwindigkeit lässt er sowieso die meisten Elektroautos hinter sich. Zukunftsweisend? Lassen wir durchgehen. Mit der straffen Dreikammer-Luftfederung (Serie) und der breiten Mischbereifung liegt der GTS dabei stets traktionssicher und satt auf der Gasse. Wer komfortabel cruisen möchte, klickt sich via Drehrädchen in den Normal-Modus. Aussagekräftig: „Comfort“ gibt es gar nicht. Dennoch findet das Fahrwerk immer die passende Gangart.

Richtig soft wird es aber nie, der GTS bleibt auch als Stromer ein Daily-Sportwagen mit ausgesprochen transparentem und verlässlichem Fahrverhalten. Dazu gesellt sich die verbindlich-neutrale Lenkung, die mit steigender Geschwindigkeit höhere Handkräfte verlangt – das fühlt sich authentisch an. Einzig beim Anbremsen macht sich das Gewicht bemerkbar, drückt zunächst in Richtung Kurvenäußeres, bis das Heck – vor allem dank optionaler Hinterachslenkung – freudig mitlenkt. Aus dem kurzen, untersteuernden Moment wird dann doch noch ein leicht übersteuerndes, sehr dynamisches Fahrverhalten. Dabei lassen sich Kurven feinfühlig über die Stahlbremse (v/h: 390 mm/358 mm) anvisieren.

Der Übergang vom Verzögern der E-Maschinen bis hin zum Zupacken der Radbremsen geht unmerklich vonstatten. Spätestens beim Herausbeschleunigen aus dem Scheitelpunkt hat die fein abgestimmte Elektronik alle Hände voll zu tun, um das Antriebsmoment aller vier Räder so fein zu regulieren, dass der Taycan spurtreu, aber dynamisch bleibt. Das klappt auch richtig gut. So, dass es jedem leicht fallen dürfte, schnell zu sein. Technische Raffinessen wie Wankstabilisierung, Allradlenkung und Torque Vectoring Plus tun hier ihr Übriges.

Der sportlichere GTS-Look ist von vorne vor allem an der schicken Sport-Design-Verkleidung mit größeren Lufteinlässen zu erkennen
Der sportlichere GTS-Look ist von vorne vor allem an der schicken Sport-Design-Verkleidung mit größeren Lufteinlässen zu erkennen

Ordentlich: 400 km Reichweite

Der GTS beherrscht aber auch den Schmuse-Kurs. Während wir im Vollstrom-Modus locker über 35 kWh auf 100 Kilometer raushauen, sind es bei ausgeglichener Fahrweise akzeptable 25,8 kWh. Man muss zwar kein Hypermiler sein, um mit dem Taycan GTS weit zu kommen. Die von Porsche angegebene konfigurationsspezifische Reichweite von 448 Kilometern (WLTP) ist allerdings nur schwer schaffbar. 391 waren es im Test; wer sich zurücknimmt, schafft aber auch die magischen 400 (Tipp: Wärmepumpe für 845 Euro). Auch dank des cleveren Rekuperationsmanagements, das sich über das Verzögern der E-Maschinen kontinuierlich Energie zurückholt oder beim energiesparenden Rollen beide Motoren ratzfatz entkoppelt. Am Supercharger kann dann dank 800-Volt-Technik richtig schnell geladen werden. Mit maximal 270 kW Ladeleistung konnten wir den Edel-Stromer von fünf auf 80 Prozent in knapp 25 Minuten wieder füllen. Wer häufig mit Wechselstrom lädt (AC), tut gut daran, die Option des 22-kW-Onboard-Ladegeräts (1.666 Euro) anzukreuzen. So kann man fast doppelt so schnell wieder auf die Bahn.

Denn wer will schon stehen? Mit dem hier möchte man fahren! Ob schnell oder langsam, beides geht hervorragend. Ein GTS der Neuzeit.


Motor

VA/HA: je eine permanent erregte Synchronmaschinen mit Hairpin-Wicklung in Einheit mit Pulswechselrichter und Getriebe, Performance Batterie-Plus: Lithium-Ionen-Akku, Batteriekapazität 93,4 kWh (netto 83,7 kWh), Nennspannung 800 Volt, 396 Pouch-Zellen, 33 Module, Ladedauer AC (11 kW) 100 % (SOC): ca. 9 h, optional mit 22 kW ca. 5 h; DC (270 kW) 5–80%: ca. 25 min


Karosserie

5-türige Sportlimousine, Alu/Stahl-Mischbauweise, 4 Sitze, 5 opt., LxBxH 4.963 x 1.966/2.144 (o./m. Spiegel) x 1.391mm, Radstand 2.900 mm, Spur v/h 1.702/1.667mm, Porsche Active Aerodynamics (PAA), cW-Wert 0,26, Leergewicht (inkl. Fahrer, 75 kg) 2.310 kg (mit Fahrer 75 kg), zul. Gesamtgewicht 2.875 kg, Zuladung 565 kg, Dachlast/Stützlast 75/- kg, Kofferraum 446–1.212 l (bei geklappter Rücksitzbank) + 84 l unter Fronthaube, Anhängebetrieb nicht vorgesehen


Assistenten

Serie:

  • Car2X,
  • Multikollisionsbremse
  • Spurhalteassistent inkl. Verkehrszeichenerkennung
  • Tempostat inkl. adaptivem Speedlimiter
  • Warn- und Bremsassistent inkl. Fußgängerschutz
  • Park-Assistent v/h

Optional (Auswahl):

  • Park-Assistent mit Rückfahrkamera und 360-Grad-View
  • Nachtsichtassistent
  • Spurwechselassistent
  • automatische Abstandsregelung
  • teilautonomes Fahrsystem „InnoDrive“
  • Fernbedientes Parken „Remote ParkAssist“

Test kompakt

Das Basismodell des Sport Turismo gibt es bereits ab 89.351 Euro. Der Aufpreis zum GTS beträgt happige 45.000 Euro. Doch bietet vor allem das GTS-Modell eine elektrisierende Mischung aus luxuriösem Sportwagen, langstreckentauglicher Reiselimousine und praktischem Familienkombi, die mit ein paar Extras zu fahrdynamischen Höchstformen aufläuft. Kurz: ein waschechter GTS der Neuzeit mit ordentlicher Reichweite.