Porsche Macan GTSBündnis 440 – Der Grüne

Joshua Hildebrand

 · 06.04.2022

Porsche Macan GTS: Bündnis 440 – Der GrüneFoto: Jan Bürgermeister

Tschüss, „Turbo“: Der Macan GTS rutscht in der Hierarchie nach oben und wird zum Topmodell. 440 PS und eine ausgeklügelte Fahrwerkstechnik sollen ihn fahrdynamisch zum Elfer im SUV-Kleid machen. Was ist dran?

2,9 Liter doppelt aufgeladen, Kofferraum vollgeladen: Der Macan GTS schöpft aus den Vollen und verbindet luxuriöse Sportlichkeit mit Alltagstauglichkeit. Frage an Sie: Der beste Porsche? | Fotos J. Bürgermeister

Breaking News: Die Ampel-Koalition hebt wegen der anhaltend hohen Spritpreise die Pendlerpauschale in der Steuererklärung an. Sie gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 – Pendeln wird somit ab einer Strecke von 21 Kilometern nun günstiger. Das trifft sich gut, wenn man einen Power-SUV wie den Macan GTS sein Eigen nennen darf; der sich immerhin für Gutbetuchte auch als Daily Driver zur Arbeit anbietet. Unser Sparschwein gibt leider nicht so viel her, dass wir mit einem eigenen Exemplar zur Arbeit fahren könnten – immerhin sprechen wir von mindestens 90.049 Euro Anschaffungskosten. Und die nächste Lottoziehung ist erst wieder am Samstag – so ein Mist. Das schöne am Redakteurs-Dasein ist allerdings, dass wir auch ohne heißen Draht zum Banker in den Genuss des Topmodells kommen dürfen – zumindest kurzzeitig. Nutzen wir doch gleich mal die Gunst der Stunde, geben wir dem Leben wieder mal ein bisschen Farbe und steigen auf den gift- … Verzeihung, pythongrünen Porsche Macan GTS um. Politisch korrekt? Nö. Aber spaßig!

Motor und Leistung vom ehemaligen Turbo

Schon beim Anblick des Datenblatts bekommen wir feuchte Hände: V6-Biturbo mit 2,9 Litern Hubraum – (Brenn-)Raum für 440 PS und 550 Newtonmeter, die das 2-Tonnen-Viech mehr als nachdrücklich nach vorne katapultieren. Doch dazu gleich mehr. Der neue Macan GTS beerbt die Top-Position des ehemaligen Turbo-Modells.

Klebt auf der Karosse das Kürzel GTS, für Gran Turismo Sport, so hat die Emotionalität einen besonders hohen Stellenwert. Der Macan GTS ist nicht umsonst nach eigener Marketing-Floskel „der sportlichste Macan, den Porsche je gebaut hat“. Vielleicht sogar das sportlichste SUV? Selbst ein größerer Cayenne GTS Coupé wird trotz PS-Vorteils das Nachsehen haben. Der Bruder ist wuchtiger, massiger, besitzt schlechtere Voraussetzungen für die ganz große Kurvenaction. Es geht heute um die Faszination Porsche für jeden Tag. Und mittelfristig gesehen vermutlich auch um eines der letzten konventionell angetriebenen Sport-SUVs. Mit Anblick des Schlüssels weißt du bereits, dass er dich glücklich macht, dass er Abenteuer für dich bereithält. Bloß welche?

Innehalten und kurz tief durchatmen. Typisch Porsche: Linksseitig erwacht der V6 mit einem kurzen, aber entschlossenen Grummeln. Doppelt emotionsgeladen, weil Biturbo. Sorry, E-Fans: Das ist wirklich ein Gefühl, dass kein Elektroauto auf der ganzen Welt vermitteln kann. Zu wissen, dass sich vor uns der ehemalige Macan-Turbo-Motor befindet, verstärkt das Gefühl sogar noch. Das optionale GT-Lenkrad mit alcantara-ähnlichem Race-Tex schmeichelt unseren Händen und liegt sensationell feinfühlig in der Hand. Sowieso fühlt man sich im Macan gut chauffiert. Die Sitzposition, die Ergonomie, die Haptik: minimalistisch, sportlich – aber äußerst funktional. Es fühlt sich eher an wie ein hochgebocktes Sportcoupé – nur eben, dass unser Fotograf samt Equipment auf der Rückbank Platz nehmen kann. Seiner Aufforderung „Drück mal drauf!“ möchten wir doch alsbald Folge leisten.

Der Macan GTS ist kein Permanent-Allradler

Wir biegen ab in Richtung Landstraße. Ortsausfahrt, Tempolimit: 100. In nur 4,3 Sekunden sprintet die linksseitige Tachonadel auf das hier erlaubte Maximaltempo, die mittige Drehzahlnadel zugleich in den roten Bereich, der bei 6.900 Umdrehungen beginnt. Das famose 7-Gang-PDK wuppt die Gänge so butterweich hinein, dass es eine helle Freude ist. Einen Handschalter braucht man da gewiss nicht – null komma null Zugkraftunterbrechung, das hat schon seinen Reiz.Versierten Sportfahrer ist jedoch zu empfehlen, halbautomatisch via Wippen am Lenkrad zu schalten, da das Höchstdrehmoment „nur“ bis 5.600 Umdrehungen anliegt – Gänge voll ausdrehen muss also gar nicht sein. Die Beschleunigung des Zweitonnen-Macan hat Suchtpotenzial, sein Sound ebenfalls. Trotz des Klang-feindlichen Ottopartikelfilters zaubert der GTS bei jedem Autofan mit Benzin im Blut ein Lächeln ins Gesicht. Verantwortlich dafür zeichnet sich die Sportabgasanlage mit geändertem Nachschalldämpfer, dessen Sport-Sound über eine separate Taste im Bedienfeld der Mittelkonsole aktiviert wird. Ganz ehrlich: Viel mehr Krawall braucht es gar nicht, zumal das subjektive Gefühl dank der künstlichen Verstärkung im Innenraum noch größer ausfällt. Gemeint ist der Sound-Symposer, ein Kunststoffschlauch mit einer gasdichten Membran, der das leidenschaftliche Trompeten der Ansaugrohre – je nach Fahrmodus – mal schwächer, mal stärker in Richtung Cockpit transportiert. So sorgen vor allem die Fahrmodi Sport und Sport Plus für eine Extraportion Fahrerlebnis, bei denen auch die Fahrdynamik- und Regelsysteme hellwach sind.

Die serienmäßige Luftfederung senkt den Schwerpunkt des Macan und spannt ihre Muckis, die Lenkung zeigt sich noch etwas mitteilungsfreudiger, obwohl sie auch im Normalmodus schon äußerst präzise arbeitet.

Es werden übrigens nicht immer alle vier Räder angetrieben. Die meiste Zeit fährt der Macan nämlich mit Heckantrieb, der sogenannte „Hang on“-Allrad (PTM) sorgt dafür, dass die Vorderachse ihr Antriebsmoment in Abhängigkeit des Sperrgrads der elektronisch geregelten Lamellenkupplung erhält. Dies ist unter anderem abhängig vom Schlupf. Droht ein Rad durchzudrehen, bremst das PTM mittels automatischem Bremsdifferenzial jenes ab und überträgt so mehr Antriebsmoment auf das andere Rad seiner Achse.

Diesem System zur Seite steht das optionale Torque Vectoring Plus (PTV Plus), das für 1.488 Euro in der Aufpreisliste steht. Dank elektronisch gesteuerter Hinterachs-Differenzialsperre fällt die Kurvendynamik noch knackiger aus – ein echt nützliches Feature. Kaum eine Spur von feistem SUV-Feeling, während wir Kurve für Kurve vernaschen. Der Lenkwinkel passt, die Rückmeldung ist vollmundig, die Keramikbremsen verzögern krass. Und die Rollbewegungen der Karosserie fallen milde aus.

Jedes Herausbeschleunigen ist ein Genuss, der sich im gestiegenen Verbrauch von knapp vierzehn Litern äußert – ja, richtig gelesen. Wie gut, dass die Pendlerpauschale erhöht wurde … Nein, Spaß beiseite. Wer in Anbetracht der Performance ein Spritsparwunder vermutet hat, der träumt vermutlich auch von staufreien Autobahnen. Wer nicht permanent 272 km/h schnell ist (Höchstgeschwindigkeit), der kommt mit zwölf Litern Super Plus im Schnitt ganz gut weg. Doch müssen wir ehrlich sein: Ein Wert unter zehn wird kaum möglich sein, was den Interessenten eines GTS vermutlich nur bedingt interessieren wird. Fakt ist: Wer einen Sportwagen mit SUV-Vorzügen und Platz sucht, hat ihn soeben gefunden.

Der Sportwagen unter den SUV

Ganz genau: Er ist der Elfer unter den SUV. Das merkst du schon allein an den kompakten Abmessungen, insbesondere einer um 20 Millimeter kürzeren Fahrzeuglänge. Dazu kommt das leichtfüßige Macan-Design, dass mit dem Facelift Ende letzten Jahres nochmals verfeinert wurde. Das Spitzenmodell hebt sich dank schwarzer Applikationen auch optisch deutlich von sein bürgerlicheren Ausführungen ab.

Serienmäßig abgedunkelte LED-­Schein­wer­fer und Rückleuchten, dazu schwarze Endrohre der Sportabgasanlage und ein neuer Dachspoiler im Doppelflügel-Design zeugen von einer entschlossenen Sportlichkeit. Eigentlich würde der GTS serienmäßig auf seidenglänzenden 21-Zoll-Rädern im Design „RS Spyder“ rollen. Doch 20-Zoll-Winterräder im Macan-S-Design haben ihren Platz eingenommen. Dahinter leuchten normalerweise rot lackierte Bremssättel, die Wolframcarbidbeschichtete Scheiben in die Zange nehmen. Da aber auch dieser Testwagen „S-GO-6301“ so ziemlich alles an Bord hat, was die umfangreiche Porsche-Optionsliste hergibt, blicken wir auf Keramik-Stopper (PCCB), die an der gelben Lackierung zu erkennen sind. Laut Porsche sind die Bremsen derzeit aufgrund einer hohen Nachfrage nicht erhältlich, sollen aber bald wieder verfügbar sein. Als Bestandteil des GTS Sport Pakets ist leider auch jene All-Inclusive-Option betroffen.

Im Innenraum hebt sich der Macan über ein paar dezent platzierte GTS-Schriftzüge von seinen anderen Derivaten ab – man findet die drei Buchstaben etwa im mittig angeordneten Drehzahlmesser oder auf den achtfach verstellbaren „Sesseln“, die Porsche als Sportsitze führt. Auf ihnen sitzt es sich bequem und haltstark – keine Frage. Wer mehr Verstellung braucht, ordert ganz einfach die 18-Wege-Option für knapp 1.800 Euro. Sowieso ist die Liste der Individualisierungs-Möglichkeiten Porsche-typisch sehr lang.

Diverse Extras, wie farbige Kontrastnähte hübschen das edle und sportlich nüchterne Interieur auf. Optional bringt das Interieur-Paket Carbon zudem diverse Kohle-
faser-Applikationen in den neuen Macan GTS. Und selbstverständlich bietet die aktuelle Macan-Baureihe ein hohes Maß an Konnektivität und Sicherheitssystemen – vieles jedoch nur gegen Aufpreis. Mit serienmäßiger Navigation samt Online-Anbindung bietet der GTS eine akzeptable Basisausstattung, induktives Laden oder die kabellose Smartphone-Integration via Apple CarPlay oder Android Auto kosten extra. Ähnliches bei der Assistenz: Parkassistent (v/h), Spurverlassenswarner und Tempostat gehören zur Grundausstattung, mehr in Form von Rückfahrkamera oder etwa Spurhalteassistent lässt sich Porsche zusätzlich bezahlen.

Ja, der Macan GTS ist der Genuss-Porsche für sportlich versierte SUV-Fahrer, denen der Preis eher zweitrangig ist. Immerhin spart man ja jetzt etwas mehr beim Pendeln …


Test kompakt

Der Porsche Macan GTS trifft das Sport-SUV-Thema voll auf den Punkt. Der Biturbo-V6 ist ein toller, faszinierender Antrieb und beschert dem Topmodell Fahrleistungen eines echten Sportwagens. Dazu macht der Facelift-GTS in Sachen Fahrwerk, Konnektivität und Assistenz nochmal einen Sprung nach vorn. Porsche-typisch hoch: Der Verbrauch und der Preis – das ist allerdings nichts Neues …