Joshua Hildebrand
· 19.03.2021
Den spritzigen Skoda Octavia RS gibt es erstmals als 245 PS starken Plug-in-Hybrid.Ist der Teilzeitelektriker eine clevere Alternative zu den Verbrennern oder gar der beste RS, den es je gab? Finden wir es heraus!
Links, 3, lang doppelt, in Rechts, 5, macht auf. Rechts, 4, halblang, nicht schneiden … Richtig, solche Ansagen kennt man aus dem Rallyesport – damals wie heute. Damals, genauer gesagt in den 1970er-Jahren, waren die Tschechen im Motorsport ganz vorne mit dabei. Mit einem Skoda 130 RS gewannen sie so einige Rennen. Und genau jenes Auto gilt auch als Begründer der Skoda- RS-Tradition. Aus heutiger Sicht „elektrisiert“ dieses Kürzel für „Rallye Sport“ seit mehr als 45 Jahren die Fans. Erst seit dem Jahr 2000 dürfen auch die sportiven Serien-Skodas mit diesen beiden Buchstaben prunken. Nach dem allerersten Octavia RS, dem Fabia RS sowie dem Kodiaq RS steht nun der vierte Meilenstein der RS-Historie vor uns: der RS iV. Seines Zeichens der erste Sport-Skoda, in dem ein Plug-in-Hybridantrieb zum Einsatz kommt.
Nach wie vor gibt es den Octavia RS als Combi oder Limousine und nach wie vor mit 2.0-TDI-(4x4) oder 2.0-TSI-Antrieb. Der optische Unterschied zum reinen Verbrenner-Modell ist beim Hybrid-RS jedoch kaum erkennbar. Lediglich der „iV“-Schriftzug und die Ladebuchse am vorderen Kotflügel der Fahrerseite lassen die Teil-Elektrifizierung erkennen. Wie seine Verbrenner- Kollegen besticht auch er mit einer sportiven Verspoilerung plus jeder Menge schwarzer Akzente. Dazu zählen der Kühlergrill, die sogenannten Air Curtains um die Lufteinlässe an der Front, die Frontspoilerlippe sowie der Diffusor an der hinteren Heckschürze. Zudem ist der Dachspoiler in Wagenfarbe ausgeführt und die Heckschürze mit zwei Abgasendrohren versehen, von denen – bei näherer Betrachtungsweise – das beifahrerseitige als Attrappe auffällt.
Ferner gehören zur RS-Serienausstattung ultra-helle LED-Matrix-Scheinwerfer, 18-Zoll-Räder und rote Bremssättel sowie ein etwas hochbeiniger Look. Optisch kompensieren ließe sich das mit optionalen 19-Zoll-Felgen, welche es bereits ab 460 Euro extra gibt.
Wo RS draufsteht, ist RS drin
Im hochwertigen Cockpit peppen rote Nähte das Cockpit auf, äußerst hübsch anzuschauen ist der mit Alcantara bezogene Armaturenträger. Die bequemen und zugleich gut stützenden Sportsitze machen ihre Sache gut und spiegeln den Charakter des RS iV wider. Erwähnt sein sollte auch das Sport-Lederlenkrad, welches Skoda klasse konturiert und sehr griffig gestaltet hat. Flankiert wird das Wohlfühl-Ambiente von Dekorleisten im RS-Look sowie Pedalen im Aluminiumdesign. Skoda schafft es gekonnt, die Brücke vom RS-Modell zu den eigentlichen Octavia-Tugenden zu schlagen: Komfort, Platz, ein Hauch von Oberklasse-Luxus. Das Kofferraumvolumen fällt PHEV-bedingt kleiner aus als bei denVerbrennern, 490 bis 1.555 Liter sind dennoch mehr als genug.
Auch wenn sich die Serienausstattung bereits sehen lassen kann, gehört zu den Pflicht-Extras auf jeden Fall das Infotainmentpaket Columbus Plus für 1.860 Euro.Dann gibt es das große, gleichnamige 10-Zoll-Navi, ein Head-up-Display sowie eine Gepäcknetztrennwand dazu. Obendrein empfiehlt sich auch das Ausstattungspaket „Reise & Komfort“ mit dem teilautonomen Fahrsystem „Traveller“, das sich aus folgenden Komponenten zusammensetzt: adaptiver Abstandsassistent (ACC, Regelbereich bis 210 km/h), Geschwindigkeitsbegrenzer, adaptives DCC-Fahrwerk, Müdigkeitserkennung, Verkehrszeichenerkennung, Notfall- und Stauassistent sowie adaptiver Spurhalteassistent. Das alles erhält der Kunde bereits für angenehme 1.360 Euro. Wer dann noch1.040 Euro in das optionale Panorama-Schiebedach aus Glas investiert, fährt besonders „freizügig“.
Natürlich gibt es auch hier noch viele weitere Extras wie eine beheizte Frontscheibe (270 Euro) oder LED-Nebelscheinwerfer mit Abbiegelicht (Ausstattungspaket Parken & Sicht für 660 Euro). Fakt ist: Der Octavia RS iV präsentiert sich chic und, Volkswagen-Konzerntechnik sei Dank, sowohl bei der Assistenz als auch beim Infotainment auf dem neuesten Stand. Auch wenn die Menüstruktur teils gelernt sein muss und zunächst etwas undurchsichtig erscheint, zeigt sich das mit 25 Zentimetern Durchmesser große Touchdisplay scharf aufgelöst, hübsch animiert und ähnlich reaktionsschnell wie ein Smartphone. Dass auch hier viele relevante Funktionen via Swipen und Touchen gesteuert werden (u.a. das Schiebedach), ist längst Mittelklasse-Standard.
Gut, dass die wichtigsten Fahrzeugfunktionen nach wie vor konventionell per Taste angewählt werden können und somit schnell in greifbarer Nähe bleiben.
Wem das alles zu kompliziert ist, dem sei die Steuerung via Sprache und Lenkrad empfohlen. Letzteres wirkt aufgrund der chromfarbenen „Bedien-Rollen“ sehr edel, wenn auch ein bisschen überladen. Die Anordnung sowie die Belegung der Tasten hat der Fahrer aber schnell erlernt. So lässt sich direkt am Volant die Lenkradheizung aktivieren (Ausstattungspaket Komfort & Relax, 920 Euro) oder zwischen zahlreichen Anzeigemöglichkeiten des digitalen Tachos, darunter auch RS-spezifische mit sportlichem Balkendiagramm, hin und her switchen.
Die volle Ladung!
Zum ersten Mal setzt Skoda bei seiner RS-Familie auf einen Plug-in-Hybridantrieb. Doch dies macht Skoda nicht einfach aus Jux und Dollerei. Ziel sind die Steigerung der Performance bei gleichzeitiger Reduktion von Kraftstoffverbrauch und Co2-Emissionen. Hintergrund ist die neue, noch strengere Abgasnorm EU 6d, die ab 1. Januar dieses Jahres für alle neu zugelassenen Fahrzeuge in der EU verpflichtend ist. Der Co2-Ausstoß des RS iV liegt nach Norm bei circa 30 Gramm pro Kilometer im WLTP-Zyklus. Und trotz des sauberen Antriebes bietet der sportliche Octavia jede Menge Power: 245 PS Systemleistung und ein maximales Drehmoment von 400 Newtonmetern, resultierend aus einem 1,4 Liter großen TSI-Benziner mit 150 PS und einem 115-PS-Elektromotor. Wir kennen diese Technik nicht nur aus dem Golf 8 GTE. Auch beim Skoda sitzt die E-Maschine im 6-Gang-DSG, die ihre unterstützende Kraft an die Vorderräder weiterleitet.
Die Energie kommt aus einem 13 kWh (10,4 kWh netto) großen Lithium-Ionen-Akku im Unterboden des Fahrzeuges, der sich sowohl mobil als auch stationär laden lässt. Je nachHybrid-Einstellung im Fahrzeugmenü kann der Batterieladestand reserviert oder – wenig effizient – via Verbrenner erhöht werden. Standardmäßig rekuperiert der Octavia RS iV beim Verzögern mit Hilfe der E-Maschine, sodass hier stets Energie zurückgewonnen wird. Schnellstmöglich voll wird der Akku jedoch am Kabel. Geladen werden kann an der konventionellen 230-Volt-Steckdose mit 2,3 kW Ladeleistung oder – noch besser – an einer Ladesäule mit bis zu 3,6 kW Wechselstrom (AC). Dann ist die Batterie in knapp vier, respektive fünf Stunden wieder voll und es kann rein elektrisch weitergehen.
Wir haben es ausprobiert: Ganze 53 Kilometer (21,4 kWh/100 km) sind in Skodas E-Mode und damit lokal emissionsfrei drin. Besser wird die Ökobilanz, wenn die gezapfte Energie auch noch aus hundertprozentigem Grünstrom besteht – das ist aber ein anderes Thema. Aufgrund der Hybrid-Technik hat der Octavia RS iV mit knapp 40 Litern einen um fünf Liter kleineren Benzintank als der reine Verbrenner. Sind beide Energiequellen voll, schafft man es realistisch gesehen rund 700 Kilometer weit, wobei dies stark abhängig ist von Fahrstil und den Fahranteilen in der Stadt, über Land oder auf der Autobahn.
Auf der GF-Verbrauchsrunde (146 km) verbraucht er im Schnitt 4,1 Liter und 7,8 kWh auf 100 Kilometer. Ist der Akku leer, schaltet sich automatisch der Verbrenner als Hauptantrieb hinzu und erhöht den Benzinverbrauch auf gut 6,5 Liter im Schnitt. Ein sehr passables Ergebnis für einen Sport-Kombi mit über 1.700 Kilo Leergewicht, der wegen Batterien und E-Antrieb rund 200 Kilo schwerer ist als der RS 2.0 TSI.
Doch was passiert eigentlich, wenn die Batterieladung zu Neige geht? Trotz null Kilometern elektrischer Reichweite laut Tachoanzeige steht dem Fahrer noch genügend Energie für mehrfaches E-Boosten zur Verfügung. Die wird durch Rekuperation zurückgewonnen. Dafür bremst der Octavia RS zumeist mithilfe der E-Maschine, die Radbremsen kommen eigentlich nur bei stärkerer Verzögerung zum Einsatz.
Und, ja: Die Batteriekapazität ist endlich. Ist nach ausgiebiger Bolzerei wirklich gar kein „Saft“ mehr im Akku, wird es oben heraus etwas zäher. Doch bleibt die Höchstgeschwindigkeit erhalten, liegt sie doch auf den Stundenkilometer präzise exakt auf dem Wert eines Octavia Combi mit 150-PS-TSI. Immer angenehm zeigt sich das Doppelkupplungsgetriebe, das in diesem Fall die Schnittstelle zwischen Fahrer, Verbrenner und E-Maschine ist. In Anbetracht seiner Aufgabe schaltet es wirklich seidenweich, im Bedarfsfall auch richtig flott. Laut unserer Messanlage sind wir schneller auf Tempo 100 als mit aktiver Launch Control, die sich nicht zuletzt aufgrund des umständlich zu deaktivierenden ESC‘ nicht wirklich anbietet. Wie auch immer: Die vom Hersteller angegebenen 7,3 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo bestätigte unser Testkandidat ohne Probleme und lag sogar ein Zehntel darunter. Wie ein Golf 8 GTE liegt auch beim RS iV die Vmax bei 225 km/h und damit 25 km/h unter der des ebenso starken RS 2.0-TSI. Je nach Fahrmodus immer mit dabei: ein künstlich eingespielter Motorsound, der leicht übertrieben wirkt.
Trotz der etwas schwammigen Winterräder sticht der RS iV ziemlich taff ums Eck. Dabei profitiert er von der tief liegenden Batterie, die den Schwerpunkt etwas senkt. Aber Hand aufs Herz: Zu viel Sport sollte man von ihm nicht erwarten, auch wenn die RS-Embleme prominent platziert sind. Der iV ist zwar ein sportives Familienauto, macht aber nur ungern Komfort-Abstriche – angefangen von der Progressivlenkung bis hin zum optionalen Adaptivfahrwerk. Das DCC bewertet ununterbrochen diverse Fahrsituationen und passt die Dämpfungseigenschaften des Fahrzeugs permanent an. Es federt vor allem im Comfort-Modus sehr geschmeidig, neigt dafür aber zu leichten Aufbaubewegungen. Die Lenkung ist selbst im Sport-Modus noch komfortabel, leichtgängig und überfordert auch nicht mit zu starken Rückstellkräften. Sie sorgt in Verbindung mit der elektromechanischen Vorderachsquersperre für ein narrensicheres Kurvenverhalten wie auf Schienen und bietet Vorteile wie eine vollvariable Sperrwirkung zwischen null und hundert Prozent sowie die volle Einbindung in die ESC-, EDS- und XDS+-Funktionen.
RS iV mit Preisvorteil
Aber, was ist denn nun?! Ist der RS iV auf Augenhöhe mit seinen Verbrenner-Kollegen? Oder gar besser? Sagen wir mal so: Der Hybrid- RS ist einfach anders.
Das PHEV-System ist sehr gelungen und bietet eine Menge Vorteile. Dass der Octavia Combi RS iV ab 44.060 Euro darüber hinaus auch qualitativ hochwertig und technisch ganz vorne mit dabei ist, macht die Entscheidung sicherlich nicht einfacher. Folgende Argumente hingegen schon: Dank PHEV- Förderung von 6.740 Euro sowie der vergünstigten Versteuerung (0,5-Prozent-Regel) im Falle eines Firmenwagens zieht der Hybrid tatsächlich an den reinen Verbrennern vorbei – stromaufwärts sozusagen.
Test kompakt:
Der Octavia RS iV ist ein toller Hybrid-Combi, der sportlicher aussieht als er fährt. Der 245-PS-Antrieb ist nicht zuletzt wegen der E-Maschine antrittsstark und ein sparsamer Garant für entspannte Langstrecken. Je nach Fahrmodus bieten sowohl die Lenkung als auch das adaptive Fahrwerk eine breite Kennlinienspreizung, so dass der RS iV zum geschmeidigen Allrounder avanciert – mit allen Skoda-Tugenden: Er ist chic, geräumig, wertig. Noch dazu steuervergünstigt und PHEV-förderfähig.