Cupra Born E-Boost (231 PS; 77 kWh-Akku)Electric Avenue

Martin Santoro

 · 23.10.2022

Cupra Born E-Boost (231 PS; 77 kWh-Akku): Electric AvenueFoto: Jan Bürgermeister

Cupra legt beim ersten Elektriker der Marke kräftig nach. Mit E-Boost und größerem Akku ruft der Born jetzt 231 PS auf – bei deutlich gesteigerter Reichweite

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Foto: Jan Bürgermeister

Effiziente Antriebe, große Akkus, schnelle Ladetechnik, viel Platz, schlaue Assistenten und ein neues Bediensystem mit nur noch ganz wenigen Schaltern – im Modularen E-Antriebs-Baukasten des Volkswagen-Konzerns gibt es viele Zutaten, doch eine haben wir bis dato vermisst: die Emotion.

Bis zum letzten Herbst zumindest. Denn nach VW, Skoda und Audi greift auch Seat-Ableger Cupra in den Wolfsburger Elektro-Baukasten MEB und bringt daraus ein erwartungsgemäß emotionales Auto hervor. Born heißt der erste Stromer der Marke Cupra, und der lässt seinen eineiigen Verwandten VW ID.3 im Vergleich eher konservativ aussehen – Rambla Barcelona statt Sandkamp WOB – ohne dem Charme des Niedersachsen zu nahe treten zu wollen.

Die Schnauze scharf und flach im Wind, das Dach zwei Fingerbreit niedriger als beim ID.3, dazu eine knackige Kehrseite: So beweisen die Spanier, dass nicht jedes MEB-Auto aalglatt sein muss.

Basierend auf dem bekannten technischen Unterzeug mit Heckantrieb, also Motor und Antrieb achtern, sowie derzeit zwei unterschiedlichen Akkugrößen mit netto 58 oder 77 kWh, sind nach WLTP theoretische Reichweiten zwischen 420 bis 550 Kilometer möglich. Motorseitig überzeugte uns im Test bereits die aktuelle Basisversion mit 204 PS und 310 Nm nebst kleinem Akku (GUTE FAHRT 5/2022).

Mehr Leistung, mehr Reichweite, mehr Spaß

Mit dem nachgereichten Topmodell besteht nunmehr die Wahlmöglichkeit, mittels Boost-Paket die Leistung auf 231 PS zu pushen. Zusammen mit den beiden Batteriegrößen mixt Cupra Power- und Reichweiten-Mischungen – ganz nach Kundenwunsch. Gewiss möchte Cupra mit seinem bedarfsorientierten Konzept bei der Markentransformation die nächste Generation junger Autofahrer abholen und mitnehmen. Da steigen wir doch gerne ein und gehen mit E-Boost-Zuschlag und dem großem 77-kWh-Akku auf Erkundungskurs. Wir wollen wissen, zu was die Speerspitze der Baureihe in der Lage ist.

Hinter dem Multifunktionslenkrad nimmt man auf serienmäßigen Schalensitzen Platz, die angenehm effektiv stützen. Mit Mehrwert, wohl gemerkt, denn die Bezüge aus optionalem Microfaserstoff „Dinamica Grey“ (1.800 Euro) bestehen aus recyceltem Meeresplastik, welches die Spanier vom Grund und der Oberfläche der Meere, von Stränden und aus Flüssen fischen. Das hat qualitativ nichts mit Secondhand zu tun, sondern weist in eine vegane Material-Zukunft. Zudem wird der Born laut Hersteller klimaneutral ausgeliefert.

Die Insassen fühlen sich bei reichlich Bewegungsfreiheit gut integriert. Auch die hohe Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen folgt diesem Zweck. Sie bietet nicht nur viel Stauraum, sondern will vor allem dem Fahrer eine Stütze sein, wenn dieser im flinken Slalom über die Electric Avenue wedelt.

Unabhängig von Motorisierung und Akku-Kapazität haben die Fondpassagiere im Born ausreichend Knie- und Kopffreiheit. Die gut ausgeformte Sitzbank des E-Boost-Born mit großem Akku-Pack ist bei unserem testwagen ohne dritten Mittelplatz konzipiert. In angesagte Clubs geht es also maximal zu viert. Doch keine Bange, eine Dreisitzer-Rückbank lässt sich kostenneutral als „High Five Pack“ umbuchen.

Keinerlei Einschränkungen bestehen im Spitzenmodell beim Kofferraumvolumen, das auch hier mit 385 bis 1.267 Litern die meisten Alltagsbedürfnisse erfüllen sollte. Natürlich gehören asymmetrisch umklappbare Fondlehnen dazu – samt integrierter Ladeluke für den Skitransport.

War der Born zum Marktstart im November 2021 vom feurigen Charakter manch anderer Cupra-Modelle doch ein wenig entfernt, so änderte sich das letzten Februar mit den Top-Motorisierungen, welche die Cupra-Taste am Lenkrad in die Zukunft retten. Über den rechten Lenkrad-Satelliten oder per Kickdown aktiviert man eine satte Mehrleistung von 27 PS – für maximal 30 Sekunden – bei einem gleichbleibendem Drehmoment-Maximum von 310 Nm.

Der Blick auf den Bordcomputer zeigt: Akkustand 98 Prozent, prognostizierte Reichweite 406 Kilometer. Okay, es kann losgehen!

Der in Martorell weiterentwickelte Viertürer läuft in Zwickau vom Band, vermittelt mit tiefer Sitzposition und dem für E-Autos so typisch spektakulären Drehmomentverlauf viel Sportlichkeit – weil Kupferspulen keine Gedenksekunde kennen. Natürlich fehlt beim wuchtigen Antritt das Spektakel, das etwa der Fünfzylinder im Formentor VZ5 vom Zaun bricht – denn wo kein Auspuff, da kein Verbrenner-Fauchen. Dafür geht ein kleiner Stromschlag durch den E-Antrieb, der Cupra wirkt enorm aufgeweckt. Doch der bewährte Born-
Antrieb mit dem Permanentmagnet-Synchronmotor agiert auch hier so, wie er soll: kultiviert und sehr leise. Obendrein lassen sich beim Stammtischgespräch unauffällig die maximal 16.000 Umdrehungen der E-Maschine einflechten.

Die moderne Art der Sportlichkeit

Oder die Längsdynamik: Die Höchstgeschwindigkeit bleibt zwar bei elektronisch abgeregelten 160 km/h bestehen, doch das Sprint-Intervall von null auf Tempo 100 sinkt gegenüber dem 204-PS-Born merklich. 6,8 statt 7,3 Sekunden haben wir gemessen – trotz einem Mehrgewicht der größeren Batterie von etwa 100 Kilo. Erfreulich obendrein, dass unser Testwagen die Werksangabe um ganze zwei Zehntel unterbietet, was auf einen Schuss mehr Kraft im Toleranzbereich hinweist. Und auch das Überholen (80 bis 120 km/h) geht in 4,5 statt 5,6 Sekunden noch leichter. Zudem reagiert der geboosterte Born spürbar flotter auf den auf Befehle vom Fuß des Fahrers.

Schöne neue Welt also, in der man auch gern rekuperiert. Beim Born mit bis zu 0,3 g bei Stellung „B“ oder etwas geringer in den Fahrmodi „Performance“ oder „Cupra“. In „D“ und „Range“ rollt er hingegen weitgehend frei, verzögert und rekuperiert nur übers Bremspedal. Dem Pedalgefühl ist der Fortschritt anzumerken: Es hat sich entfernt von der Synthetik bei den ersten E-Autos, nähert sich zunehmend erfreulicher Transparenz an. Und wenn es beim Verzögern pressiert, kommen die Hydraulikstopper zum Einsatz – vorne mit großen 340er-Bremsscheiben.

Das sauber durchdeklinierte Fahrgefühl entspricht dem Markenanspruch: Da kommuniziert die präzise Progressiv-Lenkung mit passendem Handmoment ebenso fein mit dem Fahrer, wie das Fahrwerk mit der Fünf- lenker-Hinterachse und den optionalen Adaptivdämpfern Kommandos umsetzt. Nicht überhandlich, jedoch durchweg flüssig nimmt der Cupra mit seinen aufpreis- pflichtigen 235/40er breiten 20-Zöllern enge wie weite Kurven. Die Teamarbeit der Komponenten vermittelt ein stets sicheres Fahrgefühl. Auch der für E-Autos typische tiefe, zentralisierte Schwerpunkt durch die fest verschraubten Aluminium-Akkukiste erhöht die Steifigkeit, was nicht zuletzt die Straßenlage des Ibero-Stromers verbessert. Und weil der Motor hinten sitzt, können die Räder vorn weiter einschlagen. Auch dadurch fühlt sich der Born mit 4,32 Metern Länge handlicher an als ein Ibiza. Und dessen Aufbaulänge misst fast 30 Zentimeter kürzer.

Sicherheit ist Trumpf

Dass der Power-Born auf der aktuellsten Basis des Konzerns aufbaut, zeigt sich auch am umfangreichen Arsenal an verfügbaren Assistenz- und Sicherheitssystemen. Eine prädiktive Crash-Sensorik, Multikollisionsbremse und Querverkehrerkennung, einen Emergency-Assistenten und die Möglichkeit der Car-2-X-Kommunikation (im Tech L-Pack) nebst Self-Sealing-Reifen bietet der E-Cupra. Bei letzterer Option handelt es sich um eine Technologie, bei der die Versiegelungsmischung der Pneus in der Lage ist, kleine Einstichlöcher von Nägeln oder Schrauben in den Laufflächen selbstständig zu verschließen. Dringt etwa ein Nagel in den Reifen, presst der Reifeninnendruck eine zähe Masse von innen gegen den Fremdkörper, so dass die Luft nicht entweichen kann und der Reifendruck konstant bleibt. So wird einer Panne vorgebeugt – ein großer Sicherheitsgewinn. Laut Michelin-Prosa sollen Fahrer bei Löchern bis sechs Millimeter Größe gar nichts von dem Vorfall mitbekommen haben und sind erst beim Service-Termin darauf aufmerksam gemacht worden.

Und wie schaut es mit der Bedienung aus? Nun, sie bleibt natürlich wie geschwisterseitig gewohnt volldigitalisiert – mit Digi-Cockpit, 12-Zoll-Touchscreen und Augmented-
Reality Head-up-Display (Option), selbst wenn Cupra wie Seat hier eine etwas eigene Philosophie bei Menü und Grafik vertritt. Dennoch profitiert dieser Born bereits vom neuesten Software-Update, sodass die Bedienung nun einfacher von der Hand geht, weil die Rechner im Hintergrund schneller arbeiten und Fehlbedienungen vorgebeugt wird. Apple und Android koppeln kabellos, die Sprachsteuerung agiert umfassend. Und was das Laden betrifft? Gern induktiv – zumindest was das Mobiltelefon angeht.

Der Born selbst saugt DC mit maximal 135 kW an öffentlichen Schnellladern, was den Ladestand von fünf auf 80 Prozent per CCS-Kabel in nur 30 Minuten erhöht. Das ist der gleiche Wert wie bei der kleineren 58-kWh-Batterie, die aber nur mit maximal 120 kWh Strom zapfen darf.

An der durchaus zu empfehlenden heimischen 11-kW-Wallbox lädt der Top-Born in 7,5 Stunden, womit bei dieser Art der Stromzufuhr längere Ladezeiten mit dem 77-kWh-Akku zu leben ist. Mit 58-kWh-Akku sind es nämlich nur rund sechs Stunden. Im Gegenzug gewinnt man aber 129 Kilometer an Reichweite nach WLTP-Norm.

Im Testbetrieb ermittelten wir bei sommerlicher Witterung auf der GF-Normrunde einen Durchschnittsverbrauch von 19,9 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Eine volle Batterieladung brachte den Born ohne Lade-Stopp maximal 416 Kilometer weit. Das sind 98 Kilometer mehr als beim Vorgänger-Test mit dem 204 PS-Born und 58-kWh-Akku. Womit klar sein dürfte, dass sich die Topversion besser für Langstreckenfahrer eignet.

Das Plus an Mehrleistung und Reichweite hat aber bekanntlich auch seinen Preis. 46.450 Euro berechnet Cupra für den Born E-Boost mit 77-kWh-Akku. Damit liegt er um stolze 7.080 Euro über der Basis – jeweils ohne Abzug der Förderung von 9.570 Euro gerechnet, solange der Stromer noch bis Ende 2022 zugelassen wird. Zumindest lautet so die aktuelle Regelung beim Gesetzgeber. Sparen ließen sich beim Kaufpreis weitere 5.700 Euro, wenn man zum 231-PS-Born mit kleinem 58-kWh-Akku greift. So viel kostet es letztlich, wenn man mit Mehrpower und zusätzlicher Reichweite auf und davon stromert, während Eddy Grant aus den neun Lautsprechern des BeatsAudio-Soundsystems (625 Euro) die 80er-Jahre- Hymne „We´re gonna rock down to Electric Avenue“ anstimmt.

Der Performance-Born hat uns so gut gefallen, dass wir ihn gleich zu einem Intensivtest dabehalten haben. Dieser ausgeweitete Testzyklus läuft drei Monate und soll noch mehr Eindrücke im Alltag vermitteln. Wir werden ausführlich in einer kommenden GUTE FAHRT darüber berichten.


Test kompakt

Mit der E-Boost-Funktion bringt Cupra beim Born noch mehr Leidenschaft an die Ladesäule. Auf bewährter Plattform liefern die Spanier einen ebenso dynamischen wie praktischen Kompakt-Stromer, der mit 231 PS Leistung die gewohnten Cupra-Tugenden in sich trägt. Mit großem 77 kWh-Akku neutralisiert der Elektro-Sportler obendrein die gefürchtete Reichweitenangst. Was bleibt, ist ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis.