Freude am Sparen

Joshua Hildebrand

 · 19.02.2023

Freude am Sparen

Ja, dieser Seat Leon macht richtig Laune – vor allem an der Zapfsäule. Statt Diesel, Benzin oder Strom genehmigt sich dieser Kompakte Erdgas – inklusive einer top Umweltbilanz! Doch zieht der 1.5 TGI mit 130 CNGPS auch die Wurst vom Brot? Das klärt der GF-Test

Der TGI fährt sich so komfortabel wie der vergleichbare TSI – Abstriche beim Komfort müssen nicht hingenommen werden. Mit dem strammen Serienfahrwerk kurvt es sich sportlich
Foto: Jan Bürgermeister

Vollgetankt für knapp 20 Euro – ha! Da können Fahrer konventioneller Verbrenner nur mit den Schultern zucken. Und wohl auch die Elektro-Hipster, die zwar auch (noch) recht günstig laden, aber Ewigkeiten warten müssen, bis das Wägelchen wieder voll ist. Nicht mit uns! Wir verlassen nach fünf Minuten wieder die Tankstelle, das Betanken mit Gas geht annährend genauso schnell und unkomopliziert wie bei Benzin oder Diesel – sofern man eine passende Zapfsäule gefunden hat. Denn mit gut 850 Tankstellen in Deutschland könnte die Zahl etwas größer ausfallen. Neidisch schielen wir in Richtung Italien, dem Erdgas-Vorzeigeland, das gar über die doppelte Anzahl verfügt. Nun gut … mit ein bisschen Planung ging uns bisher aber nie der „Saft“ aus.

Zugegeben: Es stand auch schon mal besser um den Gaspreis. Haben wir eben für 1,20 Euro pro Kilo getankt, lag der Preis an der gleichen CNG-Zapf- säule vor einem Jahr noch bei nicht mal einem Euro. Immerhin: Die Gasumlage kommt nun doch nicht, was einen großen Vorteil von CNG-Autos – der günstige Unterhalt – geschmälert hätte. Die Bundesregierung hat sich auf einen „Abwehrschirm“ gegen hohe Energiepreise geeinigt und tritt analog zur Strompreisbremse auch auf die Gaspreisbremse. Das bedeutet für uns: Wir können (vorerst) sorgenfrei Gas geben. Hier und heute mit dem erdgasbetriebenen Seat Leon 1.5 TGI.

Der CNG-Motor ist nur eine von vielen möglichen Motorisierungen. Den Leon gibt es weiterhin auch als Benziner, Mild-Hybrid (eTSI) oder Diesel. Wer den Leon als Plug-in-Hybrid haben möchte, der schaut gerne bei Tochter Cupra nach, die auch eine teilelektrische Variante mit 204 oder 245 PS im Programm führt. Die Gas-Variante gibt es hingegen nur bei Seat ab der Ausstattung Style. Kunden haben die Wahl zwischen der bewährten Sechsgang-Handschaltung oder dem hier verbauten 7-Gang-DSG-Getriebe. Mit einem Einstiegspreis ab 31.300 Euro (Style und DSG) rangiert der Preis der umweltfreundlichen Motorisierung eher am oberen Ende des Angebots, welcher sich vor allem aber für Vielfahrer aufgrund günstiger Kraftstoffkosten schnell amortisieren dürfte. Die getestete Xcellence-Version startet mit siebenstufigem Automatikgetriebe bei 32.950 Euro. Dafür gibt es unter anderem 17-Zoll-Leichtmetallräder, eine Climatronic mit 3-Zonen-Temperaturregelung, Smart Ambient Light und ein Virtual Cockpit in Serie.

Ja, dieser Seat Leon macht richtig Laune – vor allem an der Zapfsäule. Statt Diesel, Benzin oder Strom genehmigt sich dieser Kompakte Erdgas – inklusive einer top Umweltbilanz! Doch zieht der 1.5 TGI mit 130 CNG-PS auch die Wurst vom Brot? Das klärt der GF-Test

Effizienz und Fahrspaß muss kein Widerspruch sein

Auf welche Ausstattung man sich auch immer fokussieren mag, der Antrieb unter der Motorhaube bleibt stets gleich. Angeboten wird der Leon TGI ausschließlich mit 1.5-Liter-Turbo-Vierzylinder samt 130 PS und

200 Newtonmeter Drehmoment. Der Motor dürfte bekannt sein, stammt er doch aus der VW-Evo-Baureihe EA211. Er kombiniert bewährte Otto-Spartechnologien wie Zylinderabschaltung und Miller-Brennverfahren für eine bestmögliche Schadstoffarmut und der sicheren Einhaltung künftiger Emissionsnormen wie Euro 7. Der Weg dorthin führt über die neue, motornahe Abgasreinigung MAR. Katalysator und Ottopartikelfilter sind dabei zu einem Modul zusammengefasst und nahe am Motor platziert.

In Folge erreichen diese besonders schnell ihre Betriebstemperatur, wodurch die Wirkung der Abgasreinigung steigt. Plasmabeschichtete Zylinder reduzieren die Reibung und Kolben mit Kühlkanälen erlauben ein Ausreizen des Brennverfahrens, ebenso wie eine Erhöhung des Einspritzdrucks auf 350 bar. Nicht zu vergessen ist auch der Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) und eine hohe Verdichtung von 12,5:1. Vorzugsweise wird beim 1.5 TGI komprimiertes Erdgas (CNG) eingeblasen. Damit der Benziner eben auch mit CNG läuft, haben die Motorenspezialisten die Maschine modifiziert – unter anderem mit geänderten Ventilsitzringen. Dass das Augenmerk auf die Effizienz gelegt wurde, ist schön und gut. Doch bringt das alles nichts, wenn die Fahrleistungen unzureichend sind. Deshalb ab auf die Straße, schauen, wie er sich fährt. Auch wenn sich 130 PS nicht nach allzu viel Power anhören mögen, so fällt das subjektive Fahrempfinden des Fronttrieblers recht flott aus. Mit einem Beschleunigungsvermögen von 9,4 Sekunden auf Tempo 100 bietet er gute Reserven, um auch mal quirliger ums Eck zu zwirbeln – auch weil sich das Drehmoment von 200 Newtonmetern bereits bei 1.400 Touren entfaltet. Zwar erst ein bisschen zögerlich, dann aber sehr willig. Zudem hält das 7-Gang-DSG stets den richtigen Gang parat.

Der Seat begeistert mit agilem Handling und effizientem Vorankommen. Ach ja – und mit einem lustvollen Design im Sonderlack „Desire Red“

Weil Käufer und Fahrer eines Erdgas-Autos ohnehin mehr Wert auf den Verbrauch legen dürften, passt die Motorisierung ziemlich gut zum nur 1.400 Kilo schweren Leon. Seine längsdynamischen Qualitäten passen auch auf die Autobahn, wo man mit ihm nicht nur ordentlich mitschwimmen, sondern auch problemlos überholen kann. Wer sich seiner Topspeed von knapp über 200 km/h nähert, wird ohnehin vergessen, dass dieser Antrieb als echter Öko durchgeht.

Ja, wir sind von seiner Sparsamkeit überrascht. Selbst notorische Schnellfahrer werden den Verbrauch kaum auf über 6 kg pro 100 Kilometer bringen. Der kombinierte Wert unseres Tests über 1.000 Kilometer deckt sich exakt mit dem der GF-Verbrauchsrunde: 4,3 kg. Bei einem durchaus gängigen Kilo-Gaspreis von 1,20 Euro zahlt man abgesehen von Verschleiß- und Wartungskosten nur rund fünf Euro pro 100 Kilometer. Nicht einmal Bahn-Fahren ist günstiger …

In Summe über 500 Kilometer Reichweite

Dann geh zu Seat! So mausert sich der peppig aussehende Spanier zu einem echten Sparmeister, mit dem man sich fortan keinerlei Gedanken mehr über Spritkosten machen muss. Allein mit der Füllmenge der 17,3 Kilogramm fassenden CNG-Flaschen, welche vor der Hinterachse und unter dem Kofferraumboden untergebracht sind, sind 400-Kilometer-Strecken problemlos zu meistern. Zudem gesellen sich benzinbetriebene Kilometer hinzu, da der Leon noch über einen kleinen Reservetank mit neun Liter Fassungsvermögen verfügt. Legt man einen Verbrauch von etwa sechs Litern zugrunde, lassen sich weitere 120 bis 150 Kilometer hinzu addieren. Auf diese „Versicherung“ wird allerdings nur zurückgegriffen, wenn der CNG-Tank leer ist.

Dann schaltet der quasi-monovalente Leon unmerklich in den Benzin-Modus um. So bleibt genug Zeit, die nächste Erdgas-Tankstelle anzusteuern. Abgesehen vom sauberen Antrieb kann der Leon aber auch bei der Fahrpräzision einen guten Eindruck hinterlassen. Die elektromechanische Servolenkung arbeitet leichtgängig, vermittelt aber dennoch recht viel Rückmeldung. Wer es knackiger mag, der muss wohl oder übel zur FR-Ausführung greifen, die dann auch eine Fahrprofilauswahl beinhaltet. Für den „Xcellence“ gibt es diese leider nicht. Obwohl Seat bis zu 150 PS eine einfacher Verbundlenker-Hinterachse montiert und für die Erdgasvariante des Leon kein Adaptivfahrwerk angeboten wird, fällt das Fahrgefühl recht ausgewogen aus; auch wenn das Standardfahrwerk in Summe recht straff abgestimmt ist. Zusammen mit den optionalen 18-Zöllern samt breiterer Reifen macht diese Konfiguration das Fahrverhalten sportiver, aber nicht komfortabler.

Dies spürt man am ehesten im unteren Geschwindigkeitsbereich beim Überfahren von Querfugen, Pflastersteinen oder schlechten Straßenverhältnissen. Auf Landstraßen und Autobahnen – insbesondere bei Tempi über 100 km/h – ist dies aber kein Thema mehr. Trotz dessen, dass die allgemeine Materialqualität im Vergleich zum Vorgängermodell ein bisschen Federn gelassen hat (wie bei Audi A3 Sportback G-Tron und VW Golf TGI auch), fühlen wir uns im Leon TGI richtig wohl. Als FR und Xcellence ist der Leon vorn mit Sport-Komfortsitzen ausgestattet. Sie haben eine ordentliche Konturierung, bieten guten Seitenhalt und erweisen sich bei längeren Etappen als angenehm komfortabel. Ähnlich zeigt sich auch die tief eingebaute Rücksitzbank, auf der vor allem große Menschen mit langen Beinen die Knie stark anwinkeln müssen. Nichtsdestotrotz fallen Kopf- und Beinfreiheit sehr ordentlich aus – gut für die Langstrecke.

Da kommt Freude auf: Selbst bei erhöhtem Gaspreis tankt man den Leon TGI für nur gut 20 Euro voll. Das reicht dann immerhin für gut 400 Kilometer

Nur beim Gepäck sollte man bei Reisen zu viert oder gar zu fünft etwas haushalten: Der Gepäckraum unter der Kofferraumabdeckung fasst mit maximal 300 Litern etwas weniger als die klassische Benzineroder Diesel-Variante. Der Kofferraumboden ist nicht variabel, da direkt darunter einer der Erdgastanks verbaut ist. Reist man zu zweit und legt die Rücksitzbank um, so dürften maximal 1.220 Liter vollkommen ausreichend sein.

Starke Sicherheit und Assistenz

Die Multimediaausstattung des aktuellen Seat Leon ist umfangreich, ein paar kostenpflichtige Extras würden wir Ihnen jedoch ans Herz legen. Ab Werk ist der Leon Xcellence mit einem Virtual Cokcpit und 8,25 Zoll großen Touchscreen für das Infotainmentsystem ausgestattet, das mit FM- und DAB-Radio, Bluetooth-Anbindung für Freisprechen und Audio-Streaming sowie vier USB-C-Anschlüssen gefallen kann. Vor allem bei jüngerem Publikum beliebte Funktionen wie Apple CarPlay, Android Auto (Full Link) oder induktives Laden kosten extra und bringen Mehrwerte ins Auto.

Beides zusammen liegt bei bezahlbaren 500 Euro. Wer zudem eine fest eingebaute Navigation und/oder eine Sprachsteuerung wünscht, dem sei das 10-Zoll-Navigationssystem mit Touchscreen und zahlreichen Online-Diensten (Live-Verkehrsinfos, Remote-Funktionen, WLAN-Hotsport etc.) für faire 1.055 Euro empfohlen. Die knopflose Bedienung stammt in großen Teilen vom Golf 8 und bedarf hier und da einer gewissen Eingewöhnung.

Richtig gut ist das Arsenal der gebotenen Sicherheits und Assistenzsysteme. Serienmäßig an Bord sind neben der Nahfeldkommunikation Car2X und einer Multikollisionsbremse auch bereits LED-Scheinwerfer, ein Licht- und Regensensor, die Müdigkeitserkennung, „Front Assist“ mit City-Notbremsfunktion, ein Spurhalteassistent, die Einparkhilfe hinten sowie eine Geschwindigkeitsregelanlage. Mit dem umfangreichen Fahrassistenz-Paket XL (1.000 Euro) kommen unter anderem die adaptive Geschwindigkeitsregelung ACC (bis 210 km/h) und der teilautonome „Travel Assist“ ins Auto. Und zum Schluss noch ein nicht unwichtiger Hinweis: Werksseitig wird für den Leon TGI leider keine Anhängerkupplung angeboten. Wer das verkraften kann, bekommt mit diesem Kompakten aber ganz sicher einen modernen Sparmeister mit guter Ausstattung, der dazu auch noch eine Menge Fahrvergnügen bereit hält.


Test kompakt

Es muss nicht immer Elektro sein! Die Vorteile des TGI-Antriebs liegen zweifelsohne bei Wirtschaftlichkeit und Umweltbilanz. Geringer Verbrauch, günstiger Unterhalt und wenig Emissionen sprechen klar für den Leon TGI. Gegen ihn sprechen könnte das löchrige CNG-Tankstellennetz in Deutschland, die mittelmäßige Reichweite sowie Einbußen beim Kofferraumvolumen. Allerdings dürfte sich gerade für Vielfahrer der knackige Einstiegspreis schnell gerechnet haben.